Den Public-to-Private-Spread als Einstiegsfenster nutzen

Börsennotierte Immobilienunternehmen gehören auf Jahressicht zu den größten Verlierern an den Aktienmärkten. Sinnbildlich dafür steht der deutschen Branchenprimus Vonovia, dessen Aktienkurs von um die 50 Euro innerhalb von etwas mehr als einem Jahr auf zeitweise unter 16 Euro gesunken und sich seither auf um die 18 Euro stabilisiert zu haben scheint. Die Hauptursache ist schnell gefunden: Der Kursverlauf entspricht nahezu spiegelbildlich der Zinsentwicklung. Am Geschäftsmodell hat sich in den vergangenen Monaten nichts geändert.
21. Juni 2023
Dr. Karim Rochdi, Managing Partner bei AVENTOS / Foto: © AVENTOS

Börsennotierte Immobilienunternehmen gehören auf Jahressicht zu den größten Verlierern an den Aktienmärkten. Sinnbildlich dafür steht der deutschen Branchenprimus Vonovia, dessen Aktienkurs von um die 50 Euro innerhalb von etwas mehr als einem Jahr auf zeitweise unter 16 Euro gesunken und sich seither auf um die 18 Euro stabilisiert zu haben scheint. Die Hauptursache ist schnell gefunden: Der Kursverlauf entspricht nahezu spiegelbildlich der Zinsentwicklung. Am Geschäftsmodell hat sich in den vergangenen Monaten nichts geändert.

Der Fall Vonovia mag besonders drastisch sein, aber in der Tendenz durchaus exemplarisch für das Segment. Vor allem Projektentwickler, aber auch Bestandshalter leiden unter den steigenden Finanzierungskosten auf der einen sowie zinsbedingtem Abwertungsdruck auf der anderen Seite. Die Frage lautet, ob die Aktienkursentwicklungen mit diesen Amplituden gerechtfertigt sind – oder mit Blick auf die tatsächlichen Immobilienportfolios und Finanzierungsstrukturen völlig übertrieben.

Abwertungen bei Immobilienfonds bislang überschaubar

Schaut man zum Vergleich auf die Entwicklung von Offenen Immobilienfonds sowie auf die direkten Bewertungen größerer Immobilienportfolios, drängt sich vor allem der letztere Eindruck auf. Nehmen wir als Beispiel den hausInvest von der Commerzbank-Tochter Commerz Real, einen der größten Offenen Immobilienpublikumsfonds in Deutschland. Dort ist der offizielle Rücknahmekurs in den vergangenen anderthalb Jahren sogar um fast vier Prozent gestiegen. Die Börsen waren zwar etwas weniger gnädig mit den Fondsanteilen, doch auch dort fällt der Rückgang mit etwa sieben Prozent seit Anfang 2022 im Vergleich zu gelisteten Immobilien-AGs gering aus.

Um rund sieben Prozent ist auch der berichtete Verkehrswert des Immobilienbestands der Vonovia in den fünf Quartalen zum 31. März 2023 (unbereinigt) gesunken – kein Vergleich zum Kurssturz der Vonovia-Aktie. Bleibt die hohe Fremdfinanzierung als Erklärung, und die ist bei Vonovia tatsächlich eine Herausforderung, müssen die Bochumer doch in den kommenden acht Jahren jährlich im Schnitt fast vier Milliarden Euro refinanzieren. Doch auch das relativiert sich schnell: Bei einem angenommenen Zinsanstieg um vier Prozentpunkte sind das Mehrkosten von 160 Millionen Euro pro Jahr – oder 20 Euro-Cent je Aktie. Nur zum Vergleich: Abzüglich Schulden beläuft sich der Verkehrswert der Immobilien auf rund 60 Euro je Aktie – das Dreifache des aktuellen Kurses.

Die Gutachter hinken hinterher

Offensichtlich gibt es also eine große Diskrepanz zwischen den Einschätzungen der Immobilienfonds beziehungsweise der Gutachter und der Entwicklung an den Kapitalmärkten. Man könnte auch von einem „Public-to-Private-Spread“ oder anders gesagt von einer Liquiditätsprämie sprechen. Doch wer von beiden hat nun recht?

Tatsache ist, dass Preis- und Bewertungsentwicklungen an den Börsen sehr viel schneller vonstattengehen und Kursbewegungen deshalb deutlich volatiler sein können als auf illiquiden Märkten wie dem Immobilienmarkt. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Erwartungen zur weiteren Zinsentwicklung in den Börsenkursen schon weitgehend eingepreist sind. In den Wertgutachten zu den Immobilien, die für Fonds und andere Bestandshalter regelmäßig erstellt werden, schlägt sich selbst der Ist-Zustand erst mit einiger Verzögerung nieder. Für die Gutachter kommt derzeit erschwerend hinzu, dass kaum aussagekräftige Referenztransaktionen stattfinden, weil die Immobilien-Transaktionsmärkte für viele Nutzungsarten nahezu zum Erliegen gekommen sind.

Angleichung von oben oder von unten?

Einschlägige Studien zeigen, dass sich Immobilienaktien langfristig immer an die Entwicklungen der Immobilienmärkte annähern. Wir gehen deshalb davon aus, dass die Börsen die künftige Immobilienmarktentwicklung vorweggenommen haben – und das in vielen Fällen in drastisch übertriebenem Ausmaß. Immobilien und Immobilienaktien werden sich in diesen Fällen von beiden Seiten einander annähern – in Form behutsam sinkender Immobilienbewertungen bei gleichzeitig steigenden Aktienkursen.

Für professionelle Investoren bietet sich deshalb jetzt ein günstiges Zeitfenster, um in Form von Immobilienaktien indirekt über die Börse in Immobilien zu investieren. Darüber hinaus bieten Immobilienaktien auch weitere Vorteile gegenüber direkten Immobilieninvestments oder illiquideren Vehikeln wie offenen oder geschlossenen Immobilienfonds: größere Liquidität, bessere Fungibilität (Handelbarkeit) und in der Regel größere Transparenz, um die wichtigsten zu nennen.

International betrachtet gibt es zudem ein sehr großes und heterogenes Anlageuniversum, das eine breite Diversifikation bereits mit überschaubaren Mitteln erlaubt. Immobilienaktien machen zudem sehr fokussierte Immobiliennutzungsarten wie zum Beispiel Rechenzentren, Mobilfunkantennen oder Lagerräume ohne großen Aufwand investierbar, für die es zumeist keine spezialisierten Fonds gibt. REITs – Real Estate Investment Trusts – sind de facto nichts anderes als Immobilienaktien mit bestimmten Eigenschaften und als solche in einigen Märkten wie beispielsweise den USA sehr verbreitet. Sie haben speziell für institutionelle Investoren einen besonderen Vorteil: Sie können unter bestimmten Voraussetzungen auch in der Immobilienquote angesiedelt werden.

Gastbeitrag von Dr. Karim Rochdi, Gründer und Geschäftsführer, AVENTOS Capital Markets

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