Das Comeback der Anleihen ist ausgefallen – Anleger brauchen Alternativen

Was ist nicht alles geschrieben und gesprochen worden über das Comeback der Anleihemärkte. Nach einem Annus horribilis für Anleihen in 2022, in dem beinahe das gesamte Fixed-Income-Universum eines der schlimmsten Jahre seiner Geschichte verbuchte, sollte es im Jahr 2023 endlich wieder aufwärts gehen. Nun, nachdem mehr als drei Viertel des Jahres hinter uns liegen, müssen viele Investoren feststellen: Die Straße war sehr viel holpriger als erwartet. Viele dürften mindestens mit Teilen ihrer Anleihenallokation „unter Wasser“ liegen.
21. Dezember 2023
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Was ist nicht alles geschrieben und gesprochen worden über das Comeback der Anleihemärkte. Nach einem Annus horribilis für Anleihen in 2022, in dem beinahe das gesamte Fixed-Income-Universum eines der schlimmsten Jahre seiner Geschichte verbuchte, sollte es im Jahr 2023 endlich wieder aufwärts gehen. Nun, nachdem mehr als drei Viertel des Jahres hinter uns liegen, müssen viele Investoren feststellen: Die Straße war sehr viel holpriger als erwartet. Viele dürften mindestens mit Teilen ihrer Anleihenallokation „unter Wasser“ liegen.

Dabei ist das bisherige Jahr 2023 auf eine ganz andere Art schwierig gewesen als das Vorjahr. Die Kupons sind infolge des allgemeinen Zinsanstiegs zwar optisch hoch, doch hält sich die Inflation hartnäckig und zehrt große Teile der über die Kupons erwirtschafteten Renditen wieder auf. Zugleich herrscht viel Unsicherheit. Die meisten bedeutenden Volkswirtschaften halten sich bislang robuster als erwartet, doch ein Abrutschen in die Rezession ist noch nicht ausgeschlossen. Geopolitische Krisenherde wie in der Ukraine und in Israel versetzen die Märkte zusätzlich in Turbulenzen. In den USA sorgt derweil das massive Haushaltsdefizit für Unruhe, zumal beide Parteien sich schon mit kurzfristigen Lösungen schwertun – und sich mit langfristigen Lösungen bislang ohnehin kaum befassen. Bei Anleihen mit längerer Duration hat dies bereits zu einem massiven Abverkauf geführt.

Wo also werden Anleger auf der Suche nach attraktiven Renditen bei kontrollierbarem Risiko fündig? Eine Alternative ist simpel: Cash. Viele Investoren werden überrascht sein und sich vielleicht an den berühmten Ausspruch von Ray Dalio erinnern, dem Gründer des Hedgefonds Bridgewater Associates, der sagte: „Cash is trash“. Doch ein beispielloser globaler Zinserhöhungszyklus hat dazu geführt, dass Anleger unter Verzicht auf zusätzliche Kredit- oder Durationsrisiken mit extrem kurzfristigen Anleihen oder Geldmarktfonds anständige Renditen erzielen können. Sogar Ray Dalio musste kürzlich zugeben: „Cash hatte mal etwas Trashiges. Jetzt ist Cash attraktiv. Es ist attraktiv im Vergleich zu Anleihen. Und es ist sogar attraktiv im Vergleich zu Aktien.“ Kein Wunder also, dass gewaltige Summen an Kapital in US-Geldmarktfonds geflossen sind. Viele Fonds bieten derzeit annualisierte Renditen oberhalb von 5 %, also deutlich mehr also die aktuelle Inflationsrate. Zumindest in den USA kann man also inzwischen wieder sagen: „Cash is King“. So hat der rasante Anstieg der Zinssätze in den letzten 18 Monaten dazu geführt, dass sehr kurzfristige Schuldtitel, selbst von Schuldnern, bei denen ein Zahlungsausfall äußerst unwahrscheinlich ist, Anlegern heute attraktive Gewinne bescheren. Dies bedeutet, dass Cash und vergleichbare Anlagen für viele Anleger nicht nur mit Aktien konkurrieren, deren risikobereinigte Renditen aktuell auf einem 20-Jahres-Tief liegen, sondern langsam auch Anleihen den Rang ablaufen. Eine große Rolle spielt dabei die Inversion der Renditekurve: Anleger werden für Investitionen in Anleihen mit kürzerer Duration von drei Monaten quasi belohnt, während sie längerfristige Anlagen, also das Eingehen zusätzlicher Durationsrisiken, nicht kompensiert werden. Da in den USA nach wie vor keine Anzeichen einer Rezession zu sehen sind, gibt es also kaum einen Grund, Staatsanleihen mit längerer Laufzeit zu erwerben.

Cash muss aber auch den Vergleich mit Credit-Investments nicht scheuen. Die Rendite von 5 %, die Anleger mit Treasuries mit kürzerer Laufzeit – beispielsweise in Geldmarktfonds – erzielen können, entspricht in etwa der von wesentlich risikoreicheren Anlagen, darunter auch erstklassigen Unternehmensanleihen. Und auch bei High-Yield-Bonds, die auf den ersten Blick sehr hohe Renditen bieten (im Durchschnitt über 8 %), sind die Risikoaufschläge im Vergleich zu Treasuries immer noch recht niedrig – ein Hinweis darauf, dass Anleger für die Übernahme eines signifikanten Kreditrisikos nicht angemessen entschädigt werden. In Anbetracht dessen gibt wohl Cash, lange als toter Vermögenswert eingestuft, in den USA wohl erst einmal weiter den Ton an, insbesondere angesichts der geopolitischen und wirtschaftlichen Ungewissheit.

In Europa sehen die Dinge allerdings ganz anders aus. Zum einen sind die nominalen Renditen niedriger, und zum anderen ist die Inflation – vor allem die Kerninflation – wesentlich hartnäckiger. Ein Grund dafür ist, dass der EZB-Zinssatz immer noch deutlich unter der Inflationsrate liegt. Das bedeutet, dass die Renditen und insbesondere die realen Renditen niedriger sind, und das auf breiter Front. Dementsprechend scheinen europäische Anleihen für viele Anleger unattraktiv zu sein. Der Bloomberg Euro Corporate Bond Index, der den Markt für Investment-Grade-Anleihen in Europa nachbildet, weist eine Yield-to-Worst von 4,3 % auf – wohl kaum ein relevanter Renditeaufschlag im Vergleich zu Staatsanleihen, wenn man von einer Rendite von 3,2 % für eine zweijährige deutsche Anleihe ausgeht. Aber der Index hat auch eine effektive Laufzeit von 5,5 Jahren, was bedeutet, dass Anleger nicht nur ein Kredit‑, sondern auch ein Durationsrisiko eingehen müssen, um überhaupt eine positive Realrendite zu erzielen.

Was ist in diesem Umfeld die richtige Anlagestrategie? Bei vielen Long-only-Fonds beobachten wir, dass sie einfach nur versuchen, ihre Erträge zu maximieren, indem sie ein hohes Kreditrisiko eingehen. Die Anleger müssen sich allerdings fragen, ob sie dafür angemessen entschädigt werden. Wir sind hier angesichts des Refinanzierungsrisikos der am höchsten verschuldeten Unternehmen eher vorsichtig. Cash kann eine gute – und von vielen Anlegern unterschätzte – Alternative sein. Aktuell ist dies jedoch nur in den USA der Fall. In Europa sind die Realrenditen teils sogar noch negativ. Investoren werden also nur unter Ausschöpfung der gängigen Sub-Kategorien des Anleihemarktes womöglich nicht in der Lage sein, die risikobereinigten Renditen einzufahren, die sie anstreben. Daher sollten sie ihren Instrumentenkasten vergrößern und Anlagestrategien in Betracht ziehen, die es ihnen ermöglichen, in jeder Marktphase eine hohe Bandbreite an attraktiven Risikoprämien zu vereinnahmen. Das Ziel muss eine Rendite in Höhe von „Cash plus x“ sein, ohne dabei hohe Kredit- oder Durationsrisiken einzugehen.

Zu den Strategien, die sie dabei einsetzen können, zählen direktionale Strategien; Relative-Value-Strategien, mit denen auf den Performance-Unterschied zweier Marktsegmente oder Wertpapiere gesetzt wird; Handelsstrategien, die sich Veränderungen der Zinsstrukturkurve zunutze machen; oder auch Anlagestrategien, die über entsprechende Finanzinstrumente in Volatilität investieren und so auf eine steigende oder sinkende Volatilität setzen.

In der Praxis können solche Strategien ganz unterschiedliche Ausprägungen haben. Entscheidend für die überdurchschnittliche Wertentwicklung unseres Investmentansatzes im letzten Jahr war beispielsweise eine Netto-short-Position hinsichtlich der Duration. Dadurch konnten wir von der galoppierenden Inflation und steigenden Zinsen profitieren. Aktuell ist eine der wichtigen Positionierungen im Portfolio darauf ausgerichtet, von Rating-Heraufstufungen und Spread-Einengungen in Schwellenländern zu profitieren. Die Geldpolitik in vielen Schwellenländern ist sehr konservativ im Vergleich zur lange lockeren Geldpolitik in den entwickelten Märkten. Wir werden daher mittelfristig Hochstufungen der Ratings von Schwellenländern erleben, die gleichzeitig Währungsaufwertungen mit sich bringen. Überhaupt spielen auch die Devisenmärkte eine Schlüsselrolle für uns. Weltweit gibt es derzeit eine große Divergenz in der Geldpolitik der einzelnen Notenbanken. Diese Unterschiede werden sich auch auf die Wertenwicklung der Währungen zueinander auswirken. Wir kombinieren im Währungsbereich eine Reihe unterschiedlicher Positionen miteinander, die so aufeinander abgestimmt sind, dass sie Stabilität geben. Dazu halten wir Positionen in Währungen, die eher in freundlichen Markphasen zulegen, und Währungen, die eher als Fluchtwährungen in turbulenten Phasen gelten.

Diese Beispiele zeigen: Wer in Anleihen investiert, sollte nicht primär an nominale Zinsen oder bestimmte Ertragsziele denken, sondern attraktive absolute reale Renditen anstreben – und dies zu moderaten Kredit- und Durationsrisiken. Dabei reicht es nicht aus, einfach nur mit Blick auf die verschiedenen Segmente des Anleihemarktes zu diversifizieren. Eine differenzierte – und, ja, auch komplexere – Strategie muss her. Die Zeit, in der sich mit „long only“ im Anleihemarkt auskömmliche Renditen erwirtschaften ließen, ist jedenfalls erst einmal vorbei.

Autor: Francois Collet, Deputy CIO, Natixis-Tochter DNCA Finance

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