Bewusste Risikosteuerung statt KI-Hype

Tobams CIO Dr. Tatjana Xenia Puhan bleibt bei ihrer Erwartung strukturell getriebener Inflationsraten. Westliche Notenbanken haben derzeit bestenfalls eine Verschnaufpause. Daran ändert auch die Situation in China nichts, wo jetzt die positiven Effekte der Wiedereröffnung nach Corona auslaufen. Sorgen bereitet ihr die Übertreibung an den US Tech-Märkten, wo der KI-Hype die Zuspitzung der Indexperformance- und konzentration weiter anheizt.
16. Juni 2023
Dr. Tatjana Xenia Puhan - Foto: © Tobam

Tobams CIO Dr. Tatjana Xenia Puhan bleibt bei ihrer Erwartung strukturell getriebener Inflationsraten. Westliche Notenbanken haben derzeit bestenfalls eine Verschnaufpause. Daran ändert auch die Situation in China nichts, wo jetzt die positiven Effekte der Wiedereröffnung nach Corona auslaufen. Sorgen bereitet ihr die Übertreibung an den US Tech-Märkten, wo der KI-Hype die Zuspitzung der Indexperformance- und konzentration weiter anheizt.

Die in den USA beobachtete Inflationsabschwächung des vergangenen Monats auf nurmehr 4 Prozent ist kein Grund zur Leichtfertigkeit. Zwei weitere Zinserhöhungen im Jahresverlauf sind schon angekündigt, aber die Fed hält sich alle Optionen offen. Im Euroraum ist der Preisdruck deutlich höher. Etwas über 6 Prozent zum Vorjahres-Mai lassen der EZB keinen Spielraum. Sie bleibt bei ihrer Ansage an die Märkte, der Kampf gegen die anhaltende Inflation sei noch nicht vorbei. International orientierte Anleger sollten die Lockerungsschritte der People’s Bank of China nicht überbewerten. Es zeigt eher, dass sich die Erwartungen an den Aufschwung nach der Wiedereröffnung der Wirtschaft nicht erfüllt haben. Die Wirtschaftsdynamik lässt zwar weltweit nach, aber wir erwarten von der Entwicklung in China keine unmittelbare Wirkung auf die Zinspolitik anderer Länder.

KI-Hype verdeckt Risiken am Aktienmarkt

Den Aktienanlegern reicht es derzeit, wenn das Stichwort Künstliche Intelligenz (KI) erwähnt wird, um den Kurs eines Unternehmens in die Höhe zu treiben. Die Märkte befinden sich nach unserer Einschätzung in einer ausgeprägt ineffizienten Phase der Informationsverarbeitung. Die sogenannten FANG+-Aktien (d. h. die 10 größten US-Tech-Aktien) übertreffen im Jahresvergleich die durchschnittliche Wertentwicklung des US Large-Cap-Segments um mehr als 56 Prozent — und natürlich wäre diese Zahl noch viel höher, wenn man beide Gruppen separiert einander gegenüberstellt. Hier kann man ohne weiteres von einem Hype sprechen. Die Situation erinnert an den Beginn der Technologieblase, die Anfang der 2000er Jahre platzte und schließlich mehr als 70 Prozent des Wertes des Nasdaq vernichtete.

Das disruptive Potential der KI ist unbestritten. Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch nicht klar, welches Unternehmen in welchem Maße davon profitieren wird. Über-dynamische Kurssprünge wie beispielsweise bei Nvidia sind eine weitere Parallele zu dem Tech-Boom der 90er. Daher sehen wir ein erhebliches Kursrisiko in Anlageportfolien, in denen keine Risikosteuerung stattfindet. Aus unserer Sicht sind Anlagen in passiven Indexfonds oder auch in ESG-Produkte ohne aktive Kontrolle für Verzerrungen von Risikofaktoren besonders gefährdet.

Diversifikation statt Timing 

Wir warnen seit vielen Jahren vor einer zunehmenden und im letzten Jahr rekordverdächtigen Marktkonzentration, insbesondere in den USA. Heute sind 90 Prozent des S&P500 so niedrig bewertet wie seit fast 40 Jahren nicht mehr, während nur wenige, sehr große Unternehmen zu extrem hohen Multiplikatoren gehandelt werden. Anleger sind also mit einer Timing-Frage konfrontiert: Wann beginnt der Markt, diese Divergenz in den Bewertungen zu korrigieren.

Hinzu kommen geopolitische Herausforderungen sowie Risiken, die im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Klimawandels stehen. Das erschwert Vorhersagen, auf welchen Märkten die Anleger auf extreme negative Ergebnisse vorbereitet sein sollten. In einem solchen Umfeld ist das Nutzen einer effektiven Diversifizierung noch größer.

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