KI erlaubt die Bewertung ganzer Unternehmens-Universen innerhalb kürzester Zeit

Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Sie führt zu einer Transformation der Fondsbranche. Wie sich das konkret gestaltet und über Besonderheiten des hauseigenen KI-basierenden Modells sprach INTELLIGENZ INVESTORS exklusiv mit Dr. Lard Edler,  Geschäftsführer und CIO von HQ Asset Management (HQAM). Der promovierte Volkswirt verfügt über langjährige Erfahrung bei der aktiven Steuerung großer Vermögen institutioneller Investoren sowie wohlhabender Privatkunden. Zuvor verantwortete er als Co-CIO und Leiter Investmentstrategie die taktischen Investitionsentscheidungen der institutionellen und privaten Vermögensverwaltung von Sal. Oppenheim. 
10. September 2020
Dr. Lars Edler - Foto: © HQ Asset Management (HQAM)

Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Sie führt zu einer Transformation der Fondsbranche. Wie sich das konkret gestaltet und über Besonderheiten des hauseigenen KI-basierenden Modells sprach INTELLIGENT INVESTORS exklusiv mit Dr. Lars Edler,  Geschäftsführer und CIO von HQ Asset Management (HQAM). Der promovierte Volkswirt verfügt über langjährige Erfahrung bei der aktiven Steuerung großer Vermögen institutioneller Investoren sowie wohlhabender Privatkunden. Zuvor verantwortete er als Co-CIO und Leiter Investmentstrategie die taktischen Investitionsentscheidungen der institutionellen und privaten Vermögensverwaltung von Sal. Oppenheim. 

 

INTELLIGENT INVESTORS: Können Sie zunächst kurz darlegen, wie nach Ihrer Meinung Künstliche Intelligenz die Fondsbranche verändert?

Dr. Lars Edler: Künstliche Intelligenz spielt bei der Transformation der Fondsbranche auf den unterschiedlichsten Ebenen eine enorm wichtige Rolle. Da ist zunächst die Kundensicht: Investoren stehen zunehmend einer Welt gegenüber, in der es nicht mehr entscheidend ist, einen Wissensvorsprung im eigentlichen Sinne zu haben, um darauf zu handeln und einen Mehrertrag zu generieren. Das war früher der Fall, bevor die zunehmenden Publizitätspflichten von börsennotierten Unternehmen dieses Modell immer unbedeutender machten. Heutzutage stehen im Grunde allen Marktteilnehmern zum gleichen Zeitpunkt alle börsenkursrelevanten Informationen zur Verfügung. Der Fokus hat sich von der Informationsgewinnung hin zur Informationsverarbeitung entwickelt. Die Marktteilnehmer haben es mit einer Flut von unternehmensspezifischen und makroökonomischen Daten zu tun. Nur wer effiziente Wege findet, diese Informationen schnell und systematisch auszuwerten, kann noch Mehrwert in einem Portfolio generieren. IT-gestützte Systeme sind hier unverzichtbar und diese werden durch die rasanten Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz und Maschinellen Lernens qualitativ immer hochwertiger.

II: Und aus der Perspektive eines Asset Managers?

Dr. Edler: Neben den bereits genannten Vorteilen, die natürlich für Kunden und Anbieter gleichermaßen relevant sind, haben Asset Manager im Umfeld des stärker werdenden Margendrucks – hauptsächlich ausgelöst durch wachsende regulatorische Vorgaben – durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Möglichkeit, sich deutlich effizienter und somit kostengünstiger aufzustellen.

II: Welche Vorteile ergeben sich noch durch den Einsatz von KI?

Dr. Edler: Da ist vor allem die Konsistenz: Aufgrund des Designs von KI-Systemen im Rahmen des Asset Managements ist die Entscheidungsfindung – also die Beantwortung der Frage, welche Titel zu den guten und welche zu den schlechten Aktien gehören – in vielen Fällen gar nicht weit entfernt von dem „Analysepfad“, den ein klassischer Aktienanalyst durchlaufen würde. Der grundlegende Vorteil von KI-Systemen gegenüber den klassischen „Kollegen“ ist jedoch, dass sie in der Lage sind, nicht nur einige wenige Unternehmen in ihrer Analyse abzudecken, sondern ganze Universen innerhalb kürzester Zeit bewerten können. Zeit ist hierbei jedoch nur ein Faktor. Ein viel wichtigerer Punkt ist, dass Künstliche Intelligenz ein streng konsistentes Bild über alle Aktien und Branchen hinweg zeichnet.

II: Da simultan alle Aktientitel und die dahinter liegenden Fundamentaldaten betrachtet werden?

Dr. Edler: Genau. Dadurch entsteht ein Bild über den Aktienquerschnitt, das frei ist von Verzerrungen. Diese können sich in der klassischen Aktienanalyse schon allein durch den Umstand ergeben, dass Analysten ihre individuelle Bewertung anhand eigener Kriterien vornehmen, die von denen der Kollegen aber stark abweichen kann. Hinzu kommen unter Umständen klassische Probleme der Verhaltensökonomik, zum Beispiel eine gewisse Präferenz für Unternehmen, die man als Analyst schon sehr lange beobachtet. Dies ist in der Welt des Maschinellen Lernens bzw. der Künstlichen Intelligenz per Konstruktion ausgeschlossen.

II: Wie setzen Sie ganz konkret KI bei Ihren Fonds ein?

Dr. Edler: Wir bedienen uns in erster Linie der Methodik des sogenannten Random Forest. Die Herangehensweise basiert in ihrer Grundidee auf der Theorie der Entscheidungsbäume. Diese haben jedoch den großen Nachteil, dass sie im einfachen Fall zu einer übertrieben starken Anpassung eines Modells an die Daten der Vergangenheit neigen. Um eine entsprechende Robustheit in unsere Modelle zu bekommen, lassen wir über eine Vielzahl randomisierter Entscheidungsbäume das Entscheidungsproblem berechnen. Hierdurch bekommen wir die Möglichkeit, tatsächliche Zusammenhänge in den Daten herauszufiltern und diese dann anschließend für unsere Aktienprognosen zu nutzen. Wichtig ist uns hierbei, dass wir jederzeit erklärbare und nachvollziehbare Entscheidungen treffen. Daher sind die Daten, auf denen unsere Analysen beruhen, in der Regel allesamt klassische und bekannte (Finanz-)Kennziffern der Unternehmen.

II: Wo liegt der größte Unterschied zu den „herkömmlichen Modellen“?

Dr. Edler: Im Vergleich zu den herkömmlichen Modellen sind unsere auf KI-basierenden Modelle in der Lage, nichtlineare Zusammenhänge in den Daten, die Interaktion, also das Zusammenspiel zweier oder mehr Faktoren sowie Dynamik in den Faktorrenditen zu berücksichtigen. Insbesondere die Nichtberücksichtigung von Nichtlinearität und Interaktion wird häufig in Zusammenhang mit quantitativem Asset Management kritisiert. Unsere Modelle merzen diesen Makel herkömmlicher Quant-Modelle aus und schließen damit die methodische Lücke zwischen quantitativer und klassischer Aktienselektion.

II: Woher wissen Sie, dass die eingesetzten Werkzeuge der künstlichen Intelligenz gute Ergebnisse zu Tage bringen?

Dr. Edler: Unser Anspruch ist nicht, Modelle zu bauen, die in der Rückrechnung eine herausragende Performance zeigen. Natürlich ist Performance immer ein wichtiges Thema, für uns steht jedoch die Robustheit der Modelle klar im Vordergrund. Wir selektieren im Research diejenigen Modelle, die durch Stetigkeit in der Erzeugung von Outperformance glänzen. Das Ganze verläuft unter strenger Kontrolle des einzugehenden Risikos. Darüber hinaus arbeiten wir im Backtesting unserer Ansätze ausschließlich mit Point-in-Time-Daten, das heißt, wir geben unseren Modellen nur die Daten, die tatsächlich zu den Berechnungsstichtagen wie berichtet vorlagen. In unseren Berechnungen findet keinerlei Revision einer Zeitreihe Eingang, da dies zu falschen Ergebnissen führen würde, der sogenannte Hindsight-Bias. Durch die Art des Modelldesigns und den ausgeprägten Fokus auf Randomisierung im Kern unseres Prozesses stellen wir sicher, dass keine übertrieben starke Anpassung an Daten und Strukturen der Vergangenheit stattfindet. Dies erhöht zusätzlich den Grad an Robustheit.

II: Handelt es sich bei dieser Art von Modellen um eine neue Technologie?

Dr. Edler: Ja, das wäre in dieser Form noch vor wenigen Jahren nicht möglich gewesen. Immer kostengünstigere Rechen- und Speicherkapazitäten, begünstigt durch den Aufbau großer on-demand Rechenzentren von Anbietern wie Microsoft oder Amazon, haben diese Entwicklungen erst ermöglicht. Insofern hat man es beim Einsatz von KI derzeit mit Ergebnissen zu tun, die nicht mit historischen Zahlen vergleichbar ist – einfach deshalb, weil es in der Historie keinen Vergleichsmaßstab gibt. Die klassische Bewertung des Erfolgs eines Anlagekonzeptes, etwa drei Jahre Track Record oder ein bestimmter Mindestbetrag Assets Under Management in einer bestimmten Strategie, greifen daher in diesem Marktsegment nicht. Transparenz, Nachvollziehbarkeit und ökonomisches Rational sind die kritischen Erfolgsfaktoren für die Zukunft von Ansätzen dieser Art.

II: Welche Rolle kommt dem Fondsmanagement letztlich beim Einsatz von KI noch zu?

Dr. Edler: Das Berufsbild des Portfoliomanagers im Umfeld KI-gestützter Strategien ändert sich ganz erheblich. KI-Systeme sind – umgangssprachlich ausgedrückt – ein Mannschaftssport. Die gesamte Wertschöpfungskette muss fein aufeinander abgestimmt sein, um eine stabile Überrendite zu generieren. Dies fängt an bei der Datenbank, welche die Grundlage aller weiterer Analysen darstellt. Im Research werden dann die Aktien KI-gestützt bewertet. Die im Research erzeugte Einschätzung der einzelnen Aktien wird in das Portfoliomanagement übermittelt. Hier werden die Research-Einschätzungen mit der Realität der Märkte konfrontiert. Ein real investiertes Portfolio unterliegt einer Reihe von Restriktionen und Marktfriktionen. Aufgabe des Portfoliomanagers ist es, in der Konstruktion eine Balance zwischen den Research-Ergebnissen einerseits und der Einhaltung von Nebenbedingungen wie etwa maximaler Turnover, ESG-Erwägungen oder kosteneffizienter Handel des Aktienbaskets andererseits herzustellen.

II: Das heißt, Sie glauben, es gibt irgendwann keine „Starfondsmanager“ mehr?

Dr. Edler: Auch das spricht für quantitatives Asset Management: Aufgrund der Organisation des Prozesses anhand einer Wertschöpfungskette und den damit einhergehenden Verzicht auf einen einzelnen „Starfondsmanager“ wird die Stabilität und Kontinuität dieser Konzepte deutlich erhöht. Dies ist für Kunden wie für Anbieter gleichermaßen vorteilhaft!

 

Dr. Lars Edler — Foto: © HQ Asset Management (HQAM)

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