„2020 — Comeback-Jahr für Wandelanleihen“

Investoren im Wandelanleihebereich haben in den zurückliegenden Wochen erneut erfahren, dass diese Assetklasse auch große Korrekturen deutlich abfedert. Über das Für und Wider von Wandelanleihenfonds und deren Aussichten im zweiten Halbjahr sprach Intelligent Investors-Chefredakteur Alexander Heftrich mit Marc-Alexander Knieß, Wandelanleihen-Spezialisten im Hause Lupus Alpha.
6. Mai 2020

Investoren im Wandelanleihebereich haben in den zurückliegenden Wochen erneut erfahren, dass diese Assetklasse auch große Korrekturen deutlich abfedert. Über das Für und Wider von Wandelanleihenfonds und deren Aussichten im zweiten Halbjahr sprach Intelligent Investors-Chefredakteur Alexander Heftrich mit Marc-Alexander Knieß, Wandelanleihen-Spezialist im Hause Lupus alpha.

Intelligent Investors: Inwiefern haben sich Wandelanleihen seit Ausbruch der Corona-Pandemie als eine sinnvolle Alternative zum Rentenmarkt gezeigt?

Marc-Alexander Knieß: Wandelanleihen verbinden über das Wandelrecht die beiden großen Anlageklassen Anleihen und Aktien. Sie verfügen über die besondere Eigenschaft der Konvexität, die diese Titel ein Stück weit automatisch entsprechend der jeweiligen Marktphase eher aktiensensitiv und damit offensiver, oder eher anleiheorientiert und damit defensiver sein lässt. Konkret nimmt eine balancierte Wandelanleihe mit steigenden Aktienkursen immer stärker den Charakter eines Aktieninvestments an. Mit fallenden Aktienkursen verhält es sich genau umgekehrt, die Sicherheit der Anleihe rückt immer stärker in den Vordergrund. Neben dieser Verbindung aus Schutz und Chance reduzieren sie durch ihre besonderen Eigenschaften insbesondere die Schwierigkeit des richtigen Timings. Diese Stärke konnten sie in den ersten Monaten des Jahres gut ausspielen: Während bis Mitte Februar vor allem die steigenden Aktienmärkte Freude bereitet haben, standen in den folgenden Wochen die defensiven Eigenschaften der Anleihen im Fokus. Nach massiven Liquiditätsspritzen seitens Notenbanken und Politik folgten dem Einbruch Ende März erneut stark steigende Aktienkurse. Nur die wenigsten Anleger werden diese schnellen, tiefgreifenden Trendwechsel in ihren Depots für sich genutzt und von Aktien auf Anleihen und wieder zurück auf Aktien gewechselt haben. Wandelanleihen lösen dagegen für Investoren diese schwierige Timing-Frage ganz automatisch.

 

II: Was bringen Wandelanleihen dem Anleger in Zeiten anhaltend niedriger Zinsen?

Knieß: Wandler ermöglichen dem Anleiheinvestor die Chance auf eine positive Wertentwicklung, auch wenn die Zinsen um die Nulllinie herum tendieren oder am Markt befindliche Anleihen aufgrund eines steigenden Zinsniveaus sogar Kursverluste hinnehmen müssen. Steigende Zinsen erscheinen vor dem Hintergrund der aktuellen weltweiten Rezession infolge der Corona-Pandemie auf den ersten Blick sehr unwahrscheinlich, bei genauerem Hinsehen allerdings angesichts der historisch beispiellosen Fiskalprogramme, die in den kommenden Jahren zum Großteil über Anleiheverkäufe am Markt refinanziert werden müssen, aber auch nicht ganz unwahrscheinlich. Zudem bringen Wandelanleihen Diversifikation in ein (Anleihe-) Portfolio, da die Emittenten häufig nur Aktien und keine sonstigen Anleihen ausstehen haben. Gerade wachstumsstarke junge Unternehmen begeben Wandelanleihen, um sich schnell und günstig refinanzieren zu können. In einem nicht erst seit Corona eher wachstumsschwachen Umfeld wecken diese Firmen aber nicht selten Begehrlichkeiten größerer und finanzstärkerer Mitbewerber und werden übernommen. Wandelanleiheinvestoren profitieren dabei von den sogenannten Schutzklauseln, die für ein vorzeitiges Ende des Wandelrechts entschädigt werden und somit über einen weiteren Werttreiber verfügen.

 

II: Wie hat sich das Segment für Wandelanleihen im bisherigen Jahresverlauf entwickelt? (ggf. auch Betrachtung von Neuemissionen)

Knieß: Wegen ihrer Konvexität haben Wandelanleihen in den vergangenen Monaten weit weniger an Wert verloren als reine Aktieninvestments, in Phasen steigender Aktienkurse (bis Mitte Februar, dann erneut seit Ende März) aber klar stärker zugelegt, als dies mit einem reinen Anleiheinvestment möglich gewesen wäre. Hervorzuheben ist besonders die zuletzt sehr starke Aktivität am Primärmarkt. Bis Ende April kamen bereits knapp 38 Mrd. US-Dollar an neuen Wandelanleihen auf den Markt und damit weit mehr als im gleichen Zeitraum 2019. In den vergangenen Wochen haben wir viele erstmalige Emittenten von Wandelanleihen aus unterschiedlichen Branchen gesehen. Angesichts des schwierigen Marktumfeldes kamen viele der Titel zu sehr attraktiven Konditionen an den Markt und brachten schnelle Kursgewinne. Aber auch die Emittenten haben profitiert. Denn mit der schnellen Beschaffung von Liquidität auf diesem Weg konnte eine verwässernde Kapitalerhöhung über den Aktienmarkt auf sehr niedrigem Kursniveau vermieden werden, ebenso wie eine Anleihemission mit überdurchschnittlich hoher Belastung über den Zinskupon, um den geforderten Risikoaufschlägen gerecht zu werden. Mit anderen Worten eine Win-Win-Situation für Investoren und Emittenten, die zu einer Neuentdeckung der Anlageklasse Wandelanleihe beitragen sollte.

 

II: Wie wird Ihr Haus in diesem Marktsegment wahrgenommen (Zuflüsse im Fonds, Fondsperformance)?

Knieß: Wir sind als erfahrenes Team Ende 2016 zu dritt von der DWS zu Lupus alpha gewechselt. Im Management global investierender Wandelanleihefonds weisen wir seit Anfang 2000 Erfahrung auf und haben schon vor dem Wechsel seit vielen Jahren eng zusammengearbeitet. Bei der DWS haben wir in der Spitze etwa fünf Milliarden Euro in dieser Anlageklasse in Publikumsfonds und in Mandaten verantwortet. Gerade im Mandatsbereich für einzelne institutionelle Investoren spielte übrigens das Thema Nachhaltigkeit bereits vor Jahren schon eine Rolle, lange bevor es die Schlagzeilen eroberte. Wir freuen uns, neben dem klassischen globalen Wandelanleihefonds (Lupus alpha Global Convertible Bonds, Auflage am 6.2.2017) bei Lupus alpha auch recht schnell einen Wandelanleihefonds mit Nachhaltigkeitsfilter aufgelegt zu haben (Lupus alpha Sustainable Convertible Bonds, Auflage am 1.3.2018). Beide Fonds weisen eine überdurchschnittliche Performance innerhalb ihrer Peergroups auf und erhielten bereits eine ganze Reihe von Auszeichnungen, etwa von Morningstar und Scope sowie allen relevanten Analysehäusern zum Thema Nachhaltigkeit.

 

II: Ist derzeit ein globaler oder eher ein regional zentrierter Blick auf das Segment der Wandelanleihen angebracht?

Knieß: Wir sind überzeugt davon, dass im Nischenmarkt der Wandelanleihen grundsätzlich eine globale Perspektive wichtig ist. So sehen wir beispielsweise gewisse sektorale Tendenzen mit vielen IT- und Biotech-Titeln aus den USA, während im Immobilien- und Versorgerbereich Europa führend ist. Asien und vor allem Japan weist viele Wandelanleihen aus, die sich auf Industrietitel beziehen. Zudem schwankt auch die Emissionstätigkeit analog zum Marktinteresse an den zugrundeliegenden Sektoren. Hier sind die USA seit Jahren führend, gerade wegen des Fokus auf wachstumsstarke IT- und Pharmaunternehmen. Entsprechend unterliegen auch die Bewertungen der Wandelanleihen hinsichtlich Angebot und Nachfrage gewissen regionalen Schwankungen. Kurzum, ein internationales Wandelanleiheportfolio eröffnet dem Management mehr Möglichkeiten und sollte über eine breitere Diversifikation strukturell ein besseres Risiko-/Renditeprofil aufweisen. Das spezifische Währungsrisiko eines globalen Portfolios empfehlen wir dabei abzusichern, um die Wertentwicklung möglichst störungsfrei auf Wandelanleihen zu fokussieren.

 

II: Worauf ist aktuell bei einem Investment in Wandelanleihen (-fonds) zu achten?

Knieß: Neben einer breiten internationalen Streuung unter Absicherung des Fremdwährungsrisikos würden wir bei einem Investment in Wandelanleihen oder entsprechende Fonds gerade jetzt besonders empfehlen, auf die Qualität der getätigten Anlagen zu achten. Zur Sicherung der Konvexität, also der stärkeren Partizipation an steigenden Aktienkursen bei gleichzeitiger Absicherung nach unten, ist die Bondqualität entscheidend. Vor dem Hintergrund der Covid-19 bedingt beispiellosen Wirtschaftsschwäche sehen wir einzelne Emittenten, aber auch ganze Branchen (Luftfahrt, Hotellerie, Energie, der Ölservicebereich) mit erheblichen Problemen kämpfen. Sind die laufenden Kuponzahlungen und/oder die Rückzahlung der Anleihe am Ende der Laufzeit (sollte es zu keiner Wandlung in Aktien kommen) nicht gesichert, fehlt eine entscheidende Komponente: der sichere Bondfloor. Nur durch diesen lassen sich auch erhebliche Schwächephasen der zugrundeliegenden Aktie abfedern und die ganze Stärke der Konstruktion einer Wandelanleihe (Aktie im Anleihemantel) ausspielen. Gerade in den vergangenen Monaten konnte man sehr gut am Markt beobachten, wo dies auf Einzeltitel- aber auch auf Fondsebene gut gelungen ist und wo nicht.

 

II: Ihr Ausblick auf Wandelanleihen für das zweite Halbjahr 2020?

Knieß: Wir sind sehr zuversichtlich, dass 2020 das Comeback-Jahr für Wandelanleihen wird. In Zeiten hoher Unsicherheit hinsichtlich der konjunkturellen Entwicklung und damit der Gewinnaussichten börsennotierter Aktiengesellschaften fallen die Schwankungen erfahrungsgemäß weit überdurchschnittlich aus und das Timing überfordert die meisten Kapitalmarktteilnehmer. Mit einem gut diversifizierten Wandelanleiheportfolio lassen sich Schwächephasen am Aktienmarkt relativ unbeschadet überstehen, die optimistischen Phasen starker Kursgewinne aber zum Großteil mitnehmen. Hinzu kommen die weiteren Werttreiber eines rekordverdächtig aktiven Primärmarktes, günstige Bewertungen der Wandelanleihen relativ zu ihren modelltheoretischen Preisen am Sekundärmarkt und natürlich die unverändert starke M&A Aktivität, welche für uns über die Schutzklauseln häufig quasi über Nacht zusätzliche Performance bedeutet. Alles in allem ein für Aktien- und Anleiheinvestoren vermutlich weiter sehr herausforderndes Jahr am Kapitalmarkt, aber aus Sicht der Wandelanleihen eines, das die Fangemeinde unserer Anlageklasse weiter deutlich anwachsen lassen sollte.

Foto: Marc-Alexander Knieß / © Lupus alpha Asset Management AG

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