“Keine Nutzung einer Energiequelle anstreben, die endlich ist”

Die Diskussion rund um Erdgas treibt die Gemüter im Zuge nachhaltigen Investierens um. INTELLIGENT INVESTORS sprach hierzu mit Isobel Edwards, Green Bonds Analyst bei NN Investment Partners.
27. Juli 2021
Isobel Edwards - Foto: © NN IP

Die Diskussion rund um Erdgas treibt die Gemüter im Zuge nachhaltigen Investierens um. INTELLIGENT INVESTORS sprach hierzu mit Isobel Edwards, Green Bonds Analyst bei NN Investment Partners.

INTELLIGENT INVESTORS: Das Thema Nachhaltigkeit von Erdgas im Zuge der Klassifizierung in der EU Taxonomie hat in den letzten Wochen Wellen geschlagen, vor allem politisch bei den Grünen. Ist das Wirtschaften mit Erdgas nachhaltig?
Isobel Edwards: Methan, der Hauptbestandteil von Erdgas, trägt im Vergleich zu CO2 das 28-fache zur globalen Erwärmung bei. In der gesamten Lieferkette der Erdgasproduktion entweicht ein Teil des Methans: bei der Produktion, beim Transport, bei der Lagerung und bei der Verwendung. Auch aus stillgelegten und nicht mehr genutzten Erdgasproduktionsstätten tritt etwas Methan aus. Zwar sind die genauen Entweichungsraten derzeit nicht bekannt, allerdings können in Anbetracht des wesentlich höheren Erderwärmungspotenzials von Methan selbst geringe Entweichungsmengen über einen langen Zeitraum hinweg große Umweltschäden verursachen. In Hinblick auf diese Fakten ist Erdgas langfristig sicherlich kein nachhaltiger Brennstoff.

II: Erdgas setzt weniger CO2 frei als andere fossile Brennstoffe, ist das nicht bereits ein Fortschritt?
Edwards: Die Verwendung von Erdgas wird oft mit genau diesem Argument verteidigt. Und sicherlich stimmt das. Berücksichtigt man jedoch die langfristigen Methanentweichungen bei niedrigen Prozentsätzen – 2,2 % über 20 Jahre oder 5,8 % über 100 Jahre – würden die CO2-Äquivalent-Emissionen die Kohlenstoffeinsparungen von Erdgas bei der Verbrennung aufheben. Hinzu kommt, dass Erdgas ein endlicher Energieträger ist, wir benötigen aber eher regenerative Energiequellen.

Zum jetzigen Zeitpunkt sollten wir keine Nutzung einer Energiequelle anstreben, die endlich ist. Wir würden der nächsten Generation Herausforderungen in der Energieversorgung aufbürden, wie sie unsere jetzige Generation gerade zu bewältigen versucht. Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass der Weltklimarat IPCC bereits erklärt hat, dass die geschätzten Methanemissionen zwischen 2010 und 2050 um 35 % reduziert werden müssten, um die Ziele von Paris zu erreichen. Allerdings gibt es einige Umstände, unter denen Erdgas als temporärer Übergangskraftstoff für einen kurzen Zeitraum nützlich sein kann. Dies gilt beispielsweise für Energieversorger, die mittelfristig große Energiequoten erfüllen müssen, die mit erneuerbaren Energien noch nicht tragfähig gedeckt werden können. Voraussetzung ist allerdings, dass Ausstiegspläne für Erdgas in den Übergangsplänen enthalten sein müssen, mit genauen Terminen, wann die Anlagen vom Netz gehen oder umgestellt werden.

II: Wie gehen Sie bei der Bewertung von Unternehmen vor? Spielen die Brennstoffe, die das Unternehmen nutzt eine Rolle?
Edwards: Wir haben bereits einige Green-Bond-Konzepte gesehen, bei denen der Emittent ein Datum festlegt, bis zu dem er seine Erdgasanlagen auf Wasserstoffanlagen umstellen will, sobald sich der Markt ausreichend entwickelt hat. Wenn ein Emittent nachweisen kann, dass Erdgas eine kurzfristige Lösung ist, würden wir dies als eine akzeptable Lösung ansehen und wenn alles andere stimmt, in unser Portfolio aufnehmen. (ah)

Isobel Edwards — Foto: © NN IP

 

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