Japan wiederentdecken

2023 ist ein asiatisches Land wieder auf der Agenda, das seit Jahren bzw. Jahrzehnten eher in der zweiten Reihe spielte und dessen Aktienmarkt vergleichsweise vor sich hindümpelte. Die Rede ist von Japan. Der japanische Aktienmarkt feiert im laufenden Jahr ein fulminantes Comeback. Yuichi Murao ist Chief Investment Officer Active Japan Equity bei Nomura Asset Management. Im Interview analysiert er die Marktentwicklung, geht auf attraktive Branchen ein und hebt den Wandel bei der Governance hervor.
25. September 2023
Yuichi Murao - Foto: © Nomura AM

2023 ist ein asiatisches Land wieder auf der Agenda, das seit Jahren bzw. Jahrzehnten eher in der zweiten Reihe spielte und dessen Aktienmarkt vergleichsweise vor sich hindümpelte. Die Rede ist von Japan. Der japanische Aktienmarkt feiert im laufenden Jahr ein fulminantes Comeback. Yuichi Murao ist Chief Investment Officer Active Japan Equity bei Nomura Asset Management. Im Interview analysiert er die Marktentwicklung, geht auf attraktive Branchen ein und hebt den Wandel bei der Governance hervor.

INTELLIGENT INVESTORS: Japanische Aktien gehörten in der ersten Jahreshälfte 2023 zu den Spitzenreitern und legten bis Ende Juni in lokaler Währung um 22,69 % zu (TOPIX). Daher fragen sich viele Anleger, ob sie ihre Chance verpasst haben, an der Marktrallye teilzuhaben.

Yuichi Murao: Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die dafür sprechen, dass Japan immer noch ein erhebliches Aufwärtspotenzial hat, insbesondere im Vergleich zu anderen entwickelten Märkten. Lassen Sie uns beginnen mit der robusten inländischen Wirtschaft. Unsere BIP-Prognose geht davon aus, dass Japan von der anhaltenden inländischen Erholung nach der Pandemie profitiert und von Quartal zu Quartal wachsen wird. Im Gegensatz dazu erwarten wir für die USA und die Eurozone in der zweiten Jahreshälfte einen Rückgang des BIP. Auch für 2024 gehen wir davon aus, dass Japans BIP-Wachstum im Quartalsvergleich höher als in Europa und vergleichbar mit dem der USA bleiben wird. Dabei wirkt sich sicher aus, dass Japans Wirtschaft wegen der späten Öffnung nach der COVID-Zeit noch Nachholbedarf hat. Zudem ist die japanische Notenbank die einzige, die an Negativzinsen festhält, während andere Zentralbanken im Kampf gegen die Inflation die Zinsen massiv angehoben haben.

II: Sehen Sie Branchen, die dabei besonders herausragen?

Murao: Ja, der Tourismus wird ein wesentlicher Treiber sein. Auf der Grundlage der Daten der japanischen Tourismusbehörde und des Ministeriums für Wirtschaft, Handel und Industrie für den Zeitraum Januar bis März prognostizieren wir, dass der Konsum internationaler Besucher im Jahr 2023 über 4,4 Billionen JPY beitragen wird. Das allein wären 0,8 % des nominalen BIP. Dabei ist eine Wiederkehr chinesischer Touristen noch gar nicht eingerechnet. Sie haben auf dem Höhepunkt im Jahr 2019 etwa ein Drittel der Gesamtbesucher ausgemacht und hatten einen Anteil von über 50 % am Gesamtkonsum der Inbound-Touristen. Wegen COVID-bedingter Reise­beschränkungen kamen jedoch im 1. Quartal nur 3 % der gesamten Touristen aus China. Jetzt, wo diese Beschränkungen aufgehoben sind, ergibt sich ein riesiges Nachholpotenzial.

II: Mit Blick auf die Unternehmen war lange Zeit einer der häufigsten Kritikpunkte, dass sich die Firmenlenker nicht besonders stark für die Interessen der Aktionäre interessiert haben. Sind japanische Unternehmen aktionärsfreundlicher geworden?

Murao: Unbedingt, und das ist auch das viel Wichtigere als Entwicklungen in einzelnen Branchen. Der Kulturwandel in den japanischen Unternehmen setzt tatsächlich längerfristiges Potenzial frei. Das beginnt bei der Governance: Im Jahr 2014 hatten lediglich rund 1,3 % der Unternehmen im Tokioter „Prime“-Segment mindestens ein Drittel unabhängige Mitglieder im Board of Directors. Inzwischen gilt dies für mehr als 92 % der Unternehmen. Auch gab es im Jahr 2014 in weniger als einem Zehntel der Unternehmen einen Nominierungs- und Vergütungsausschuss im Board of Directors. Heute trifft dies auf fast neun von zehn Firmen zu.

II: Hat sich das auch schon auf die Dividendenpolitik ausgewirkt?

Murao: Dadurch dass sich die Eigentumsverhältnisse bei den japanischen Unternehmen verändert haben, nehmen die Aktionäre auch stärker Einfluss. Der Marktanteil ausländischer Investoren und Investmentgesellschaften, die ja dafür bekannt sind, sich aktiv in Unternehmen zu engagieren, hat sich auf circa 40 % erhöht. Einer davon ist Warren Buffet, und es brauchte wohl dessen legendären Ruf, damit Anleger Japan neu entdecken. Die Rückflüsse japanischer Unternehmen an ihre Aktionäre – zusammengesetzt aus Dividenden und Aktienrückkäufen –haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. Dabei liegen die Ausschüttungsquoten nach wie vor im Bereich von 30 % im Vergleich zu über 90 % bei Unternehmen, die im S&P 500 gelistet sind. Die nach wie vor hohen liquiden Mittel und einbehaltenen Gewinne sind eine gute Grundlage dafür, dass sich dieser Trend der verbesserten Aktionärsrendite fortsetzt. Gleichzeitig ist die niedrigere Ausschüttungsquote als Investition in die Stabilität der Bilanzen und die Krisenfestigkeit der Unternehmen zu sehen. Diese hat sich in vergangenen Krisen gezeigt und sollte sich auch bei künftigen Turbulenzen als vorteilhaft erweisen.

II: In welche Firmen investieren Sie?

Murao: Wir finden in Japan attraktive Geschäftsmodelle zu vernünftigen Preisen. In Japan haben Sie zum Beispiel einige Firmen entlang der Wertschöpfungskette des Halbleitermarkts, doch diese sind nicht annähernd so hoch bewertet wie die großen Namen dieser Industrie. Dabei gibt es japanische Firmen, die in ihrem jeweiligen Geschäftsfeld eine geradezu marktdominierende Stellung einnehmen. Deren Qualität zeigt sich vor allem in ihrer Profitabilität. Im Prime-Segment der Tokioter Börse (TSE) notierten per Jahresende 2022 genau 564 Unternehmen mit einer Eigenkapitalrendite von mehr als 12 %. Das sind zwar nur 31 % aller 1.827 Unternehmen im Index, aber in absoluten Zahlen immer noch deutlich mehr als beispielsweise im US-Leitindex S&P 500. Dort wiesen 290 Firmen eine solche Eigenkapitalrendite auf. Außerdem gibt es in Japan die Aktien profitabler Unternehmen insgesamt zu deutlich günstigeren Bewertungen als in den USA. Dies zeigt sich an einer Variante des japanischen TOPIX-Index, in den nur Unternehmen mit einer Eigenkapitalrendite von mehr als 12 % einfließen. Wenn wir die Sektorgewichtung derjenigen des S&P 500 anpassen, sehen wir bei diesen hochprofitablen Unternehmen im Durchschnitt ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 13,4. Im S&P 500 liegt das durchschnittliche KGV bei 21,6. Mit unserem Japan Strategic Value Fund investieren Sie in die Top-Adressen Japans wie etwa Sony, Hitachi, Daiwa House Industry und NTT. Dank seiner Dreijahresperformance von über 50 % (Stand 30.07.2023 in Euro) gehört der von Yoshihiro Miyazaki gemanagte Fonds zu den besten seiner Peergroup.

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