Büro-Immobilien: Neue Gebäude für New Work

In der Immobilienbranche sorgte die Corona-Pandemie für Diskussionen über eine ihrer wichtigsten Nutzungsarten: Gehören Büro-Immobilien zukünftig der Vergangenheit an? INTELLIGENT INVESTORS bat Claus Thomas, CEO BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany, um seine Einschätzung.
20. August 2021
Claus Thomas, CEO BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany - Foto: © BNP Paribas REIM

In der Immobilienbranche sorgte die Corona-Pandemie für Diskussionen über eine ihrer wichtigsten Nutzungsarten: Gehören Büro-Immobilien zukünftig der Vergangenheit an? INTELLIGENT INVESTORS bat Claus Thomas, CEO BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany, um seine Einschätzung.

Home-Office-Anordnungen und steigende Akzeptanz von flexiblen Arbeitsorten sorgten seit Beginn der Pandemie für Debatten darüber, ob und wie Büroräume nach der Pandemie genutzt werden. Laut einer Studie des Bayerischen Forschungsinstitut für Digitale Transformation waren im letzten Jahr 75 Prozent der Home-Office-Neulinge mindestens zufrieden mit ihrer neuen Arbeitsumgebung. Mehr als zwei Drittel (68 Prozent) der Deutschen wünschten sich mehr Home-Office auch nach dem Ende der Pandemie.

Übersehen wird bei diesem Thema jedoch oft, dass der Trend zu mehr Home-Office-Anteilen nicht erst seit der Pandemie zu beobachten ist. Vielmehr gehört diese Entwicklung zu einer seit einigen Jahren zu beobachtenden, neuen Art zu arbeiten – auch „New Work“ genannt. Dieser Trend hat zweifellos Einfluss auf Büro-Immobilien der Gegenwart und der Zukunft – von einer Revolution durch die Pandemie kann aber keine Rede sein.

New Work – gar nicht mehr so neu?

New Work beschreibt einen strukturellen Wandel unserer Arbeitswelt. Er ist eng verbunden mit den Anforderungen der Generation Y – also in den 1980er und 1990er Jahren Geborener – und den Möglichkeiten der aufkommenden Digitalisierung. An diesem Zusammenhang lässt sich erkennen: Es gibt diesen Trend bereits seit mindestens einem Jahrzehnt.

Zentraler Punkt des Konzepts ist die komplexe Suche nach der Balance zwischen Arbeit und Freizeit. Aber auch sozialer Austausch, Vertrauen in die Mitarbeiter, kreatives Arbeiten und Innovation prägen Arbeitsmodelle, die sich ihm zuordnen lassen. In der Praxis äußerte sich das schon vor der Pandemie durch den vermehrten Einsatz von Workshops und agilen Arbeitsmethoden wie Kanban oder Scrum. Feedbackkulturen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern wurden eingerichtet, Vorschlagswesen intensiviert und Arbeitnehmern vermehrt eigenverantwortliches Arbeiten eingeräumt.

Die Pandemie hat diese neue Art des Arbeitens intensiviert und einer Belastungsprobe unterzogen. Über Nacht wurden Befürwortern des Konzepts die Schwächen und Verbesserungsmöglichkeiten offenbart, während gleichzeitig Skeptikern und bisher wenig Interessierten die Vorteile verdeutlicht wurden. Ein offensichtliches Beispiel dafür ist das Arbeiten von Zuhause – die physische Anwesenheit im Büro wird nicht mehr vorausgesetzt, im Lockdown sehnten sich allerdings viele auch nach dem sozialen Austausch vor Ort.

Die Arbeit der Zukunft braucht zukunftsfähige Immobilien

Bereits seit einigen Jahren sind klassische Büroräume keine Selbstverständlichkeit mehr. Während Silicon-Valley-Unternehmen mit Entspannungsräumen, Unterhaltungsangeboten und thematischer Inneneinrichtung Schlagzeilen machten, kamen auch in vielen Büros im Rest der Welt Aspekte dieser Philosophie an. So ersetzten Großraum-Büros, flexible Arbeitsplätze ohne feste Schreibtisch-Zuordnung und Home-Office schon vor der Pandemie vielerorts traditionelle, stationäre Bürolandschaften.

Nicht erst die Pandemie zeigt: Das Büro der Zukunft wandelt sich mehr denn je vom Arbeitsort zum Treffpunkt für reale zwischenmenschliche Beziehungen und echte Team-Arbeit. Es ist der Ort, an dem Unternehmenskultur gelebt wird und an dem konstruktiver, kreativer Austausch stattfindet. Räumlich müssen die Immobilien das widerspiegeln. Ganz im Sinne der New Work-Bewegung bekommen so zum Beispiel flexibel auf den aktuellen Bedarf anpassbare Meeting-Räume eine größere Bedeutung. Sie lassen sich beispielsweise mit wenigen Handgriffen durch Faltwände aufteilen oder durch bewegliche Projektionsflächen von einem Konferenzraum zu einem Vortragsraum umgestalten. Da sich weniger Mitarbeiter zur selben Zeit im Büro aufhalten, ist es außerdem umso wichtiger, nahtlose Arbeitsplatzwechsel zu ermöglichen: Vom Home-Office an den Schreibtisch im Büro, vom Schreibtisch in ein Ruhe-Abteil für Videokonferenzen.

Indem sich Büros an die Arbeitskultur der Unternehmen anpassen, werden sie stärker denn je zu einem Aushängeschild der Arbeitgeber. Auf paradoxe Weise wird das Büro gerade in Zeiten, in denen öfter aus der Ferne gearbeitet wird, zu einem Statussymbol. Wo sich Büros früher nur mit den Angeboten anderer Büros messen musste, steht es jetzt im Wettbewerb mit den Annehmlichkeiten des Home-Office. Eine produktive Arbeitsatmosphäre, Verpflegungsmöglichkeiten, gute Verkehrsanbindung und umfangreiche Büroausstattung motivieren nicht nur die eigenen Mitarbeiter dazu, einige Tage in der Woche ins Büro zu kommen – sie stärken auch das Arbeitgeber-Image für die Suche nach geeigneten Bewerbern.

Die Pandemie hat dabei gezeigt, dass es nicht „das eine“ Arbeitsmodell gibt, welches sich auf alle Organisationen anwenden lässt. Es gibt keine Schablone, nach der sich alle Büro-Immobilien richten können. Mehr denn je müssen sie daher so angelegt sein, dass sie sich mit möglichst geringem Aufwand auf unterschiedliche Bedürfnisse anpassen lassen – sei es, weil sich die Bedürfnisse der Mieter ändern oder weil ein Mieterwechsel neue Arbeitsmodelle und damit einhergehende Bedarfe mit sich bringt.

Auch vor diesem Hintergrund wird eine stärkere Abstimmung zwischen Nutzern und Vermietern oder Immobilien-Eigentümern immer bedeutsamer. In der Krise wurde in vielen Fällen deutlich, dass am Ende alle Partien von einem gegenseitigen Verständnis der Bedürfnisse und den Herausforderungen, denen man gegenübersteht, profitieren – sei es in Form von Kosteneinsparungen, nachhaltigen Mieteinnahmen, wertbeständigeren Objekten oder ideal auf den Nutzerbedarf abgestimmte Immobilien.

Nicht Revolution, sondern Evolution

Die Büro-Immobilie wird nicht aussterben. Das zeigt auch das Interesse der Investoren im ersten Halbjahr 2021. Mit einem Transaktionsvolumen von etwa 11,2 Milliarden Euro wurde das Ergebnis aus dem Vorjahr um rund 8 Prozent übertroffen. Dieser Wert liegt ganze 28 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt. Im Vergleich der Assetklassen nehmen Büros mit knapp 47 Prozent den größten Anteil des gewerblichen Investmentvolumens ein, was den hohen Stellenwert von Büro-Immobilien bei Investoren eindrucksvoll verdeutlicht.

Statt einer Revolution durch die Pandemie steht eine beschleunigte Evolution der Nutzungsart bevor. Für Investoren und Eigentümer wird es in besonderem Maße entscheidend sein, mit den Mietern und Nutzern in einen Austausch zu treten, um jederzeit über den individuellen Bedarf informiert zu sein. New Work ist nicht mehr neu. Wer die Branche über die letzten Jahre aufmerksam verfolgt hat, dürfte von den durch die Pandemie beschleunigten Trends also kaum überrascht worden sein. Die Zahlen sprechen zudem eine klare Sprache: Von einer Panik ist nichts zu spüren. Für Immobilien-Investoren ist es dennoch wichtiger denn je, sich den Anforderungen moderner Arbeitsmodelle bewusst zu werden. So hat die Pandemie zwar kaum neue Entwicklungen hervorgerufen, gleichzeitig aber doch dafür gesorgt, dass sich über die gesamte Nutzungsart hinweg mit den Trends der neuen Arbeitswelt befasst werden muss.

Gastautor: Claus Thomas, CEO BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany

Claus Thomas, CEO BNP Paribas Real Estate Investment Management Germany — Foto: © BNP Paribas REIM

SOCIAL MEDIA

RECHTLICHES

AGB
DATENSCHUTZ
IMPRESSUM
© wirkungswerk
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Anmeldung zum Newsletter