Zwei Welten, ein Markt: Wer in Berlin jetzt investiert – und warum

Family Offices und semiprofessionelle Investoren prägen derzeit das Transaktionsgeschehen – mit schnellen Entscheidungen und langfristiger Perspektive. Institutionelle Investoren hingegen stehen bereit, agieren aber zurückhaltend. Berlin zeigt: Der Markt bietet Chancen für beide – wenn sie mutig genutzt werden.
18. Juni 2025
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Family Offices und semiprofessionelle Investoren prägen derzeit das Transaktionsgeschehen – mit schnellen Entscheidungen und langfristiger Perspektive. Institutionelle Investoren hingegen stehen bereit, agieren aber zurückhaltend. Berlin zeigt: Der Markt bietet Chancen für beide – wenn sie mutig genutzt werden.

Der Berliner Investmentmarkt sendet ein klares Signal: Im 1. Quartal 2025, so Auswertungen von Engel & Völkers, entfielen rund 383.525 Quadratmeter der gehandelten Nutzfläche auf Family Offices, vermögende Privatanleger und Stiftungen. Institutionelle Investoren kamen im selben Zeitraum lediglich auf 55.560 Quadratmeter. Das ist kein kurzfristiger Ausreißer, sondern Ausdruck eines strukturellen Wandels. Der Markt gehört derzeit den Familienkassen – und das mit wachsender Beständigkeit.

Dieser Befund überrascht nur auf den ersten Blick. Seit die großen Fonds infolge höherer Eigenkapitalanforderungen, ESG-Berichtspflichten und Bewertungsunsicherheiten in den Stand-by-Modus gewechselt sind, füllen liquide Semiprofessionals die Lücke. Ihr Anlagehorizont reicht über Zinszyklen hinaus, ihr Entscheidungsweg ist kurz, und sie betrachten Berliner Immobilien weniger als Handelsware, denn als Generationenvermögen. Hinzu kommen günstige Einstiegspreise, die in vielen Teilmärkten deutlich unter dem Niveau von 2022 liegen.

Marktdaten belegen Machtverschiebung

Private und semiprofessionelle Investoren haben sich in einem herausfordernden Umfeld strategisch positioniert – und gewinnen zunehmend an Einfluss. Auch der CBRE Capital Markets Report zeigt deutlich: Im Büro- wie im Wohnsegment bestimmten 2024 vor allem Family Offices und vermögende Privatinvestoren das Investitionsgeschehen, während institutionelle Käufer zögerten. Sie traten verstärkt als aktive Erwerber kleinerer bis mittlerer Wohnportfolios auf und nutzten selektiv Chancen im Bürosegment.

Die wachsende Marktbedeutung eigenkapitalstarker, flexibler Akteure markiert eine strukturelle Verschiebung: Der Immobilienmarkt – traditionell dominiert von großen Fonds – öffnet sich zunehmend für kleinere, aber flexiblere Kapitalquellen. Family Offices sichern sich auf diese Weise Off-Market-Transaktionen, agieren flexibel und definieren Preisgrenzen neu. In vielen Marktsegmenten geben sie inzwischen die Richtung vor – nicht in der Lautstärke, aber in der Wirkung.

In Berlin wirkt das Zusammenspiel aus Preisrückgängen und wachsender Nachfrage nach Wohnraum wie ein Magnet. Die Metropole bietet – trotz Mietregulierung – verlässliche Cashflows, einen diversifizierten Arbeitsmarkt und eine wachsende Bevölkerung. Für Family Offices, die ihr Vermögen zu einem erheblichen Teil ohnehin in Direktimmobilien halten, ist die Hauptstadt ein logischer Hafen.

Neue Spielregeln im Transaktionsgeschehen

Dass Semiprofessionals den Takt vorgeben, verändert auch den Transaktionsprozess. Verkäufer und Berater setzen wieder stärker auf Off-Market-Ansprache, Club-Deals und Share-Deals mit Ticketgrößen zwischen 20 und 150 Mio. Euro. Statt globalen Bieterverfahren dominieren diskrete Einzelgespräche; Transaktionsentscheidungen dreht sich weniger um Indexierungen und IRR-Modelle als um Inflationsschutz, Mietsteigerungspotenziale und generationsübergreifende Vermögenssicherung.

Zugleich beeinflusst die aktive Nachfrage dieser Käufergruppe zunehmend die Preisbildung. In Core-Lagen haben sich Anfang 2025 erstmals seit zwei Jahren wieder stabile Renditebandbreiten herausgebildet – ein deutliches Signal dafür, dass der Markt beginnt, sich unter semiprofessionellem Einfluss neu zu justieren. Private Investoren setzen Preisuntergrenzen, agieren selektiv und schaffen so Orientierung in einem Umfeld, das lange von Zurückhaltung und Unsicherheit geprägt war.

Wie lange bleibt der Markt in Familienhand?

Das Segment oberhalb von 150 Mio. Euro bedarf weiterhin institutioneller Investoren, die diese großvolumigen Transaktionen darstellen können. Eine abrupte Zinssenkung könnte eine Rückkehr dieser Akteure begünstigen. Das heißt jedoch nicht, dass Family Offices und Semiprofessionals inaktiver werden. Bis dahin jedoch gilt mehr denn je: Die Familienkassen halten den Schlüssel zum Berliner – und zunehmend zum gesamtdeutschen – Transaktionsgeschehen in ihrer Hand.

Trotzdem ist festzuhalten: Die aktuelle Marktlage zeigt ein selten klares Bild – und eine ungewöhnlich günstige Gelegenheit. Während die Kapitalmärkte weiterhin von Unsicherheit, Volatilität und geopolitischen Störfaktoren geprägt sind, bietet der Immobilienmarkt stabile Fundamentaldaten und planbare Perspektiven. Gleichzeitig steigen die Mieten in vielen Berliner Lagen teils zweistellig – das verbessert das Chancen-Risiko-Verhältnis erheblich. Family Offices und private Investoren haben dieses Potenzial längst erkannt.

Institutionelles Kapital: Bereitschaft trifft auf Zurückhaltung

Dass Family Offices und private Investoren derzeit das Geschehen prägen, schließt eine Rückkehr institutioneller Akteure keineswegs aus. Im Gegenteil: Es gibt viel institutionelles Kapital, das nach Berlin will – vor allem aufgrund des anhaltenden Wohnungsmangels und der attraktiven Spreads zwischen Bestands- und Neubau- bzw. Erstbezugsmieten.

Dennoch zeigt sich: Größere Wohnungspakete im Bestand sind rar, viele Bestandshalter halten ihre hochwertigen Objekte bewusst zurück. Hinzu kommen gestiegene Finanzierungskosten, hohe Baupreise und dichte regulatorische Vorgaben, die institutionellen Marktteilnehmern den Einstieg erschweren. Das führt dazu, dass sie auf passende Gelegenheiten und stabile Bewertungsgrundlagen warten – und genau in dieser Phase gewinnen semiprofessionelle Investoren die Oberhand.

Die Dynamik ist also nicht widersprüchlich, sondern komplementär: Während institutionelle Investoren noch zögern, nutzen Family Offices und vermögende Privatanleger das Zeitfenster für selektive Investitionen – oft mit langfristiger Perspektive und hoher Flexibilität.

Mehr Mut zum Zyklus!

Institutionelle Investoren hingegen tun sich schwer, sich von alten Bewertungsmaßstäben und internen Zielrenditen zu lösen. Doch genau das wäre jetzt gefordert: mehr Mut zum Zyklus, mehr Bereitschaft, mit längeren Haltefristen und realistischen Ertragsprognosen zu kalkulieren. Wer auf vollständig abgesicherte Marktbedingungen wartet, verpasst das aktuelle Einstiegsmomentum.

Der Immobilienmarkt ist – anders als viele volatile Assetklassen – derzeit überschaubar und gut lesbar. Die Zinsentwicklung hat sich stabilisiert, der Preisrückgang ist vollzogen, die Nachfrage nach Wohnraum ungebrochen. Wer heute antizyklisch handelt, kann sich attraktive Einstiegspreise sichern, und wird mittelfristig auch von Mietdynamiken und Re-Pricing profitieren. Die entscheidende Frage lautet nicht mehr, ob der Markt Chancen bietet, sondern wer den Mut hat, sie vor den anderen zu nutzen.

Autor: Rackham F. Schröder, Geschäftsführer Engel & Völkers Commercial Berlin 

Rackham F. Schröder — Foto: Tobias Koch (www.tobiaskoch.net)

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