Die lange angekündigte Reform des Stiftungsrechts rückt näher. INTELLIGENT INVESTORS analysierte gemeinsam mit Kirsten Hommelhoff, Generalsekretärin des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, die geplanten Änderungen und arbeitete heraus, wo es noch Nachbesserungsbedarf gibt.
INTELLIGENT INVESTORS: Der Referentenentwurf für die Reform des deutschen Stiftungsrechts liegt auf dem Tisch. Wie fällt Ihre Beurteilung aus?
Kirsten Hommelhoff: Im Grundsatz begrüßt der Bundesverband Deutscher Stiftungen den Referentenentwurf zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts. Wir brauchen dringend ein praxisnahes Gesetz, das den Stiftungen mehr Flexibilität einräumt und so ein zukunftsorientiertes Stiftungswesen ermöglicht. Nach genauer Prüfung bedarf es aus unserer Sicht jedoch insbesondere notwendiger Änderungen bei den wesentlichen stiftungsrechtlichen Grundsätzen. Auch praxisnahe stiftungsrechtliche Nachbesserungen, unter anderem beim Stiftungsregister, bei Zweck- und Satzungsänderungen, bei der Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung sowie bei Zulegungen und Umstrukturierung von Stiftungen durch Zu- und Zusammenlegung sind nötig. Aus unserer Sicht ist die Chance, das Stiftungsrecht zu modernisieren und zukunftsfähig zu gestalten, nicht ergriffen worden.
II: Lässt sich von einer sinnstiftenden Fortentwicklung des geltenden Stiftungsrechts sprechen, speziell bezüglich der Vereinheitlichung bestehender Vorschriften?
Hommelhoff: Wir betrachten das sehr differenziert. Einige Aspekte des Entwurfs bewerten wir positiv, unter anderem die Vereinheitlichung des zersplitterten Landesrechts auf bundesgesetzlicher Ebene. Zudem begrüßen wir die Kodifizierung der Business Judgement Rule. Auch die Einführung eines Stiftungsregisters sehen wir – mit Einschränkungen – positiv. Insgesamt bedarf es jedoch wesentlicher Änderungen, um das durch den Koalitionsvertrag gesteckte Ziel der Verbesserung des Stiftungsrechts zur Stärkung und Förderung des ehrenamtlichen Engagements zu erreichen. In der Gesamtbewertung stellen wir sogar einen Rückschritt zum bestehenden Recht und zur gelebten Praxis fest. So lehnen wir die Einschränkungen bei der Gestaltung der Satzung und der Auslegung des Stifterwillens entschieden ab. Das Stiftungsgeschäft muss wie bisher frei gestaltet werden dürfen. Dies schließt die Möglichkeit, Art und Umfang des Kapitalerhalts oder der Vermögensanlage definieren zu dürfen, ebenso ein, wie die Option, Änderungsbefugnisse der Organe festlegen zu dürfen. Gestaltungsverbote dürfen nur bei entgegenstehenden, zwingenden Vorschriften gelten. Dieser freiheitliche Grundsatz der Privatautonomie muss auch im Rahmen der Gestaltung der Stiftungssatzung weiterhin gelten. Nicht nachvollziehbar ist für uns auch, dass das BMJV im Referentenentwurf erstmalig die Auslegung des Stifterwillens weiter als bisher einschränkt und von der bewährten Praxis abweicht, neben dem historischen Stifterwillen bei der Errichtung der Satzung auch auf den „mutmaßlichen Stifterwillen“ zurückzugreifen.
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