Die Europäische Zentralbank (EZB) entscheidet am morgen über den Leitzins. Patrick Barbe, Head European Fixed Income bei Neuberger Berman, geht davon aus, dass die Währungshüter den aktuellen Zinssatz beibehalten. Auf ihrer Sitzung im Dezember hält er jedoch eine Zinssenkung für möglich.
… zur EZB-Sitzung am Donnerstag:
„Wir denken, dass die EZB ihre Leitzinsen in dieser Woche unverändert lassen wird. Seit der letzten Zinssenkung im Juni haben sich die wirtschaftlichen und inflationsbezogenen Entwicklungen nicht so stark verändert, dass eine Änderung der Geldpolitik gerechtfertigt wäre. Viele EZB-Mitglieder, darunter auch Notenbank-Präsidentin Christine Lagarde, haben in den vergangenen Wochen erklärt, dass der Rat gut aufgestellt sei, um mit den Unsicherheiten der Zukunft umzugehen. Deren Fortbestehen dürfte zu einer Verlängerung der Zinspause führen.
Im Protokoll der EZB vom September betonten die Währungshüter, dass die Hürde für eine weitere Zinssenkung angesichts der verbleibenden Unsicherheiten und der Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft hoch sei. Einige Verantwortliche sind jedoch der Ansicht, dass eine weitere Zinssenkung davor schützen könnte, im Falle ungünstiger Entwicklungen das Inflationsziel zu unterschreiten. EZB-Chefökonom Philip Lane erklärte, dass der Transmissionsmechanismus ‚reibungslos funktioniert‘ und sich die finanziellen Bedingungen zwar entspannt haben, aber weiterhin restriktiv sind, was bedeutet, dass der Straffungszyklus möglicherweise stärker wirkt als gedacht.“
… der aktuellen wirtschaftlichen Lage und des weiteren Zinspfads:
„Die Eurozone sieht sich in der Tat mit einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld konfrontiert. Das verdeutlichen das schwache Wachstum im zweiten und dritten Quartal sowie die verzögerte Umsetzung des deutschen Konjunkturpakets. Hinzu kommen die 15-prozentigen US-Zölle, die allmählich die Konjunktur belasten. Darüber hinaus sind die Auswirkungen der zunehmenden asiatischen Exporte in die Währungsunion und der Euro-Aufwertung auf die Inflation noch nicht spürbar.
Wir sehen ein weiteres Risiko für die konjunkturelle Entwicklung: Der von der EZB und vielen Ökonomen für die kommenden Quartale erwartete Wachstumsaufschwung basiert auf einem Rückgang der Sparquote der privaten Haushalte, den die Frühindikatoren noch nicht ankündigen. Darüber hinaus stellt Frankreich ein größeres Risiko dar als bisher angenommen, da die anhaltende politische Instabilität die Konjunktur belasten könnte. Das gilt insbesondere, wenn das Parlament für eine Erhöhung der Unternehmenssteuern stimmt. Daher gehen wir davon aus, dass die Zentralbank bei ihrer nächsten Aktualisierung der Wirtschaftsprognosen den Leitzins im Dezember erneut senken wird.“
… zum europäischen Anleihemarkt:
„Der europäische Anleihemarkt stand im Sommer aufgrund steigender Staatsanleiheemissionen unter Druck: Viele Länder hielten trotz der Ferienzeit ein hohes Emissionsvolumen aufrecht. Deutschland begann sogar, seine erhöhten öffentlichen Ausgaben zu finanzieren. Heute liegen die meisten Regierungen mit ihren Emissionsprogrammen für 2025 vor ihren Plänen, wobei etwa 90 Prozent davon bereits abgeschlossen sind. Daher dürfte der geringere Emissionsdruck im vierten Quartal, insbesondere bei langen Laufzeiten, die Preise am Anleihemarkt stützen. Darüber hinaus weisen viele Länder, darunter Deutschland, Spanien und Italien, eine besser als erwartete Haushaltsführung auf. Das führt zu einem geringeren Defizit.
Wir gehen davon aus, dass die US-Zölle die Produktion und die Investitionsausgaben belasten und zu Arbeitsplatzverlusten führen werden. Tatsächlich sehen wir zunehmende Abwärtsrisiken für das Wachstum, da steigende Lagerbestände zu einem Rückgang der Industrieproduktion geführt haben: Der Automobilsektor ist der Hauptgrund für diese Schwäche, aber alle Sektoren sind davon betroffen. Wir gehen nicht davon aus, dass die deutschen öffentlichen Ausgaben das Wachstum in naher Zukunft stützen werden, da es Zeit braucht, neue Infrastruktur- und Verteidigungsprojekte zu identifizieren und auf den Weg zu bringen. Darüber hinaus dürfte die schwache Nachfrage dazu führen, dass die Kerninflation in den kommenden Monaten wieder unter das Ziel der EZB von 2 Prozent fällt. Daher prognostizieren wir die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen bei etwa 2,5 Prozent – leicht unter ihrem aktuellen Niveau. Eine anhaltende Korrektur am Kreditmarkt könnte jedoch zu niedrigeren Renditen führen.“




