“Wir halten europäische Kabel- und integrierte Telekommunikationsbetreiber für attraktiv”

2022 geht nicht so zu Ende, wie es angefangen hat. Auch an den Kapitalmärkten hat sich einiges getan. Beispielsweise ist der Zins zurück. Manche Marktteilnehmer sprechen in diesem Zusammenhang von einem "Comeback der Bonds". Ist dem so? Stephen Marsh, Fixed Income Portfolio Specialist bei T. Rowe Price, im exklusiven INTELLIGENT INVESTORS-Interview.
13. Dezember 2022
Stephen Marsh - Quelle: T. Rowe Price

2022 geht nicht so zu Ende, wie es angefangen hat. Auch an den Kapitalmärkten hat sich einiges getan. Beispielsweise ist der Zins zurück. Manche Marktteilnehmer sprechen in diesem Zusammenhang von einem “Comeback der Bonds”. Ist dem so? Stephen Marsh, Fixed Income Portfolio Specialist bei T. Rowe Price, im exklusiven INTELLIGENT INVESTORS-Interview.

INTELLIGENT INVESTORS: Wie sehen Sie generell die Lage an den Rentenmärkten zum Jahreswechsel?
Stephen Marsh:
Die Zentralbanken auf der ganzen Welt haben das schnelle und rasante Tempo der Zinserhöhungen beibehalten, während eine globale Rezession droht. Diese inflationsbedingte Rezession wird sich von den jüngsten kreditbedingten Ereignissen unterscheiden. Inflationsbedingte Abschwünge hatten in der Vergangenheit weitaus geringere Auswirkungen auf die Erträge als durch Kredite ausgelöste Rezessionen.

Die Fundamentaldaten der Unternehmen sind in viel besserer Verfassung, da die Unternehmen Kapital aufgenommen haben als das Zinsniveau niedrig war und bei ihren Aktivitäten eher zurückhaltend waren. Kürzlich haben wir beobachtet, wie viele schwache Unternehmen während Corona zahlungsunfähig wurden, was dazu geführt hat, dass viele der gefährdeten Firmen aus dem Unternehmensuniversum verschwunden sind.

Value ist auf den Kreditmärkten zweifellos wieder im Kommen, doch es ist vor allem der Anstieg der Renditen von Staatsanleihen, der dies begünstigt. Die fundamentale Kreditselektion hat in diesem Jahr gelitten, da makroökonomische Themen den technischen Aspekt in den Vordergrund gestellt haben. Dies hat Chancen eröffnet, da sich die Streuung vergrößerte.

II: Mitunter werden Erinnerungen an die Vergangenheit wach, insbesondere im Hochzinssegment. Wie attraktiv erscheint Ihnen dieser Bereich? Wie stark werden nach Ihrer aktuellen Ansicht die Ausfallraten ansteigen?
Marsh:
Die fundamentalen Bedingungen in der Anlageklasse der Hochzinsanleihen und die zugrunde liegende Kreditqualität sind nach wie vor solide. Natürlich erwarten wir einen Anstieg der Ausfallquote am Markt — sie liegt unter 1 %. Wir gehen jedoch nicht davon aus, dass sie trotz des schwierigen Umfelds über das langfristige Durchschnittsniveau von etwa 3 % im Jahr 2023 steigen wird.

Die Performance des Hochzinsmarktes korreliert stark mit denen anderer Risikoanlagen. Daher gehen wir davon aus, dass Ereignisse auf dem Gesamtmarkt, wie z. B. der Ausverkauf von Aktien als Reaktion auf die weitere Zinserhöhung der Fed, zu einer weiteren Ausweitung der Kreditspreads führen könnten. Wenn der risikofreie Zinssatz und die Kreditspreads die aktuellen Niveaus erreicht haben – was seit der globalen Finanzkrise viermal der Fall war – haben wir in der Vergangenheit starke Terminrenditen bei einjährigen Hochzinsanleihen gesehen, was ein gutes Vorzeichen für ihre Performance im nächsten Jahr ist.

II: Mit Blick auf High Yield — sollten Investoren eher über den Teich schauen oder in Europa bleiben?
Marsh:
Wir sind der Ansicht, dass Europa trotz seiner potenziellen Rezessionsaussichten gute Chancen bietet, auch wenn eine sorgfältige Auswahl wichtiger denn je ist. Zwar räumen wir ein, dass Europas Wirtschaft einen stärkeren Abschwung erleiden könnte als die seiner Konkurrenten, doch dürfte der europäische Hochzinsmarkt davon profitieren, dass er weniger stark als die USA in zyklischen Märkten, wie etwa Rohstoffen, exponiert ist.

Europa hat auch eine höhere Kreditqualität als die USA, mit mehr Unternehmen, die mit BB bewertet sind (70,7 % in Europa gegenüber 52,3 % in den USA) und weniger Unternehmen, die mit CCC und schlechter bewertet sind (5,5 % in Europa gegenüber 11,1 % in den USA). Darüber hinaus ist der europäische Markt jünger und weniger ausgereift als der US-amerikanische, was bedeutet, dass er potenziell mehr Gelegenheiten zur Preis- und Informationsfindung bietet.

Wenn wir uns die Sektoren genauer ansehen, halten wir europäische Kabel- und integrierte Telekommunikationsbetreiber für attraktiv. Diese Branche stützt sich auf langfristige Trends beim Medienkonsum und stabile Geschäftsmodelle mit wiederkehrenden Einnahmen, was in einer Zeit, in der sich das Wachstum verlangsamt, wichtig ist. Auch im Dienstleistungssektor bieten sich Chancen. Es handelt sich um einen großen und sehr vielfältigen Sektor mit vielen potenziell interessanten Möglichkeiten, aber angesichts der steigenden Preise ist ein fundamentales Research unabdingbar.

II: Bonds are back — würden Sie das auch so sehen und begründen?
Marsh:
Die Anleger sollten sich die Frage stellen, ob die hohen Bewertungen lediglich die höheren erwarteten Ausfallraten widerspiegeln. Es ist sicherlich zutreffend, dass viele Emittenten hochverzinslicher Schuldtitel in der kommenden Zeit mit einem schwierigen Betriebsumfeld konfrontiert sind. Einerseits treiben steigende Energie‑, Lohn‑, Kraftstoff- und Lieferkettenpreise die Investitionskosten überall in die Höhe, andererseits führen die Leitzinserhöhungen der Zentralbanken zu einem Anstieg der Kreditkosten, wodurch die Verbrauchernachfrage sinkt — was letztlich zu einer Rezession führen kann.

Unternehmen, die mit höheren Kosten und sinkender Nachfrage zu kämpfen haben, sind einem größeren Ausfallrisiko ausgesetzt — derzeit rechnet der Markt mit einer Ausfallquote von rund 4,5 % in den nächsten 12 Monaten. Die derzeitige Ausfallquote liegt jedoch bei unter 1 %. Sind die Herausforderungen, mit denen die Unternehmen sich auseinandersetzen müssen, so gewaltig, dass die Ausfallquote innerhalb der nächsten 12 Monate von praktisch Null auf fast 5 % ansteigen dürfte?

Das glauben wir nicht. Infolge der Refinanzierungswelle von 2020–2021 verfügen die meisten Unternehmen derzeit über einen hohen Bestand an liquiden Mitteln im Verhältnis zur Verschuldung in ihren Bilanzen. Sie konnten sich lange Zeit zu sehr niedrigen Zinssätzen verschulden, was es ihnen ermöglichte, die Laufzeiten zu verlängern, die Fremdkapitalkosten zu senken und die Kapitalstruktur zu optimieren.

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