Wie hilfreich sind Indexprognosen?

Der deutsche Aktienindex DAX bei 16.000 Zähler, der MDAX bei 35.000? Prognosen, wie sich Indizes entwickeln können, sollen für Investoren eine Orientierung darstellen. Doch was taugen Kursziele wirklich? Philip Bold, Portfolio Manager bei Ethenea ordnet das Zustandekommen von Indexprognosen ein.
27. Januar 2022

Der deutsche Aktienindex DAX bei 16.000 Zähler, der MDAX bei 35.000? Prognosen, wie sich Indizes künftig (exakt) entwickeln können, sollen für Investoren eine Orientierung darstellen. Doch was taugen Kursziele wirklich? Philip Bold, Portfolio Manager bei Ethenea ordnet das Zustandekommen von Indexprognosen ein. 

Das durchschnittliche Aktienjahr 

Um das Kursziel besser einordnen zu können lohnt sich ein genauerer Blick auf das durchschnittliche Aktienjahr. „Das durchschnittliche Aktienjahr basiert auf dem statistischen Konzept des Erwartungswertes. Dabei werden die potenziellen, aber unsicheren ökonomischen Szenarien und ihre Auswirkungen auf den Aktienmarkt mit ihren jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten gewichtet“, erklärt Philip Bold. „Ein vereinfachtes Beispiel illustriert das Problem dieser Informationsverdichtung: Wählt man bei einem Münzwurf die richtige oder die falsche Seite, so gewinnt oder verliert man 1 Euro. Der durchschnittlich erwartete Gewinn liegt also in der Mitte bei 0 Euro – eine Ausprägung, die so bei keinem Münzwurf eintreten kann. Zwar handelt es sich bei der Indexprognose nicht um eine binäre Fragestellung wie beim Münzwurf, aber die Problematik ist übertragbar.“ Das prognostizierte Indexniveau ist also der durchschnittlich erwartete Wert, welcher aber in der Regel nicht eintritt.

Dass die Aktienmärkte regelmäßig in eine Richtung überschießen, zeigt die Häufigkeitsverteilung der Jahresrenditen eines der prominentesten Indizes, des S&P 500. In den letzten 50 Jahren ist der US-amerikanische Aktienmarkt mit einer durchschnittlichen annualisierten Wachstumsrate von rund 7,7 % gestiegen. Doch Philip Bold warnt vor einem unrealistischen Erwartungshorizont: „Das Histogramm offenbart, dass die Rendite nicht normalverteilt ist. Dadurch büßt der Mittelwert einen Teil seiner Aussagekraft ein. Nur dreimal lag die Jahresrendite in den vergangenen 50 Jahren im Durchschnittsintervall zwischen 5 % und 10 %. Wesentlich häufiger waren hingegen niedrige einstellige Renditen (0 % bis 5 %) sowie niedrige (10 % bis 15 %) und mittelhohe (25 % bis 30 %) zweistellige Renditen zu beobachten. Das durchschnittliche Aktienjahr ist also eher die Ausnahme als die Regel.“

Schwierigkeiten und alternative Ansätze

Trotz der Seltenheit eines durchschnittlichen Aktienjahres prognostiziert eine Vielzahl von Analysten auch für das aktuell laufende Jahr ein ebensolches. Das geht aus einer Bloomberg-Umfrage hervor, in der 7 von 19 der befragten Finanz- und Research Institute eine Jahresrendite zwischen 5 % und 10 % in Aussicht stellen. Bold weiß: „Das mittlere Kursziel aller Analysten liegt mit rund 6 % im Intervall eines durchschnittlichen Aktienjahres.

Dieses Renditeziel basiert auf dem Indexstand des S&P 500 zum Zeitpunkt der Bloomberg-Umfrage.“ Dabei zeige sich ein weiteres Problem von Indexprognosen, das auf der Diskrepanz zwischen Schätzzeitpunkt und Prognosezeitraum basiert. „Der S&P 500 stand zum Zeitpunkt der Umfrage nach einem starken Jahresausklang auf dem Niveau von 4.766 Indexpunkten, wodurch sich die implizierte Erwartung der durchschnittlichen Jahresrendite auf 3,85 % verringert“, erklärt der Experte. Solche Fallstricke machen es für Anleger zunehmend schwierig, die Prognosen einzuordnen. Bei Ethenea wählt man deshalb eine andere Herangehensweise.

„Aufgrund der dargestellten Schwierigkeiten halten wir den Nutzen von Index-Kurszielen nur für begrenzt hilfreich“, sagt Philip Bold. „Deshalb sehen wir bei Ethenea von der Publizierung solcher Kursziele ab. Für uns ist das Abwägen unterstützender und belastender Faktoren für die Aktienmärkte viel wichtiger.“ Dies geschehe nicht nur zum Jahreswechsel, sondern kontinuierlich. „Dazu gehören neben den klassischen Fundamental- und Makrodaten auch Indikatoren zum Marktsentiment und abgeleitete Informationen aus anderen Assetklassen. Mit diesem Gesamtbild können wir die Stärken des aktiven Managements nutzen und flexibel auf Chancen und Risiken reagieren, unabhängig davon, wo sich der Markt in Relation zu etwaigen Kurszielen befindet.“ (ah)

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