Dem legendären Investor Warren Buffett wird folgender Satz zugeschrieben. „Gold wird irgendwo auf der Welt aus der Erde gegraben. Dann schmelzen wir es zu Barren, bauen einen unterirdischen Tresor und graben es wieder ein. Wenn uns Außerirdische dabei beobachten, es käme ihnen reichlich obskur und seltsam vor.“
Trotz der Skepsis von Warren Buffet hat Gold in vielen Privatdepots Einzug gehalten und bildet mittlerweile bei vielen institutionellen Kunden einen festen Teil der Asset Allocation. Um den „fairen Wert“ oder besser noch das Potenzial von Gold zu bestimmen und diese Position in der Vermögenskonstruktion besser greifbar zu machen, wurden in der Vergangenheit makroökonomische Modelle entworfen und traditionelle Einflussfaktoren zur Bestimmung des Goldpreises herausgefiltert. Ein großer Teil der beschleunigten Goldpreisbewegungen konnte in diesem Jahr jedoch mit den bestehenden Modellen und Einflussfaktoren wie zum Beispiel dem Realzins oder dem Kurs des US-Dollars letztlich nur unzureichend erklärt werden. Denn die starke Aufwärtsdynamik bis Ende Mai fiel in eine Zeit, in der die Federal Reserve als wichtigste Notenbank der Welt Zinssenkungen immer weiter in die Zukunft verschoben hatte und die Leitwährung zur Stärke neigte. Bemerkenswert war, dass trotz des Gegenwinds der Goldpreis mit 2.450 US-Dollar pro Feinunze Mitte Mai ein neues Allzeithoch erreicht hatte und dieses nur wenig später am 17. Juli mit 2.480 US-Dollar nochmals übertreffen konnte. Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass die Korrelation von Gold und traditionellen Einflussfaktoren wie zum Beispiel den Realzinsen im bisherigen Jahresverlauf außer Kraft gesetzt wurde.
Dennoch wird eine Entkopplung von Gold gegenüber den Realzinsen aus unserer Sicht nicht zur neuen Normalität werden und das Zinsniveau bleibt weiterhin ein wichtiger Einflussfaktor für die Preisentwicklung. Schließlich stellen Zinsen die natürlichen Opportunitätskosten einer Goldposition dar. Die Erwartung an die amerikanische Zentralbank den Leitzins in den kommenden Monaten zu senken und die mutmaßlich niedrigeren Realzinsen werden wichtige Kriterien für den optimistischen Goldausblick und damit die Kaufbereitschaft vieler Investoren bleiben. Kurioserweise hatte ausgerechnet Donald Trump für eine höhere Zinssenkungswahrscheinlichkeit bei der im September stattfindenden Notenbanksitzung gesorgt. In einem Interview am 16. Juli verkündete der republikanische Präsidentschaftskandidat, dass er den Chef der amerikanischen Notenbank im Amt belassen werde, wenn dieser in den kommenden Wochen die aus seiner Sicht richtigen Entscheidungen treffen würde. Gemeint war damit, den Leitzins bis zur Präsidentschaftswahl nicht zu senken, um den regierenden Demokraten keine Wahlkampfunterstützung zu geben. Um die Unabhängigkeit der amerikanischen Notenbank von der Politik unter Beweis zu stellen, steht Notenbankchef Jerome Powell nun unter Zugzwang und könnte die Zinsen bereits im September und damit vor der heißen Phase des Wahlkampfs senken. Der Blick in die Vergangenheit verrät die Bedeutung des Zinsniveaus auf den Goldpreis. Seit 1976 liegt die durchschnittliche Kurssteigerung von Gold drei Quartale nach der ersten Leitzinssenkung in Amerika im mittleren einstelligen Prozentbereich. In den jüngsten Lockerungszyklen beginnend mit der Finanzmarktkrise war der Anstieg beim Gold drei Quartale nach der ersten Leitzinssenkung mit knapp 9 % sogar noch ausgeprägter.
Der US-Dollar als weiterer, klassischer Einflussfaktor verliert hingegen immer mehr an Einfluss auf das gelbe Edelmetall. Vermutlich wird beiden Anlageformen in einem Umfeld erhöhter geopolitischer Risiken schlicht und einfach eine Koexistenz zugestanden.
Auch wenn es aus unserer Sicht keinesfalls angebracht ist, die traditionellen Einflussfaktoren gänzlich abzuschreiben, lohnt es sich, einen Blick auf neue Preistreiber am Goldmarkt zu werfen.
Wie bereits in den Jahren 2022 und 2023 treten auch dieses Jahr die Notenbanken rund um den Globus als Käufer auf. Wenngleich die Notenbanken gemäß den Daten des World Gold Councils bereits seit 2010 Nettokäufer von Gold sind, so muss man doch festhalten, dass die Kaufbereitschaft dieser Käufergruppe in den letzten Jahren signifikant zugenommen hat. Wie aus einer Umfrage unter Zentralbankchefs im Juni hervorging, sind die wichtigsten Motive für den Kauf bzw. Halten von Gold wie folgt:
- A) Bei Gold besteht kein Risiko eines Zahlungsausfalls.
- B) Die Wertentwicklung und die historische Rolle von Gold in Krisenzeiten.
- C) Der langfristige Werterhalt sowie die hohe Liquidität des Edelmetalls.
De facto werden durch den Kauf einer Zentralbank physische Goldbarren vom Markt genommen und diesen verbleiben in der Regel über einen längeren Zeitraum in den Tresoren der Zentralbank. Dieses „Grundrauschen“ am Markt stellte in den vergangenen gut zwei Jahren eine starke Basis dar und dürfte für schätzungsweise 25 % bis 30 % der gesamten Nachfrage am Goldmarkt stehen. Die in Juni veröffentlichte Umfrage des World Gold Councils unterstreicht zudem, dass ein Ende der starken Goldkäufe seitens der Zentralbanken nicht zu erwarten ist. Zweifelsohne ist der Anteil von Gold an den Gesamtreserven für viele Zentralbanken immer noch gering, insbesondere wenn diese im Vergleich zu den westlichen Ländern wie die USA, Deutschland oder Frankreich in Relation gestellt werden.
Aus den wenigen Stellungnahmen der am Goldmarkt aktiven Akteure der Zentralbanken und staatsnahen Institutionen kann man entnehmen, dass es sich um strategische Käufe handelt. Diese obliegen in der Regel einem längeren Zeithorizont und sind nur bedingt preiselastisch. Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl der am Goldmarkt aktiven Akteure in den vergangenen zwei Jahren und neue Bieter wie zum Beispiel die Tschechische Republik treten nach jahrelanger Abstinenz wieder als Nachfrager auf. Wenngleich kaum einer so transparent ist wie die Zentralbank Tschechiens und eine Art Absichtserklärung für Goldkäufe abgegeben hat, die Tschechische Zentralbank möchte bis zum Jahr 2028 ihre Goldbestände von derzeit 41,5 Tonnen auf 100 Tonnen erhöhen, so verbleibt unter dem Strich noch genug Fantasie für eine anhaltend hohe Nachfrage dieser Käufergruppe. Stark vereinfacht sehen Notenbanken im Gold eine Möglichkeit, sich gegen systemische Risiken abzusichern und gleichzeitig die Außenwirkung der eigenen Währung zu festigen.
Um das Bild zu vervollständigen gehört die Erwähnung, dass in den vergangenen Monaten Zentralbanken vereinzelt auch auf der Abgabenseite zu finden waren. Es handelte sich jedoch weder um strategisch Verkäufe, noch wurden die Verkäufe in bedeutendem Umfang ausgeführt. Insbesondere angesichts der Möglichkeit, dass ein Verkauf der Goldposition das Vertrauen in die durchführende Zentralbank vermutlich beeinträchtigen würde.
Daher kommen wir zu der Ansicht, dass die Zentralbanken bzw. der Zentralbank nahe Institutionen weiterhin Goldreserven aufbauen werden, was den Goldpreis in den kommenden Monaten unterstützen sollte. Allerdings stellt diese Nachfrage mittel- bis langfristig auch ein wechselseitiges Preisrisiko für Gold dar, da Zentralbanken Veränderungen ihrer Goldreserven in der Regel nicht vorab gegenüber Marktteilnehmern am Goldmarkt publizieren.
Zum Schluss soll der Blick vom dem sogenannten großen, strategischen Bild auf die Aussichten für die kommenden Wochen und damit auf das Timing gelenkt werden. Unter allen Edelmetallen ist die Saisonalität bei Gold am deutlichsten ausgeprägt. Die Wertentwicklung pro Monat seit 1976 zeigt deutlich, dass der Zeitraum August bis Januar für Investoren am vorteilhaftesten war. Dies kann auf den Beginn der Hochzeitsaison in Indien und die damit verknüpfte Mitgift, auf wichtige hinduistische Feiertage wie das Lichterfest Diwali, bei dem Geschenke aus Gold eine große religiöse und symbolische Rolle spielen aber auch auf den Goldkauf zu Weihnachten in der westlichen Welt und als Abschluss das Neujahrsfest in China zurückgeführt werden.
Wenngleich temporäre Rücksetzer beim Goldpreis über die Sommermonate nicht ausgeschlossen werden können, so werden diese die positive Stimmung am Goldmarkt vermutlich nur kurzzeitig beeinflussen. Da präzise Goldpreisprognosen oftmals eher einem Blick in die berühmte Kristallkugel gleichen, möchte ich an dieser Stelle auch keine Kursprognosen ausrufen. Vielmehr solle man sich vor Augen führen, dass diverse Zentralbanken Gold erwerben. Und wenn kraftvolle staatlichen Institutionen aus strategischen Gründen auf Edelmetalle, respektive Gold setzten, sollte dies zumindest zu einem gewissen Teil auch in die Investitionsentscheidung bei unserer Vermögensbildung mit einfließen.
Autor: Daniel Rauch, Rohstoffexperte, LBBW Asset Management