Was gehört zu einer glaubwürdigen Transition-Anlagestrategie?

„Die große Transformation“ ist nicht erst seit der Veröffentlichung des gleichnamigen Abschlussberichts des Sustainable Finance Beirats im Jahr 2021 DIE zentrale sozial-ökologische Herausforderung für Wirtschaft und Finanzwelt. Bereits seit über einem Jahrzehnt gilt „Shifting the trillions“ als Schlüsselbegriff für das Leitmotiv nachhaltiger Finanzsysteme: das gezielte Umlenken globaler Kapitalströme hin zu einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Wirtschaft.
16. Juni 2025
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„Die große Transformation“ ist nicht erst seit der Veröffentlichung des gleichnamigen Abschlussberichts des Sustainable Finance Beirats im Jahr 2021 DIE zentrale sozial-ökologische Herausforderung für Wirtschaft und Finanzwelt. Bereits seit über einem Jahrzehnt gilt „Shifting the trillions“ als Schlüsselbegriff für das Leitmotiv nachhaltiger Finanzsysteme: das gezielte Umlenken globaler Kapitalströme hin zu einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Wirtschaft.

Nachhaltige Geldanlagen sind ein wichtiger Hebel, um dieses Ziel zu erreichen. Die Ansätze dafür sind vielfältig – je nach Anlagestil und Motivation der Investoren. Besonders interessant ist der Transition-Ansatz: Er fokussiert Unternehmen, die den Wandel aktiv mitgestalten – nicht nur durch ihre Produkte und Dienstleistungen, sondern vornehmlich durch ihre Herstellungsprozesse. Sie treiben ökologische und soziale Veränderungen voran und schaffen damit die Grundlage für ein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell.

Je nach Anlageform – ob alternative Investmentfonds mittels Private Equity oder Private Debt, Immobilien- und Sachwertanlagen, Nachhaltigkeitsanleihen wie Green‑, Social- oder Blue-Bonds oder klassische Nachhaltigkeitsinvestmentfonds – setzt das Kapital der Investoren gezielt an verschiedenen Wirkungskanälen an, um direkt oder indirekt nachhaltige Veränderungen zu erzielen.

Im Vergleich zu bereits „grünen“ Unternehmen ist die Wirkungskraft von Firmen im Wandel oft sogar höher. Das Prinzip dahinter: Der stärkere Effekt entsteht meist dort, wo der Handlungsbedarf am größten ist – etwa, wenn CO2-intensive Unternehmen beginnen, ihre Emissionen zu reduzieren, meist mit Anfangs bedeutsamen Fortschritten. Statt in bereits „grüne“ Unternehmen oder Produkte zu investieren, die zwar zu einer nachhaltigeren Welt beitragen, deren Verbesserungspotenzial jedoch begrenzt ist, wird hier auf Wandel gesetzt. Oder anders gesagt: Nachhaltigkeit bedeutet nicht nur, das Weiße noch weißer zu machen – wie es ein auf den zweiten Blick unsinniger Werbeslogan einst propagierte – sondern dort anzupacken, wo der größte Unterschied gemacht werden kann. Denn wenn ein Unternehmen seinen hohen CO2-Ausstoß signifikant verringert, bringt das oft mehr für unseren Planeten als das nächste neu gebaute Windrad. Genau darauf zielt diese Strategie ab: den größtmöglichen positiven Einfluss zu erzielen.

Was hat es mit Transition-Investments auf sich?

Diese Investmentlogik gewinnt in der nachhaltigen Finanzbranche zunehmend an Gewicht: Nutzer des FNG‑Siegels fordern verstärkt Transition‑Anlagestile, um Unternehmen bei ihrem ökologischen Wandel zu begleiten. Besonders in sogenannten „High‑Impact‑Sectors“ – Wirtschaftsbereichen mit hohem Transformationsdruck zur Eindämmung der Erderwärmung – erweisen sich starre Ausschlusskriterien für kritische, aber wandlungsfähige Geschäftsaktivitäten als Hemmnis. Zu den Sektoren mit dem größten Potenzial für eine beschleunigte Transformation zählen die Energieerzeugung und ‑versorgung, die Schwerindustrie, das Baugewerbe, die Wasserwirtschaft, das Transportwesen, die Landwirtschaft sowie weitere ressourcenintensive Produktionen wie der Bergbau. Vor allem der energetische Bereich ist für den Klimaschutz von zentraler Bedeutung, und eine gezielte Investitionsstrategie, die statt pauschaler Ausschlüsse auf aktive Unterstützung von Übergangsprozessen setzt, kann hier besonders wirksam zur nachhaltigen Transformation beitragen.

Parallel dazu entwickelt sich der regulatorische Rahmen stets weiter. Im Kontext des EU-SFDR-Reviews diskutieren Experten aktuell verschiedene Möglichkeiten der Produktklassifizierung, die gleichzeitig die vom Markt oft missbräuchlich als „Label“ verwendeten Artikeln 6, 8 und 9 ersetzen könnte. Sowohl die EU Sustainable Finance Plattform als auch europäische und nationale Aufsichtsbehörden befürworten „Transition“ unisono als separate Produktkategorie. Mehr Klarheit soll es ab Herbst geben. Zudem gelten seit Mai bereits die ESMA-Leitlinien zu Fondsnamen, die „Transition“ und damit verwandte Begriffe explizit als Namensbestandteil aufführt und somit inhaltliche Anforderungen stellt.

Die regulatorischen Vorgaben zu Transition sind allerdings oft wenig konkret und auch nicht umfassend. Das Fehlen verbindlicher Definitionen ist aktuell eine zentrale Herausforderung für Transition-Investments. Zwar hat die EU-Kommission versucht, diese Lücke mit einer Empfehlung zu füllen, doch bleibt diese rechtlich unverbindlich und deckt noch keine sozialen Aspekte ab.

Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob ein Fonds als „sozialer“ Transition-Fonds gelten kann, wenn er in fossile Energien investiert, die Gleichberechtigung im Unternehmen fördert, aber gleichzeitig Klimaziele verfehlt. Solche Konstellationen bergen das Risiko des „Transition-Washings“ – sprich einer „grünen Etikettierung“ ohne substanzielle Transformationsleistung. Auch bleibt offen, ob für Transition-Investments ebenfalls ein DNSH-Prinzip (Do No Significant Harm) gelten sollte.

Im Rahmen der Arbeiten zum neuen FNG-Siegel Transition, auf das sich Produktanbieter seit diesem Jahr neben dem etablierten FNG-Siegel als zusätzlichen Qualitätsstandard für glaubwürdige Transition bewerben können, wird nachfolgend auf die wichtigsten Punkte eingegangen, auf die Anlegende auch unabhängig einer externen Zertifizierung achten sollten:

  • Eine glaubhafte Anlagestrategie in Bezug auf Transition benötigt eine eindeutige nachhaltigkeitsbezogene Zielsetzung im Bereich Klima‑, Umwelt- oder soziale Transition. Diese Zielsetzung sollte durch messbare Indikatoren belegt sein. Diese Indikatoren sollten auf wissenschaftlichen Erkenntnissen (science-based) beruhen und im Idealfall auch verifiziert sein. Darin integriert ist auch die Frage nach dem „wieviel“, also nach bezifferbaren Schwellenwerten, um Transformations-Relevanz zu untermauern.
  • Investitionen in Wirtschaftsaktivitäten, die innerhalb von höchstens fünf, in Ausnahmen auch zehn Jahren EU-Taxonomie-konform werden
  • Das Finanzprodukt muss sicherstellen, dass mindestens 80% des Portfolios den verbindlichen Kriterien der jeweiligen Transitionsstrategie entspricht.
  • Auch bei Transition-Investments sind bestimmte Mindestausschlüsse unverzichtbar. Beim FNG-Siegel Transition sind das Verstöße gegen die zehn Kernprinzipien des United Nations Global Compact (UNGC) oder gegen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen und der Ausschluss von Tabak, konventionellen und kontroversen Waffen.
  • Investments in „High-Impact-Sectors“ müssen ihre Transitionsstrategie klar auf Klima- oder Umwelttransition beziehen (idealerweise basierend auf Nachhaltigkeitszielen der EU-Taxonomie oder umweltbezogenen Sustainable Development Goals (SDGs)). Gerade für Unternehmen in diesen Bereichen sind ökologische Ziele so zentral, dass sie in keiner glaubhaften Transformationsstrategie fehlen dürfen. Das verhindert beispielsweise, dass ein Kohlekraftwerksbetreiber als „Transition-Investment“ eingestuft wird, obwohl er „nur“ soziale Verbesserungen umsetzt.
  • Qualitätssteigernd ist auch ein DNSH-Test. Dieser Grundsatz stammt aus der EU-Taxonomie und der SFDR und besagt, dass eine wirtschaftliche Aktivität, während sie zu einem Nachhaltigkeitsziel beiträgt, keinen erheblichen Schaden an anderen Nachhaltigkeitszielen verursachen darf. Bei Transition-Investments ist dieser Test besonders wichtig, da der Transition-Prozess oft mit Zielkonflikten verbunden ist. Die Principal Adverse Impacts (PAIs) bieten sich beispielsweise hierfür an. Eine glaubwürdige Anlagestrategie muss Konflikte transparent machen und Lösungen aufzeigen, die keine erheblichen Schäden verursachen.

Besonders in Zeiten regulatorischer Dynamik, in denen noch keine verbindlichen Regelungen für Produktkategorisierungen existieren, können sich Anlegende auf der Suche nach „gut gemachten Transition-Fonds“ zukünftig auf das neue FNG-Siegel Transition als Antwort auf diese Unklarheiten verlassen. Die effiziente, wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Lösung hilft, die komplexe Ausgestaltung solcher Geldanlagen einfach zu erkennen und fördert durch ihr Stufenmodell gleichzeitig ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategien. Die unabhängige Prüfung, begleitet von einem wissenschaftlichen Beirat und einem Expertenkomitee verschiedener Stakeholder, sowie klar definierte Kriterien sorgen dafür, dass Irreführung vorgebeugt wird und Anlegende auf die Qualität der ausgezeichneten Produkte vertrauen können.

Autoren: Roland Kölsch (Geschäftsführer des gemeinnützigen Wissenschaftsvereins F.I.R.S.T.) und Dr. Simone Wagner (Leiterin Zertifizierungen beim universitären Spin-Off Advanced Impact Research)

Roland Kölsch — Foto: Copyright F.I.R.S.T

Dr. Simone Wagner — Foto: Copyright Impact Research

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