Aktienmarktvolatilität kann sich wie plötzliche Kopfschmerzen anfühlen: Sie kommt aus dem Nichts, absorbiert alle Aufmerksamkeit, solange sie anhält, und verschwindet dann still und leise wieder – bis sie wiederkommt. Genau so war es auch in diesem Jahr Anfang August.
Sie war für die Anleger einmal mehr Anlass, ihre Positionierung neu zu bewerten und sich in robustere Anlagen zu flüchten. Wandelanleihen sind eine überzeugende Anlageoption: Die hybride Anlageklasse hat sich in den letzten drei Jahrzehnten bewährt, indem sie langfristige Renditen erwirtschaftete, die mit den globalen Aktienindizes vergleichbar sind – jedoch mit einer geringeren Volatilität als selbst die 60/40-Aufteilung zwischen Aktien und Anleihen.
Unsere diesjährige Analyse der vergangenen drei Jahrzehnte unterstrich: aus strategischer Sicht können Convertible Bonds (CBs) die Renditen ausgewogener Aktien-/Anleiheportfolios steigern und aus taktischer Sicht helfen sie Anlegern, ihr Engagement in Aktien beizubehalten und sich gleichzeitig vor einem Teil der Volatilität abzuschirmen. Darüber hinaus zeigte sich, dass die volatilsten Perioden in der Vergangenheit in der Regel auch die profitabelsten für globale Aktien waren und dass sich nervöse Anleger etwas entgehen lassen, wenn sie ihre Engagements vorschnell reduzieren. Heute gibt es viele langfristige Megatrends, die auf dem besten Weg sind, über den gesamten Konjunkturzyklus hinweg erhebliche Wertschöpfung zu generieren. Allerdings herrschen auf dem Gesamtmarkt nach wie vor Unsicherheit und Angst.
Convertibles, im Grunde genommen Unternehmensanleihen mit beigefügten Kaufoptionen auf die Aktien des jeweiligen Unternehmens, bieten Anlegern einen besonderen Vorteil: Partizipation an Wachstumsstorys bei gleichzeitiger Abmilderung von Volatilität und Drawdowns. Der CB-Markt ist von Natur aus auf langfristige Wachstumstrends wie beispielsweise KI, steigende Gesundheitsausgaben oder Cybersicherheit ausgerichtet, die eine gewisse Abschirmung der Unternehmensgewinne gegen Konjunkturabschwünge bieten. Da es viele solcher Unternehmen gibt, in die über Wandelanleihen investiert werden kann, können Anleger dadurch von der mittelfristigen Wertsteigerung der Aktien profitieren. Dennoch könnten die Aktienkurse durchaus volatil sein, da Wachstumswerte in der Regel auf kurzfristige Veränderungen der Marktstimmung überreagieren.
Resilienz dank asymmetrischem Renditeprofil
Das asymmetrische Renditeprofil von CBs – auch „Konvexität“ genannt – sorgt für eine bemerkenswerte Resilienz über den gesamten Marktzyklus hinweg. Denn sie partizipieren an steigenden Aktienkursen, während die Anleihekomponente bei Kursrückgängen als Puffer fungiert. Dazu trägt auch die im Vergleich zu klassischen Unternehmensanleihen (High Yield und Investment Grade) geringere Zinssensitivität aufgrund der kürzeren Duration bei. Während der jüngsten Marktkorrektur Anfang August wurde diese Widerstandsfähigkeit deutlich: Der breite CB-Markt (gemessen am FTSE Global Vanilla Index) verzeichnete lediglich rund ein Drittel des Rückgangs globaler Aktien (MSCI World). Aktive Strategien, bei denen die Konvexität im Vordergrund steht, konnten sogar noch bessere Resultate erzielen ohne gleichzeitig insgesamt besonders defensiv aufgestellt zu sein.
Wichtig ist dabei: Die CB-Anleihekomponente ist kein Allheilmittel. Damit sie funktioniert, muss sie ihren Wert halten, der von der Einschätzung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens abhängt. Daher hat eine rigorose Kreditanalyse für Anleger, die ihr Kapital angemessen schützen wollen, oberste Priorität, zumal die Mehrzahl der Wandelanleihen von den großen Rating-Agenturen nicht bewertet wird.
Mit Blick auf den Jahreswechsel 2024–2025 und darüber hinaus bleiben die Aussichten für Wandelanleihen weiterhin vielversprechend. Während sich die Megatrends selbst unverändert fortsetzen, scheint die breite Palette der davon profitierenden Aktien (einschließlich vieler CB-Emittenten) besser positioniert zu sein als die Handvoll Mega-Caps (die im Wandelanleihen-Universum unterrepräsentiert sind), die bisher am meisten zugelegt haben und anfällig für weitere Korrekturen sind. In einer kürzlich erschienenen Studie zeigte Bridgewater Associates auf, wie die Börsen-Spitzenreiter im Laufe der Jahrzehnte auf- und absteigen und wie die Marktführer von heute oft die Verlierer von morgen sind.
Dennoch stellen unbeständige Konjunkturdaten, Wahlen und geopolitische Entwicklungen nach wie vor erhebliche Hürden für die Erreichung positiver Anlagerenditen dar. Damit bleibt die Volatilität hoch und die Anleger sind weiterhin angespannt.Genau hier können die asymmetrischen Eigenschaften von Wandelanleihen einen Mehrwert schaffen – und in den volatilsten Zeiten sind zusätzlich zu den strategischen auch taktische Allokationen in Wandelanleihen sinnvoll.
Fusionen und Übernahmen: Ein weiterer Schub für Wandelanleihen
Ob Zufall oder nicht, 2024 war eines der besten Jahre für die weltweite Neuemission von Wandelanleihen. Dies ist insbesondere nach der Atempause zwischen 2022 und 2023 eine sehr erfreuliche Entwicklung. Neuemissionen sind in der Regel günstiger bewertet und können eine bessere Konvexität aufweisen, was die risikobereinigte Performance verbessert – manchmal sogar dramatisch – wie wir im Jahr 2020 gesehen haben. Außerdem erweitern Neuemissionen das Anlageuniversum und schaffen für aktive Anleger mehr Chancen zur Alpha-Generierung. Selbst wenn wir einige Zinssenkungen erleben sollten, gehen wir davon aus, dass der Emissionstrend aufgrund des sich abzeichnenden Refinanzierungsbedarfs, der hohen Gesamtzinskosten und nicht zuletzt aufgrund von Fusionen und Übernahmen (M&A) anhalten wird.
Auch die M&A‑Aktivitäten haben in letzter Zeit nach einer langen Pause wieder zugenommen. So erwartet EY Parthenon in diesem Jahr ein um 20 % höheres Volumen an Transaktionen in den USA als im Vorjahr. Für Wandelanleihen ist M&A nicht nur ein Katalysator für die Emissionstätigkeit, sondern auch für die Rendite: Wachstumsunternehmen, die Wandelanleihen emittieren, sind häufig Ziel von Übernahmen, und viele Wandelanleihen sind mit wertvollen Klauseln für zusätzliche Aktien bei solchen Umwandlungen ausgestattet. Die Renditen für die Anleger können bei einer Übernahme des Emittenten beträchtlich sein, manchmal sogar höher als der Aktienkursanstieg selbst. Eine Belebung der M&A‑Aktivitäten ist daher ein weiterer positiver Indikator für Wandelanleihen.
Alpha-Chancen abseits der Benchmarks
Auch wenn die bisherigen Ausführungen vielversprechend und positiv klingen, sollten Anleger bedenken, dass Wandelanleihen nicht alle gleich sind. Ihre Konvexität variiert stark zwischen den unterschiedlichen Emissionen und ist selbst bei den wichtigsten Positionen, die in Wandelanleihen-Indizes oder Benchmark-orientierten Portfolios enthalten sind, keine Selbstverständlichkeit. Ein hoher Verschuldungsgrad, eine hohe Cash-Burn-Rate und/oder eine problematische Unternehmensführung (Governance) können das Risiko/Ertragsprofil erheblich beeinträchtigen. Die Einzeltitelauswahl und eine solide Portfoliokonstruktion sind die gemeinsamen Nenner, die für eine optimale langfristige risikobereinigte Rendite erforderlich sind.
Angesichts der anhaltenden Unsicherheit und Nervosität an den Aktienmärkten bieten Wandelanleihen einen überzeugenden Mittelweg für Anleger, die einerseits Wachstumspotenzial und gleichzeitig einen gewissen Puffer gegen Volatilität suchen. Die historische Performance von Wandelanleihen, die jene von ausgewogenen 60/40-Portfolios übertrifft, unterstreicht ihr Potenzial als strategische Komponente in diversifizierten Portfolios. Die derzeit erhöhte Volatilität, die zunehmende Emissionstätigkeit und die M&A‑Aktivitäten sind ebenfalls starke Argumente für taktische Allokationen in Wandler. Unserer Ansicht nach tun Anleger gut daran, sich Wandelanleihen, quasi dem Schweizer Taschenmesser unter den Anlageklassen, mit Sorgfalt und einem Fokus auf Qualität zuzuwenden. Eine gründliche Due Diligence und eine langfristige Perspektive bleiben entscheidend.
Autor: Ivan Nikolov, Head Convertible Bonds, Fisch Asset Management