Vier Umweltthemen mit hohem Wertschöpfungspotenzial

Saubere Technologien werden zusammen mit Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und Robotik als zentraler Bestandteil der sechsten industriellen Innovationswelle erachtet. Sie dürften über mehrere Jahrzehnte hinweg von massiven öffentlichen und privaten Investitionen profitieren. Anleger sollten dabei vier Themenbereiche besonders im Blick behalten.
30. Mai 2022
Pauline Grange (li.) und Jess Williams (re.) - Foto: Columbia Threadneedle Investments

Saubere Technologien werden zusammen mit Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und Robotik als zentraler Bestandteil der sechsten industriellen Innovationswelle erachtet. Sie dürften über mehrere Jahrzehnte hinweg von massiven öffentlichen und privaten Investitionen profitieren. Anleger sollten dabei vier Themenbereiche besonders im Blick behalten.

Schutz der Biodiversität
Wir profitieren jeden Tag von der Biodiversität, noch bevor wir das Haus verlassen. Gesunde Ökosysteme sorgen zum Beispiel für saubere Luft zum Atmen, sauberes Wasser zum Duschen, oder ermöglichen den Anbau der Bohnen für unseren Morgenkaffee. Biodiversität ist die Voraussetzung für Bodengesundheit, Bestäubung, natürliche Ressourcen, Kohlenstoffspeicherung und vieles mehr. Dennoch haben menschliche Aktivitäten dem WWF zufolge in den letzten 46 Jahren für einen Rückgang der Populationen wild lebender Tiere und Pflanzen um 68 % gesorgt. Das Bewusstsein für die gewaltigen Probleme, die mit dem Verlust der Biodiversität einhergehen, wächst – auch ökonomisch betrachtet.

Mehr als 50 % des globalen BIP hängen laut World Economic Forum von der Natur und ihren „Leistungen“ ab. Wenn wir die Biodiversität zerstören, verlieren wir unsere Lebensgrundlage. Mit Investitionen, die im Einklang mit dem UN-Nachhaltigkeitsziel 12 (nachhaltiges Ressourcenmanagement) stehen, werden einige dieser Probleme angegangen. Ein Beispiel ist die Präzisionslandwirtschaft. Über innovative Sprühtechnologie wird eine optimale Dosierung ermöglicht und ein Wasserstau auf Feldern vermieden. Die Präzisionstechnologie kann Herstellerangaben zufolge den Einsatz von Herbiziden und Pestiziden, deren Herstellung sehr kohlenstoffintensiv ist, um 77 % reduzieren, was wiederum zu einer deutlichen Verbesserung der CO2-Bilanz führt.

Regulatorische Vorgaben erhöhen ebenfalls die Notwendigkeit zum Schutz der Artenvielfalt. So zielt die Farm-to-Fork-Strategie der EU auf eine drastische Reduktion des Pestizideinsatzes ab. Der Einsatz von Präzisionslandwirtschaftstechnologie hilft Landwirten nicht nur, nachhaltiger zu arbeiten und die neuen Vorschriften einzuhalten. Sie lohnt sich auch in wirtschaftlicher Hinsicht, da sie einen effizienteren Einsatz von Betriebsmitteln und höhere Erträge ermöglicht, was im aktuellen, von Knappheiten und Inflation geprägten Umfeld äußerst wichtig ist. Vom zweiten Teil der UN-Biodiversitätskonferenz (COP 15) im chinesischen Kunmin dürfte das Thema weitere Impulse, insbesondere hinsichtlich der Quantifizierung der Effekte und Zielgrößen, erhalten.

Energiewende
Die weltweite Ölnachfrage dürfte ihren Höhepunkt Prognosen zufolge erst in fünf bis 15 Jahren erreichen. Rund 78 % der globalen Emissionen sind auf Verbrennungsprozesse im Verkehr, in der Industrie und beim Heizen zurückzuführen. Um eine Chance auf die Erreichung der Netto-Null-Ziele zu haben, ist ein Umstieg auf saubere Energie unerlässlich. Zurzeit stammen nur 17 % der gesamten Energie aus sauberen Energiequellen. Dieser Anteil muss bis 2050 auf 78 % steigen, damit die Netto-Null-Ziele erreicht werden können.

Der Umstieg auf saubere Energie lohnt sich zunehmend auch finanziell. Hohe Wirtschaftlichkeit, die Elektrifizierung der Volkswirtschaften und die zunehmende Unterstützung durch Politik und Verbraucher dürften die Investitionen in erneuerbare Energien antreiben. Prognosen der Internationalen Energieagentur zufolge wird die weltweite Stromerzeugungskapazität aus erneuerbaren Energien zwischen 2020 und 2026 um mehr als 60 % auf über 4.800 GW ansteigen – dies entspricht der derzeitigen weltweiten Stromerzeugungskapazität aus fossilen Brennstoffen und Kernenergie zusammen. Auf erneuerbare Energien werden bis 2026 fast 95 % des Anstiegs der weltweiten Stromerzeugungskapazität entfallen. Bereits jetzt stellen erneuerbare Energien für 90 % der weltweiten Energieversorgung inzwischen die günstigste Möglichkeit der Stromerzeugung für neue Kraftwerke dar. Der jüngste Preisanstieg bei fossilen Brennstoffen hat relative Kostenwettbewerbsfähigkeit erneuerbarer Energien weiter verbessert. Wenn man die wirtschaftlichen Kosten des ungebremsten Klimawandels berücksichtigt, die bis 2030 auf über 3 % des BIP pro Jahr geschätzt werden, wird die Umstellung auf saubere Energien noch attraktiver.

Grüne Mobilität
Die Autoindustrie ist reif für einen Umbruch. Dieser dürfte in einem Tempo erfolgen, das viele Anleger überrascht. In China ist die Nachfrage nach vollelektrischen Fahrzeugen im Laufe des vergangenen Jahres bereits massiv auf 17 % der Neuwagenverkäufe gestiegen. Die Gründe hierfür sind eher wirtschaftlicher als ökologischer Natur. Denn die chinesischen Verbraucher gaben niedrigere Betriebskosten als Hauptgrund für den Kauf eines Elektroautos an. Starke inländische Batterielieferketten – auf das Land entfallen aktuell beispielsweise 80 % der Weiterverarbeitung der Rohstoffe für Elektrofahrzeugbatterien – und die Produktion von Halbleiterchips im Inland kamen China zugute. So gibt es inzwischen ein breites Angebot an günstigeren Elektromodellen einheimischer Marken. Als zweitwichtigster Grund für die Anschaffung eines Elektroautos wird interessanterweise das insgesamt bessere Fahrerlebnis genannt, da viele Elektrofahrzeuge mit Blick auf Autonomie, Sicherheit und Digitalisierung über eine deutlich bessere Ausstattung verfügen.

Um die Netto-Null-Ziele zu erreichen, müssen bis 2030 jedes Jahr durchschnittlich 35 Millionen elektrische PKW weltweit auf die Straße gebracht werden. Zur Einordnung: 2021 kamen schätzungsweise nur 4,7 Millionen neue Elektroautos hinzu. Einige der Länder mit den größten Automärkten der Welt haben bereits angekündigt, den Verkauf von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor zwischen 2030 und 2040 einzustellen, um ihre Netto-Null-Ziele zu erreichen. Aller Voraussicht nach wird sich die Entwicklung, die in China zu beobachten ist, auf andere Regionen ausweiten. Prognosen zufolge werden die Kosten von Elektrofahrzeugen noch vor 2024 dasselbe Niveau erreichen wie die von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, wobei dies voraussichtlich als erstes in China der Fall sein wird.

Es gibt auch noch Herausforderungen im Bereich der Produktionskapazitäten für die Batterieproduktion und hinsichtlich des im Vergleich zu Verbrennern höheren Rohstoffverbrauchs. Darüber hinaus müssen die Investitionen in Schnellladestationen sowie in die erneuerbare Stromerzeugung beschleunigt werden. Angesichts des Wachstums des Marktes für Elektrofahrzeuge verfügen Unternehmen, die die für deren Herstellung und Aufladung erforderlichen Komponenten produzieren, daher über gute langfristige Wachstumsaussichten.

Anpassung an den Klimawandel
Trotz aller Bemühungen, die Erderwärmung zu begrenzen, findet der Klimawandel statt und richtet in vielen Teilen der Welt durch extreme und lange Dürreperioden, eine Häufung von Extremwetterereignissen und Überschwemmungen bereits großen Schaden an. Die Anpassung der Infrastruktur an diese Verhältnisse betrifft Wasserversorgung, Klimafestigkeit von Siedlungen und Verkehrsinfrastruktur sowie Gebäude/Kühlung und stellt ebenfalls ein strukturelles Wachstumsfeld dar. Ohne diese Maßnahmen ist das Leben der Schwächsten der Gesellschaft – ältere und junge Menschen – in Gefahr. Doch auch Heizungs‑, Lüftungs- und Klimaanlagen verursachen Treibhausgasemissionen, sodass es nachhaltiger Lösungen bedarf. Länder wie die USA legen umfangreiche Infrastrukturprogramme auf, die den Schwerpunkt auf „grüne“ Investitionen legen. Um unsere Volkswirtschaften zu elektrifizieren, müssen wir neue Strukturen schaffen, was nicht nur massive Investitionen in den Energiesektor – sowohl in erneuerbare Energien als auch in das Stromnetz –, sondern auch in umweltfreundliche Mobilität, Industrie und Gebäude erfordert (Abbildung).

Abbildung: Durchschnittliche jährliche Energieinvestitionen 2016 bis 2020, sowie gemäß Netto-Null-Szenario bis 2050

Quelle: IEA 2021 World Energy Outlook Report.

Angesichts dieser enormen Investitionen in Infrastruktur und Gebäude stehen wir möglicherweise vor dem Beginn eines mehrjährigen Superzyklus für Kapitalinvestitionen, dessen Ausmaß viele Anleger unterschätzen. Dementsprechend legen wir in Unternehmen an, die von den von uns erwarteten Investitionen in Nachhaltigkeit profitieren dürften.

Autorinnen: Pauline Grange, Portfoliomanagerin des Threadneedle (Lux) Sustainable Outcomes Global Equity bei Columbia Threadneedle Investments, und Jess Williams, Portfolio-Analystin Responsible Investment bei Columbia Threadneedle Investments

SOCIAL MEDIA

RECHTLICHES

AGB
DATENSCHUTZ
IMPRESSUM
© wirkungswerk
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Anmeldung zum Newsletter