VGH Kassel: Darf ein Asset Manager Market-Making betreiben?

Der Market Maker ist eine feste Institution börslicher und außerbörslicher Handelsstrukturen. Es gibt wohl keinen Anleger, der nicht schon auf die eine oder andere Weise mit ihm interagiert hat. In rechtlicher Hinsicht ist das Market-Making jedoch ein in weiten Teilen noch unerschlossenes Feld. Der 6. Senat des VGH Kassel (21.11.2023 – 6 A 1658/18) war nun in zweiter Instanz mit einem Fall befasst, der es in sich hatte. Es ging um die Frage, ob eine interne Kapitalverwaltungsgesellschaft befugt ist, auch Market-Making zu betreiben. Intuitiv würde dies wohl manch einer ablehnen, da Market-Making eine explizit definierte Variante des aufsichtspflichtigen Eigenhandels ist. So sah es auch der Senat. Nun liegt der Fall beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).
1. Juli 2024
Dr. Hendrik Müller-Lankow - Foto: Copyright Kronsteyn

Der Market Maker ist eine feste Institution börslicher und außerbörslicher Handelsstrukturen. Es gibt wohl keinen Anleger, der nicht schon auf die eine oder andere Weise mit ihm interagiert hat. In rechtlicher Hinsicht ist das Market-Making jedoch ein in weiten Teilen noch unerschlossenes Feld. Der 6. Senat des VGH Kassel (21.11.2023 – 6 A 1658/18) war nun in zweiter Instanz mit einem Fall befasst, der es in sich hatte. Es ging um die Frage, ob eine interne Kapitalverwaltungsgesellschaft befugt ist, auch Market-Making zu betreiben. Intuitiv würde dies wohl manch einer ablehnen, da Market-Making eine explizit definierte Variante des aufsichtspflichtigen Eigenhandels ist. So sah es auch der Senat. Nun liegt der Fall beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).

Anreizmechanismen für Market Maker an Handelsplätzen

Market Maker machen den Wertpapierhandel liquider, indem sie dem Markt ständig ihre Bereitschaft anzeigen, als Kontrahent für Ausführungen zur Verfügung zu stehen. Aus diesem Grund haben die im Wettbewerb zueinander stehenden Handelsplatzbetreiber ein starkes Interesse an der Schaffung guter Rahmenbedingungen für Handelsteilnehmer, die Liquidität bereitstellen. An Märkten, an denen Wertpapiere mit hohem Handelsvolumen gehandelt werden (bspw. Xetra), finden sich typischerweise Rabattmodelle, welche die Liquiditätsbereitstellung begünstigen.

Soweit für einen Handelsteilnehmer ein Rabattmodell greift, verringern sich seine Handelskosten. So kann er wettbewerbsfähigere Preise stellen sowie Handelsumsatz und ‑gewinn steigern. Gerade Handelsteilnehmer, deren Handelsstrategie ohnehin das kontinuierliche Übermitteln passiver Orders umfasst, werden daher regelmäßig ein Interesse an der Teilnahme an einem Rabattmodell haben – so auch die klagende interne Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) im vom VGH Kassel entschiedenen Fall.

Das Urteil des VGH Kassel

Der Entscheidung des 6. Senats des VGH Kassel lag eine Feststellung der BaFin aus dem Jahr 2014 zugrunde, welche sie gegenüber der klagenden internen AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaft erlassen hat. Nach dem streitgegenständlichen Bescheid sei die Klägerin nicht befugt, die „Tätigkeit als Market-Maker bzw. Designated Sponsor“ auszuüben. Aufgrund dieser Feststellung sah sich die Klägerin gehindert, die Tätigkeit als Designated Sponsor an der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) sowie als Liquidity Provider an der Eurex Deutschland auszuüben, um an den jeweiligen Rabattmodellen zu partizipieren. Anders als noch die Vorinstanz gab der 6. Senat der beklagten BaFin Recht.

Im Kern stützt der Senat seine Entscheidung auf das Tätigkeitsverbot des § 20 Abs. 7 KAGB, das einer intern verwalteten KVG die Ausübung anderer Tätigkeiten als die Verwaltung des eigenen Investmentvermögens untersagt. Hierbei sah der Senat das von der Klägerin intendierte Market-Making als ein solches i.S. der gesetzlichen Definitionen (u.a. in § 2 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a WpIG) an. Das gesetzlich definierte Market-Making sei jedoch kein Bestandteil der kollektiven Vermögensverwaltung, insb. auch nicht der davon umfassten Portfolioverwaltung. Auch als Hilfsgeschäft zur kollektiven Vermögensverwaltung könne es nicht erbracht werden.

Market-Making grds. bloß eine von mehreren Handelsstrategien

Dem Grunde nach ist Market-Making bloß eine kurzfristig orientierte Anlagestrategie, d.h. eine Handelsstrategie. Sie ist darauf ausgerichtet, ständig Finanzinstrumente zu kaufen und zu verkaufen und durch teilweise kleinste Preisdifferenzen einen Ertrag zu erzielen. Der Market Maker zeigt dem Markt ständig seine Bereitschaft an, als Kontrahent für Ausführungen zur Verfügung zu stehen. Auf diesem Weg kann er bessere Preise erzielen, da Marktteilnehmer, welche diese „Geduld“ nicht mitbringen, bereit sind, einen Aufpreis für die sofortige Orderausführung (sog. Sofortigkeit) zu zahlen.

Grundsätzlich ist die ständige Vornahme von Käufen und Verkäufen für Rechnung des Anlegerkollektivs unter Ausnutzung einer kurzfristigen passiven Orderstrategie eine zulässige Anlagestrategie im Rahmen der kollektiven Vermögensverwaltung. Denn bei der Festlegung ihrer Anlagestrategie räumt das KAGB Vermögensverwaltern einen weiten Ausgestaltungsspielraum ein. Sie können insb. festlegen, ob sie eine langfristige Strategie i.S. eines „buy and hold“ verfolgen oder eine kurzfristige Strategie unter Ausnutzung kleinster Preisdifferenzen.

Market-Making als zivilrechtliche Dienstleistung

Die Beauftragung von Market Makern zur kontinuierlichen Liquiditätsbereitstellung gegen Gewährung von Rabatten hat sich zur gängigen Marktpraxis etabliert. Es dürfte nicht in Abrede gestellt werden können, dass eine Verpflichtung zur Liquiditätsbereitstellung gegenüber einem Dritten eine Dienstleistung darstellt und von der reinen Handelsstrategie Market-Making zu unterscheiden ist. Die entscheidende Frage ist jedoch, ob diese Dienstleistung noch der zulässigen kollektiven Vermögensverwaltung unterfällt.

Hierfür müsste es sich um „Tätigkeiten im Zusammenhang mit den Vermögensgegenständen des AIF“ handeln, die nämlich als Bestandteil der kollektiven Vermögensverwaltung gelten. Darunter fallen gem. der Alternative Investment Fund Manager Directive (AIFMD) auch „Dienstleistungen in Verbindung mit der Verwaltung der AIF und der Unternehmen und anderer Vermögenswerte, in die die AIF investiert haben“.

Bei Immobilienfonds ist insb. das Facility Management und die Immobilienverwaltung erfasst. Im Falle von Private-Equitiy-Fonds sind die Beratung von Unternehmen über die Kapitalstruktur sowie Dienstleistungen im Zusammenhang mit Fusionen und dem Erwerb von Unternehmen von besonderer Bedeutung und allgemein als Bestandteil der kollektiven Vermögensverwaltung anerkannt.

Eine vergleichbare Interessenlage besteht für AIFM, die passive Orderstrategien umsetzen, etwa im Rahmen von Arbitragestrategien. Ihre Orders stehen im Wettbewerb mit den passiven Orders anderer Marktteilnehmer. Wäre es AIFM untersagt, sich als Dienstleister zur Quotierung zu verpflichten, könnten sie von vielen Rabattmodellen nicht profitieren und wären im Hinblick auf die von ihnen angebotenen Preise strukturell gegenüber anderen Marktteilnehmern im Nachteil. Gerade bei hochliquiden Wertpapieren kann die wirtschaftliche Umsetzung einer passiven Orderstrategie für AIFM schwierig bis unmöglich werden.

Daher stellt das Eingehen von Quotierungspflichten meines Erachtens eine für AIFM zulässige Dienstleistung im Rahmen seiner kollektiven Vermögensverwaltung dar. Final wird dies jedoch das BVerwG in dritter Instanz zu entscheiden haben.

Market-Making als aufsichtsrechtliche Dienstleistung

Eine weitere Rechtsfrage stellte sich dem VGH Kassel im Hinblick auf die aufsichtsrechtliche Wertpapierdienstleistung i.S.d. Market-Making-Definition (u.a. in § 2 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a WpIG). Es dürfte als anerkannt gelten, dass KVG keine Wertpapierdienstleistungen erbringen dürfen, sofern dies nicht ausdrücklich gesetzlich gestattet ist – das ist im Falle des Market-Makings nicht der Fall.

Während externe KVG grds. aus dem Tatbestand der Wertpapierdienstleistung Market-Making ausscheiden, weil sie nicht „für eigene Rechnung“ handeln, wenn sie für das Investmentvermögen handeln, verhält es sich bei der internen KVG grds. anders. Diese sind nämlich das Investmentvermögen selbst und handeln grds. für eigene Rechnung.

Der VGH Kassel berücksichtigte jedoch nicht, dass die klagende KVG für Rechnung eines Teilgesellschaftsvermögens (TGV) handelte. Meines Erachtens muss eine Würdigung der rechtlichen Besonderheiten von TGV und ein Vergleich mit Sondervermögen zwingend zu dem Schluss führen, dass die KVG nicht für eigene Rechnung handelt, wenn sie für Rechnung des TVG tätig wird. Auch dieser Punkt wird vom BVerwG in finaler Instanz zu entscheiden sein.

Fazit

Die vom VGH Kassel zu bewertenden Rechtsfragen sind komplex. Im Kern ging es jedoch darum, ob der klagende interne AIFM befugt ist, die „Tätigkeit als Market-Maker bzw. Designated Sponsor“ auszuüben.

Der letztendlich vom BVerwG zu bewertende Fall ist von hoher Relevanz für Asset Manager bzw. die Investmentindustrie. Denn an der rechtlichen Bewertung hängt die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sich zumindest AIFM Quotierungspflichten unterwerfen können, um von Rabattmodellen von Handelsplatzbetreibern zu profitieren. Würde das BVerwG im Ergebnis der beklagten BaFin Recht geben, würde es AIFM letztendlich die Wettbewerbsfähigkeit der Orders von AIFM untergraben und ihnen die Möglichkeit nehmen, schnelle passive Orderstrategien umzusetzen. Das wiederum wäre der Liquidität an den Märkten abträglich, deren Wahrung bzw. Förderung eigentlich ein gesetzgeberisches Ziel ist.

Eine ausführliche Entscheidungsbesprechung des Autors findet sich in BKR 2024, Seiten 601 ff.

Autor: Dr. Hendrik Müller-Lankow, Rechtsanwalt, LL. M. (UCL)

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