Versorger halten der Krise stand

Hagen Ernst, stellvertretender Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG, gibt in einem aktuellen Branchenausblick ein positives Fazit zu den Versorger-Werten in der Corona-Zeit. Sowohl als Aktien- als auch als Anleiheersatz könnten diese Titel vergleichsweise gut durch die sehr herausfordernde Zeit kommen.
20. April 2020
Hagen Ernst

Hagen Ernst, stellvertretender Leiter des Bereichs Research & Portfoliomanagement bei der DJE Kapital AG, gibt in einem aktuellen Branchenausblick ein positives Fazit zu den Versorger-Werten in der Corona-Zeit. Sowohl als Aktien- als auch als Anleiheersatz könnten diese Titel vergleichsweise gut durch die sehr herausfordernde Zeit kommen.

 

Angesichts der Ungewissheit, wie stark die weltweite Rezession ausfallen wird, eignen sich Versorger mit ihren relativ stabilen Gewinnen für die aktuell schwierige Börsenlage sowohl als Aktieninvestment als auch als Anleiheersatz. Grundsätzlich sollte die Branche insgesamt vom Trend zur Elektrifizierung profitieren: Trotz Energieeffizienzmaßnahmen wird die Stromnachfrage wegen der zunehmenden Verbreitung von E‑Autos, der Umstellung von Heizungen auf umweltfreundliche strombetriebene Wärmepumpen sowie dem Ausbau der Kapazitäten von Datenzentren weltweit stabil bleiben oder sogar leicht steigen. In den nächsten Monaten dürfte die Stromnachfrage allerdings erstmal sinken, da die Industrie als Stromabnehmer größtenteils wegfällt.

 

Regulierte Versorger auch in der Krise mit garantierten Gewinnen

 

Sollten die Folgen der Corona-Pandemie unterschätzt werden, wären besonders regulierte Versorger interessant. Denn regulierte Versorger bekommen eine fixe Vergütung auf ihr Kapital wie zum Beispiel Strom- oder Gasnetze oder Kraftwerke. Der Vorteil: Gewinne sind somit zu 100 Prozent garantiert. Allerdings können die Gewinne nur über eine Ausweitung der regulierten Kapitalbasis in Form von Wachstumsinvestitionen steigen. Das Gewinnwachstum ist also begrenzt, da Gewinne nur durch Investitionen in den Ausbau oder die Erneuerung von Netzen und Kraftwerken steigen können. Zudem richtet sich die erlaubte Vergütung auf das Kapital nach dem risikolosen Zinssatz. Für eine feste Regulierungsperiode – die in der Regel fünf Jahre beträgt – sind alle Parameter festgesetzt, danach erfolgt eine Anpassung. Aufgrund des weltweit niedrigen Zinsumfelds werden die erlaubten Renditen daher meist nach Ablauf der Regulierungsperiode nach unten angepasst.

 

Hongkong und USA mit attraktiven Investitionsgelegenheiten

 

Weltweit das sicherste Regulierungsumfeld hat Hongkong (HK). Zudem weisen HK-Versorgeraktien teils Dividendenrenditen von über vier Prozent aus. Vollständig reguliert ist beispielsweise der dort ansässige Versorger HK Electric. Eine Regu-lierungsperiode von 15 Jahren (aktuelle Restlaufzeit: 14 Jahre) bedeutet eine extrem hohe Planungssicherheit. Zudem ist HK Electric nur in Hongkong vertreten und besitzt kein Auslandsgeschäft. Der aktuelle Investitionsplan impliziert ein jährliches Gewinnwachstum von drei Prozent.

 

Regulierte Versorger aus den USA haben generell den Vorteil, dass sie weltweit noch das höchste Wachstum haben. Jahrelang ist nur wenig in die vorhandenen Netze investiert worden und daher gibt es hier hohen Investitionsbedarf. Dafür sind sie vergleichsweise teuer. Zudem ist das Regulierungsumfeld in einzelnen Bundesstaaten unsicher bzw. riskant, beispielsweise in Kalifornien durch die immer wieder aufkeimenden schweren Waldbrände mit hohen Entschädigungszahlungen. Als sehr sicher gilt das Regulierungsumfeld in Wisconsin. Dort  ansässig ist der Versorger WEC.

 

Europa: Wasserversorger aus UK gelten als besonders krisenresistent

 

Auch bei einer Rezession ist der Wasserverbrauch stabil, während sich die Stromnachfrage deutlich abschwächt, da Industriekunden deutlich weniger nachfragen. Seit dem Lockdown ist beispielsweise die Stromnachfrage in Italien um 43 Prozent, in Spanien und Frankreich um 18 Prozent sowie in Großbritannien um 11 Prozent zurückgegangen. In Deutschland stammen bei E.ON immerhin gut 80 Prozent des operativen Gewinns aus regulierten Strom- und Gasnetzen. Angesichts geplanter Synergien von 740 Millionen Euro durch den Zusammenschluss mit Innogy stellt E.ON für den Jahreszeitraum von 2020 bis 2022 ein jährliches EBIT-Wachstum von 7 bis 9 Prozent in Aussicht.

 

Aktueller Nachfragerückgang nur vorübergehend

 

Infolge der drohenden Rezession sind die Großhandelspreise bei Strom teils kräftig gefallen. In Deutschland ist der Großhandelspreis für Grundlast von 50€/MWh auf 35€/MWh eingebrochen – in Skandinavien von 35€/ MWh auf 20€/MWh. Zwar ist mit einem vorübergehenden, teils starken Rückgang der Stromnachfrage durch den Produktionsstopp stromintensiver Industrien – wie der Automobilbranche – oder energieintensiven Grundstoffindustrien – wie Stahl, Chemie und Zement – zu rechnen. Jedoch sollte langfristig eine zunehmende Elektrifizierung für eine stabile bzw. leicht steigende Nachfrage sorgen. Zudem werden in Deutschland durch den Ausstieg aus Kohle und Nuklear ein Großteil der verlässlichen Kraftwerke geschlossen. Daher dürfte das aktuell niedrige Strompreisniveau nicht nachhaltig sein.

 

Besonders werthaltig sind Wasserkraftwerke. Die Betriebsrisiken bzw. Ausfallzeiten sind vergleichsweise gering. Die Nutzungsdauer ist quasi unendlich. Zudem sind die Cash-Kosten in der Regel nicht höher als 10€/MWh, so dass auf dem aktuell niedrigen Strompreisniveau noch positive Margen erwirtschaftet werden können. Besonders großen Stromanteil aus Wasserkraft haben die drei Anbieter Verbund, Fortum und Uniper. Verbund mit einem Stromanteil aus Wasserkraft von nahezu 100 Prozent und zudem noch reguliertem Netzgeschäft, Fortum mit knapp 50 Prozent sowie dem Rest aus “CO2-sauberem” Nuklearstrom, und Uniper mit Wasserkraftwerken in Schweden mit 12TWh jährlicher Stromproduktion. Alle drei Stromerzeuger sind aufgrund der gesunkenen Strompreise stark gefallen: Fortum seit Jahresanfang ‑40%, Verbund ‑27% und Uniper ‑22%.

 

Erneuerbare Energien weisen weltweit den Weg

 

Wenngleich der Ausbau der Erneuerbaren Energien infolge weltweit gestiegener Staatsverschuldung etwas ins Stocken geraten könnte, wird zukünftig dieser Anteil am Strommix weiter steigen. Selbst in China findet ein Umdenken statt. Angesichts der schlechten Luftqualität will auch China unabhängiger vom Kohlestrom werden, dessen Anteil immer noch über 50 Prozent beträgt. Entsprechend forciert China den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Der Markt ist jedoch heimischen Anbietern wie Goldwind vorbehalten. Goldwind ist der führende Anbieter von Windkraftanlagen in China, der zudem auch Windparks selbst betreibt. Neben China sind jedoch auch die USA ein Wachstumsmarkt. Letztes Jahr fanden hier einige größere Auktionen statt, von denen unter anderem auch Orsted, der führende Betreiber von Offshore-Windanlagen aus Dänemark, einige gewinnen konnte. Interessant sind auch die Märkte in Südostasien. So gewann auch hier Orsted lukrative Projekte in Taiwan. Auch in Südkorea und Japan stehen größere Auktionen an. In Europa hingegen ist der Ausbau der Erneuerbaren Energien vergleichsweise weit fortgeschritten. Ausschreibungen für neue Windparks konzentrieren sich aktuell auf Offshore-Windprojekte in der Nord- und Ostsee. In Deutschland bremsen aktuell die Abstandsregelungen zu Häusern das Wachstum bei Onshore-Projekten. Es bleibt abzuwarten, inwiefern hier eine pragmatische Lösung gefunden werden kann. Denn Onshore-Projekte sind deutlich günstiger und werden benötigt, um alte Kohlekraftwerke zu ersetzen.

 

Windkraftanlagen haben zudem meist langfristig Lieferverträge mit festgeschriebenen Strompreisen und sind damit quasi reguliert. Bei RWE beispielsweise sind 70 Prozent der Windparks mit fester Vergütung. Allerdings bleibt abzuwarten, inwiefern es aufgrund der Corona-Krise weltweit zu einer Verlangsamung des Ausbaus von Erneuerbaren Energien kommt. In Europa kamen beispielsweise aufgrund gestiegener Strompreise erste Auktionen in den Niederlanden und Deutschland ohne Subventionen aus. Dies ist nun aber angesichts der stark gefallenen Strompreise – wie in Deutschland von über 50€/MWh auf 35€/MWh – nicht mehr der Fall. Die Erzeugungskosten von Windparks fallen zwar angesichts immer größerer Turbinen – der führende Anbieter Vestas verfügt sogar schon über Turbinen über 5MW –, jedoch liegen die Produktionskosten immer noch deutlich über 50€/MWh.

 

Ausbau Erneuerbarer Energien bedarf weiter hoher Subventionen

 

Angesichts weltweit steigender Staatsverschuldung könnte das zu einem Problem werden. Zudem konnten Betreiber in der Vergangenheit fertiggestellte Projekte zu extrem hohen Preisen an institutionelle Investoren oder Versicherungen verkaufen, da diese auf der Suche nach Rendite im Niedrigzinsumfeld immer geringere Verzinsungen in Kauf nahmen. In Zukunft wird man jedoch wieder höhere Renditen fordern. In Europa gibt es eine Reihe von Anbietern: Durch den Erwerb von E.ON Renewable zählt die Stromerzeugung aus Wind- und Solarkraft zum Kerngeschäft. Nach Enel und Iberdrola ist RWE mit einer installierten Kapazität von 8,7 Gigawatt (GW) mittlerweile der drittgrößte Anbieter. Bis zum Jahr 2022 soll die Kapazität auf 13 GW steigen. Der Kostenführer im Bereich Windparks auf hoher See, den sogenannten Offhore-Windparks, ist Orsted. Aktuell besitzt der dänische Betreiber mit 6,7 GW die meisten Offhore-Kapazitäten. Bis zum Jahr 2022 soll die Kapazität auf 9,8 GW ausgebaut werden. Zukünftig will das Unternehmen auch stärker bei Windkraftanlagen auf Land (Onshore) wachsen. Bis zum Jahr 2025 will man 5 GW an Onshore-Kapazitäten errichten, primär in den USA.

 

Fazit: Versorger mit Potenzial

Generell gelten Versorger in schwierigen Marktphasen aufgrund ihrer relativ stabilen Gewinne als sicherer Hafen. Trotz der aktuellen Nachfragerückgänge bietet der Sektor für Investoren interessante Anlagemöglichkeiten – sowohl als Aktieninvestment als auch als Anleiheersatz. Denn mittel- bis langfristig sollte die Branche insgesamt vom Trend zur Elektrifizierung profitieren. (ah)

Foto: Hagen Ernst — © DJE

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