Vermeidbare Energieverschwendung bei Immobilien

Energieverschwendung ist ein großes Thema. Auch und gerade bei sogenannten Smart Buildings funktioniert die Technik schon nach Fertigstellung in der Regel oft nicht. Diese Probleme werden meist nicht behoben, da sich viele Akteure mit den Kosten abgefunden haben bzw. das Problem gar nicht kennen. INTELLIGENT INVESTORS sprach hierzu mit Dr. Stefan Plesser, Wissenschaftler an der TU Darmstadt sowie Gründer und Geschäftsführer der synavision GmbH.
23. Juli 2021
Dr. Stefan Plesser - Foto: © info@ingasommer.de

Energieverschwendung ist ein großes Thema. Auch und gerade bei sogenannten Smart Buildings funktioniert die Technik schon nach Fertigstellung in der Regel oft nicht. Diese Probleme werden meist nicht behoben, da sich viele Akteure mit den Kosten abgefunden haben bzw. das Problem gar nicht kennen. INTELLIGENT INVESTORS sprach hierzu mit Dr. Stefan Plesser, Wissenschaftler an der TU Darmstadt sowie Gründer und Geschäftsführer der synavision GmbH.

INTELLIGENT INVESTORS: Wie gravierend ist das Problem der Energieverschwendung bei Immobilienportfolios?
Dr. Stefan Plesser: Tatsächlich sehen wir eine massive und gleichzeitig vermeidbare Energieverschwendung bei den meisten Immobilien und Portfolios, die wir untersuchen. Die Größenordnung bewegt sich dabei zwischen zehn und 30 Prozent zusätzlichem Energieverbrauch, verglichen mit der Situation, wenn die eigentlich vorgesehenen technischen Funktionen der Immobilien wie geplant laufen würden. Diese Energieverschwendung lässt sich vor allem bei neueren und vermeintlich „smarten“ Gebäuden sehr kostengünstig vermeiden, da sie grundsätzlich über die notwendigen Funktionen verfügen, die aber falsch installiert, fehlerhaft eingestellt oder schlecht gewartet werden. Deshalb ist dies auch kein Plädoyer gegen moderne Gebäudetechnik! Sie ist sowohl aus finanzieller Sicht als auch mit Blick auf den Klimaschutz und das Wohlbefinden der Nutzer sinnvoll, wenn sie angemessen eingesetzt und durch ein Qualitätsmanagement begleitet wird.

INTELLIGENT INVESTORS: Gibt es Länder, die diesbezüglich weniger verschwenderisch auftreten?
Dr. Plesser: Auch wenn es Unterschiede gibt, handelt es sich grundsätzlich um ein internationales Problem. Bei älteren Gebäuden liegen die Defizite eher in der grundsätzlichen Ineffizienz von Ventilatoren, Verglasung und fehlender Automatisierung. Das müssen wir mit Modernisierungen und Sanierungen lösen. Grundsätzlich tritt die Verschwendung aber vor allem Märkte mit modernen Gebäuden auf. Bei neueren Immobilen können die Defizite häufig viel einfacher, kostengünstiger und schneller durch digitale Analysen im Rahmen eines kontinuierlichen Technischen Monitorings und durch optimierte Betriebsführung behoben werden.

Deshalb haben wir in Deutschland vielleicht einen Vorteil: Wir haben gute Fachkräfte, welche die Gebäude betreuen können. Ein möglicher Nachteil: Diese Fachkräfte brauchen Unterstützung durch digitale Werkzeuge, um beider Vielzahl von Gebäuden und Anlagen effektiv arbeiten zu können. Da müssen wir schnell besser werden.

INTELLIGENT INVESTORS: Welche Lösungsansätze tun sich hervor?
Dr. Plesser: Technisch haben wir grundsätzlich alles, was wir brauchen. Aber in Bezug auf die Anwendung brauchen wir einen Baukulturwandel: Um die gestiegenen Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Gebäuden umsetzen zu können, müssen wir die guten Konzepte und Produkte mit viel besserer Qualität planen, errichten und betreiben. Zurzeit fehlt ein professionelles Qualitätsmanagement, das für ein Gebäude die funktionalen Anforderungen – den Sollzustand – festlegt und dann vor Abnahme dessen Erreichen prüft. Man kann moderne Technik nicht mit einer schnellen Sichtprüfung auf der Baustelle abnehmen. Jeder Bauherr oder Investor muss in die Lage versetzt werden, diese Anforderungen präzise zu definieren. Und er hat einen Anspruch darauf – auch und gerade bei komplexer Technik –, die Umsetzung auch nachvollziehbar prüfen zu können. Und genau das leistet das Technische Monitoring.

INTELLIGENT INVESTORS: Wie gehen Sie bei der Analyse vor? Beispiele
Dr. Plesser: Bei Baumaßnahmen, also sowohl Neubauten als auch Sanierungen, erstellen wir bereits in der Planungsphase einen digitalen Zwilling des Gebäudes. Dabei spezifizieren wir, wie die Immobilie funktionieren soll und wie später geprüft wird, ob die funktionalen Anforderungen auch erfüllt werden.

Vor der Abnahme des Objekts prüfen wir dann anhand von Betriebsdaten der technischen Anlagen, ob alle zuvor vereinbarten technischen Funktionen wie gewünscht laufen.

Aber auch bei Bestandsgebäuden ist eine solche Qualitätsprüfung möglich, sofern die Gebäude die entsprechenden Daten liefern. In der Regel trifft das auf alle Gebäude zu, die in den vergangenen zehn Jahren entstanden sind. Diese Bestandsprüfung kann mit äußerst geringem Aufwand durchgeführt werden und ist für alle Gebäudetypen möglich – von der Kita bis zum Flughafen. Und sie ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch wirtschaftlich attraktiv: Finanziell rentiert es sich in weniger als einem Jahr.

INTELLIGENT INVESTORS: Müsste auch die Regulatorik aktiv werden, um diesem Problem beizukommen?
Dr. Plesser: Wichtig ist, dass die Regulatorik die richtigen Schwerpunkte setzt. Es kann nicht um noch mehr Dämmung oder nach der 3‑fach- jetzt um die 4‑fach-Verglasung gehen. Nach rund 30 Jahren intensiver Forschung und Entwicklung, einschließlich zahlreicher Demonstrationsprojekte, wissen wir mittlerweile ziemlich genau, wie gute Gebäude gebaut müssen.

Die Regulatorik sollte jetzt dafür sorgen, dass diese Lösungen auch in der Breite angewendet werden. Die finanzielle Unterstützung der BEG (Bundesförderung für effiziente Gebäude) geht in die richtige Richtung, die geförderten Standards sind in Ordnung. Auf Seiten der Bauherren und Investoren muss jetzt das Bewusstsein geschaffen werden, dass für nachhaltige Gebäude keine Experimente mehr notwendig sind, sondern erprobte Lösungen angewendet werden können. Und diese müssen schnell und mit hoher Qualität umgesetzt werden.

Die EU-Taxonomie-Verordnung hat dazu nach meiner Wahrnehmung schon einiges bewirkt: So mancher Investor und Eigentümer wurde wachgerüttelt und sucht konkret nach geeigneten Konzepten für sein Portfolio. Mein Tipp: Erprobte Lösungen zügig auf geeignete Objekte anwenden. Da ist in vielen Fällen die Betriebsoptimierung oder die gezielte Modernisierung einzelner Komponenten die beste Lösung. So verschafft man sich einen Vorsprung auf dem Klimapfad bis 2045 und hat wirtschaftlichen Spielraum für strategische Entwicklungen. (ah)

Dr. Stefan Plesser — Foto: © info@ingasommer.de

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