Unternehmensnachfolge — Große Belastungen durch Pflichtteilsansprüche vermeiden

Aufgrund der stark steigenden Vermögenswerte wachsen in Deutschland Anforderungen an eine tragfähige, generationenübergreifende Gestaltung der Vermögens- und Unternehmensnachfolge. Dabei spielt die Frage nach dem gesetzlichen Pflichtteil eine wesentliche Rolle. Diese durchaus teuren Risiken lassen sich durch eine sinnvolle Planung stark begrenzen.
22. Oktober 2020
Dr. Christopher Riedel

Aufgrund der stark steigenden Vermögenswerte wachsen in Deutschland Anforderungen an eine tragfähige, generationenübergreifende Gestaltung der Vermögens- und Unternehmensnachfolge. Dabei spielt die Frage nach dem gesetzlichen Pflichtteil eine wesentliche Rolle. Diese durchaus teuren Risiken lassen sich durch eine sinnvolle Planung stark begrenzen.

Pandemie, Jahrhundertrezession, Lockdown, Börsencrash. Das Jahr 2020 wird mit vielen Negativrekorden in die Geschichte eingehen. Doch nach Daten des Versicherungskonzerns Allianz zur Vermögensbildung in 57 Ländern werden die privaten Vermögen in diesem Jahr weltweit wohl um 3,3 Prozent auf mehr als 198 Billionen Euro steigen. Im ersten Halbjahr legten die privaten Vermögen bereits auf 194,6 Billionen Euro zu. Das gilt auch in Deutschland. Insgesamt stiegen die Vermögen der deutschen Privathaushalte im ersten Halbjahr um 1,3 Prozent und sollten laut Allianz im Gesamtjahr um 2,7 Prozent auf 6,8 Billionen Euro zunehmen. Im vergangenen Jahr stieg das Brutto-Geldvermögen der privaten Haushalte um 7,2 Prozent auf knapp 6,7 Billionen Euro. Das war ebenfalls bereits ein Rekordwert. Zum Ende des Jahres 2018 belief sich zusätzlich das in Wohnbauten investierte Vermögen der privaten Haushalte in Deutschland auf eine Summe von rund 4,7 Billionen Euro. Dazu kommen unternehmerische Werte: Allein familienkontrollierte Unternehmen (das sind 90 Prozent aller deutschen Unternehmen) wiesen 2017 einen Umsatz von 2,8 Billion Euro, heißt es dazu bei der anerkannten Stiftung Familienunternehmen.

Dadurch steigen in Deutschland die Anforderungen an eine tragfähige, generationenübergreifende Gestaltung der Vermögensnachfolge. Aktuellen Studien zufolge sollen in den Jahren bis 2027 jeweils 87 Milliarden Euro pro Jahr vererbt werden. Und jede fünfte Erbschaft in Deutschland hat einen Wert von mehr als einer Viertelmillion Euro. Es stehen also riesige Summen im Raum, sodass Erbschaften und Schenkungen entsprechend professionell und zukunftsweisend strukturiert und gestaltet werden müssen.

Pflichtteil besteht grundsätzlich in einem Geldbetrag

Eine wiederkehrende Frage ist die nach dem gesetzlichen Pflichtteil. Dieser ist ein wichtiger Bestandteil des Erbrechts. Zwar ist das deutsche Zivilrecht vom Prinzip der Privatautonomie geprägt, die sich auch in der Testierfreiheit widerspiegelt. Jeder Erblasser kann also in seinem Testament grundsätzlich eigene, von der gesetzlichen Erbfolge abweichende, Regelungen treffen. Dabei kann er auch seine nächsten Angehörigen enterben, diese also vom Erbe ausschließen. Das bedeutet aber nicht, dass diese dann wirklich ‚enterbt‘ sind und sie keinerlei Ansprüche mehr gegen den Erben stellen können. Sie können nach §§ 2303ff. BGB Pflichtteilsansprüche geltend machen.

Der Pflichtteil besteht grundsätzlich in einem Geldbetrag in Höhe der Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils. Damit hängt er vor allem davon ab, wie viele Erben es gibt. Ein Beispiel: Hat ein verwitweter Erblasser zwei Kinder, steht ihnen nach der gesetzlichen Erbquote jeweils 50 Prozent des Nachlasses zu. Der Pflichtteil beläuft sich in diesem Fall also auf 25 Prozent, nämlich die Hälfte der Hälfte. Etwas anders verhält sich die Konstellation, wenn der Erblasser einen Ehepartner und drei Kinder hat, von denen eines nicht bedacht werden soll. Dann wäre es – Zugewinngemeinschaft als Güterstand unterstellt – die Hälfte der gesetzlichen Erbquote von 16,66 Prozent, also rund 8,33 Prozent. Wichtig: Der Pflichtteil ist grundsätzlich ein Baranspruch und unverzüglich zu begleichen. Das bedeutet also, dass der übergangene Erbe gegenüber dem oder den Erben den Anspruch direkt nach dem Erbfall geltend machen kann.

Bei Unternehmensnachfolge drohen hohe Pflichtteilsansprüche

Eine besondere, erhebliche Tragweite erhält der gesetzliche Pflichtteil, sobald ein Unternehmen zur Vermögensmasse gehört, aber beispielsweise nur ein Kind die Verantwortung dafür übernehmen soll. Denn durch die durchaus teilweise hohen Vermögenswerte fällt natürlich durch das Pflichtteilsrecht ein ordentlicher Anspruch an. Wieder ein Beispiel dafür: Will der verwitwete Unternehmer eines der beiden Kinder aus der gesetzlichen Erbfolge bei der Unternehmensnachfolge ausschließen und Gesellschaftsanteile im Wert von zehn Millionen Euro eben nur an eines der Kinder weitergegeben, resultiert daraus zunächst, wenn es keine alternativen Regelungen gibt, ein Anspruch von 2,5 Millionen Euro, also die Hälfte des eigentlichen Erbteils von fünf Millionen Euro.

Das bedeutet: Im Rahmen der Unternehmensübertragung kann es also bei einer Pflichtteilsberechtigung zu einer hohen Belastung kommen, die der Erbe tragen muss – aber woher soll der Erbe diesen Baranspruch nehmen? Das geht oftmals nur durch den Verkauf anderer Vermögenswerte wie einer Immobilie oder sogar Unternehmensanteilen. Dieses Risiko sollten Vermögensinhaber durch eine zukunftsorientierte Gestaltung umgehen. Sie brauchen eine Strategie dafür, die rechtlich und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist.

Abfindungen gegen Verzicht für Übertragung ohne Streitigkeiten

Eine gängige Lösung ist die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts gegen Abfindung. Dies kann langfristig betrachtet äußerst sinnvoll sein, um die späteren Pflichtteilsansprüche eines Abkömmlings gegen die Erbmasse frühzeitig auszuschließen beziehungsweise abzufinden. Gerade über die lebzeitigen Abfindungen gegen Verzicht kann viel gesteuert werden, um eine Ertragsquelle an den gewünschten Nachfolger ohne Streitigkeiten zu übertragen. Die übrigen Abkömmlinge werden ja dennoch aus dem Vermögen begünstigt, erhalten aber eben keinerlei Zugriff aufs Gesellschaftsvermögen. Das kann insbesondere dann günstig sein, wenn die Familienstämme bei Mehrgenerationenunternehmen wachsen und in der dritten oder vierten Generation die Anteile dann beispielsweise ein Dutzend oder mehr Erben übergehen würden.

Eine andere Lösung kann beispielsweise darin bestehen, andere Werte als das Unternehmensvermögen an alle Erben zu verteilen – in Kombination mit einem partiellen Pflichtteilsverzicht lassen sich so spätere Ansprüche ausschließen. Grundstücke und Immobilien beispielsweise lassen sich gut vom unternehmerischen Vermögen trennen und auf die Erben übertragen. So partizipieren alle von der Erbmasse, das vermeidet Streitigkeiten.

Gastkommentar von Dr. Christopher Riedel, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater in Düsseldorf.

Dr. Christopher Riedel — Foto: © Dr. Christopher Riedel

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