Unter der Oberfläche

Ein halbes Quartal vor dem Ende des ersten Halbjahrs 2023 liegen die Ergebnisse vor, und die Nerven der Anleger könnten sich langsam beruhigen. In der vergangenen Woche wurde es immer wahrscheinlicher, dass der US-Leitzins sein Zielniveau bei 5,00 %-5,25 % erreicht hat. Die US-Inflationsdaten vom April liefern der Fed Argumente dafür, bei der nächsten FOMC-Sitzung am 14. Juni zu pausieren. Interessanterweise werden die nächsten US-Inflationsdaten für Mai bereits einen Tag vorher veröffentlicht, am 13. Juni. Auch wenn die US-Gesamtinflation von 5 % gegenüber der Kerninflation von 5,5 % im Jahresvergleich immer noch für Unbehagen sorgen dürfte, ist die annualisierte 3-Monats-Inflationsrate nach einem monatlichen Anstieg von 0,4 % von 4,07 % auf 3,66 % gesunken. Es ist zu erwarten, dass sich die Inflation im Wohnungsbau langsam abkühlt und die US-Inflationswerte zum Jahresende bei 3,00 % liegen werden.
16. Mai 2023
Peter de Coensel, CEO DPAM / Foto: © DPAM

Der fiskalische Wettbewerb zwischen der EU und den USA, veranschaulicht durch die Auseinandersetzung um den Green Deal Industrial Plan der EU und das Inflationsbekämpfungsgesetz der USA, könnte die Kreditrisikobewertung beider Seiten beeinträchtigen. In der Folge könnten die Aussichten für die Märkte der Industrieländer (DM) gegenüber den auf den Märkten der Schwellenländer festgestellten Chancen verblassen. Die Abhängigkeit der DM von den asiatischen Märkten für Halbleiter, Rohstoffe und Batterien ist erheblich. Die Abhängigkeit der EU von Energielieferungen aus den USA und dem Nahen Osten hat stark zugenommen, da die russischen Importe auslaufen. Der Protektionismus nimmt zu. Protektionismus lässt sich nicht mit freiem Waren- und Dienstleistungsverkehr und daraus resultierender Desinflation vereinbaren. Die Schwellenländer könnten zahlreiche Chancen haben, wenn ihre Institutionen und Unternehmen sich entfalten dürfen. Politische Stabilität und eine verlässliche (lokale) Rechtsstaatlichkeit sind wichtige Voraussetzungen dafür. Anleger sollten Untersuchungen über die Auswirkungen einer höheren Gewichtung von handverlesenen Staatsanleihen, Kreditanleihen und Aktien aus Schwellenländern viel mehr Aufmerksamkeit (und Mut) entgegenbringen.

Eine zweite, unterschwellige Strömung, die an Stärke gewinnen könnte, ist der Niedergang der Hegemonie des US-Dollar als wichtigste globale Reserve- und Handelswährung. Der Anteil des USD an den gesamten globalen Reserven ist real von etwa 66 % vor zwanzig Jahren auf 55 % im Jahr 2021 und 47 % Ende 2022 gesunken. Die von den USA verhängten Sanktionen infolge des Russland-Ukraine-Krieges haben viele ausländische Zentralbanken dazu veranlasst, USD-basierte Vermögenswerte abzustoßen. Das gilt besonders für den Verkauf liquider US-Staatsanleihen. Und nein, andere Reservewährungen (Euro, Yen oder Yuan) haben von diesem Umstand nicht profitiert. Der große Gewinner war Gold. Auch wenn der USD nach wie vor die wichtigste Transaktionswährung ist, schwindet seine Vormachtstellung. Diese hatte er als durch Vermögenswerte gedeckte Weltwährung erlangt, bis Nixon 1973 den Goldstandard aufgab. Obwohl der USD zu einer Währung ohne Deckung wurde, die durch die Glaubwürdigkeit der US-Zentralbank gestützt wurde, blieb seine Vorherrschaft bestehen. Eine Reihe von Initiativen auf der Ebene der BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika), vergleichbar mit den G7, könnten jedoch zur Bildung einer neuen, rohstoffgestützten Währung führen. Anfang dieses Jahres haben sich China und Brasilien darauf geeinigt, den USD bei der Abwicklung bestimmter Handelsströme zu ersetzen. Auch Indien hat Ländern, die mit einem Mangel an USD-Liquidität konfrontiert sind, angeboten, sich für die Abrechnung in Rupien zu entscheiden. Hier tut sich einiges.

Über die Notwendigkeit für Unternehmen und Regierungen, ihre Strategien und die Ausrichtung der öffentlichen Politik zu ändern, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und sich an sie anzupassen, haben wir an dieser Stelle bereits nachgedacht. Die Beschaffung von sauberer Energie als wichtigstem Inputfaktor wird sich zu einem entscheidenden komparativen Vorteil in allen Branchen entwickeln, einschließlich der Rohstoff- und Materialsektoren. Grüne Rohstoffe, die mit sauberen und umweltneutralen Methoden hergestellt werden, werden zum Mainstream. Die Transportbranche beschleunigt ihren Wandel. Unternehmen, die ihre Vermögensportfolios aktiv mit einem Zeithorizont von 10 bis 20 Jahren managen, werden sich abheben. Auch im Finanzsektor wird es zu Umwälzungen kommen. Analysten werden die Akteure des Finanzsektors – von Banken über Versicherungen bis hin zu FinTech-Unternehmen – genau unter die Lupe nehmen. Investiert wird dann in diejenigen, die die nächste Generation von Dienstleistungsmodellen vorbereiten und aufbauen, welche sich durch sofortige, zuverlässige und kundenfreundliche Erfahrungen hervortun.

In Kombination bilden die Ereignisse oberhalb der Oberfläche mit den Strömungen unterhalb der Oberfläche keine einfach zu lösende Gleichung. Wenn man das Trio der oben genannten Unterströmungen mit den Bewertungen der Währungs‑, Zins‑, Kredit- und Aktienmärkte vergleicht, kann man zu überraschenden Schlussfolgerungen gelangen. Es ist an der Zeit, über neue Paradigmen für die Asset-Allokation nachzudenken und diese möglicherweise zu testen. Gutes Gelingen!

Kommentar von Peter De Coensel,
CEO von DPAM

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