Der Begriff Nachhaltigkeit wird oft und vielfältig verwendet. Das macht es in der praktischen Umsetzung nicht unbedingt einfacher. Ein Fokus in der Analyse liegt auf jenen Unternehmen, die sich auf der Transformationsreise befinden. II-Chefredakteur Alexander Heftrich sprach im Doppel-Interview zu den Themen Nachhaltigkeit und Dividenden mit Dr. Robin Braun, Head of Group Sustainability des LAIQON Konzerns und Axel Brosey, Senior Fund Manager des LF — Green Dividend World.
INTELLIGENT INVESTORS: Herr Dr. Braun, der Höhenflug des nachhaltigen Investierens hat sich gelegt. Dennoch setzen institutionelle Investoren hierzulande, unter veränderten Vorzeichen, weiter auf Nachhaltigkeit. Folglich doch kein Schönwetter-Thema?
Dr. Robin Braun: Absolut nicht. Für mein Empfinden ist das nachhaltige Investieren keineswegs ein temporäres Modethema oder ein Trend, der sich verflüchtigt. Vielmehr ist es ein übergeordnetes strategisches Thema, das Einzug in die Investmentwelt gehalten hat und sich verfestigt. Wenn überhaupt dann ist es eher ein „bleibender Megatrend“. Der Grund, warum das überhaupt so kontrovers diskutiert wird, insbesondere bei Kleinanlegern oder sogenannten Retailanlegern, ist, dass jeder ein subjektives Verständnis von Nachhaltigkeit hat. Für jeden bedeutet Nachhaltigkeit etwas anderes. Und das ist, glaube ich, bei den institutionellen Investoren deutlich einheitlicher und homogener. Für viele professionelle Anleger ist Nachhaltigkeit inzwischen fester Bestandteil ihrer Kapitalanlage. Sie haben über Jahre praktische Erfahrungen damit gesammelt.
II: Sie hatten es bereits erwähnt. Institutionelle sind, im Umgang mit Nachhaltigkeit, erfahrener. Konzentriert sich dabei alles auf das Thema Klima bzw. Klimaneutralität?
Dr. Braun: Das ist ein guter Punkt. In der Vergangenheit war es so, dass bei vielen institutionellen Investoren, insbesondere Kirchen und Versorgungswerken, ethisch-moralische Kriterien prägend für das Nachhaltigkeitsverständnis waren. Das hat sich gewandelt. Seit einigen Jahren ist der Fokus auf Themen wie CO2-Emissionen, Dekarbonisierungsstrategien oder sogar Netto Null gelenkt worden. Sicherlich spielt auch dabei das gesellschaftliche Umfeld, Stichwort Klimadebatte, eine zunehmend größere Rolle. So zählt beispielsweise der CO2-Fußabdruck von Unternehmen zu den zentralen Kenngrößen, wenn es darum geht, potenzielle finanzielle Transformationsrisiken von Unternehmen in Richtung einer klimaneutralen Zukunft zu erfassen. Trivial ist die CO2-Messung keineswegs, die Daten sind noch vielfältiger oder komplexer. Sie ist vielmehr, nach unserer Meinung, eine Art Königsdisziplin, damit man sich nicht nur ausschließlich auf Vergangenheitsdaten konzentrieren muss. Daraus valide Schlüsse für die Zukunft und die Transformation abzuleiten ist das Entscheidende.
II: Da möchte ich kurz einhaken. Transformation ist ein großes, abstraktes Wort. Sie gelingt oftmals nur in kleinen Schritten.
Dr. Braun: Ja, Veränderung und der damit einhergehende Wille benötigen Zeit. Für uns ist es aber die entscheidende Stellschraube. Ich glaube, die meisten Unternehmen haben mittlerweile verstanden, dass wir mit dem Status quo nicht weitermachen können. Daran anknüpfend stellen sich viele Fragen: Wie werden sich diese Firmen in Zukunft entwickeln können? Wie sieht beispielsweise deren Klimastrategie aus? Wie hoch wird auch der Druck von außen sein, sich transformieren zu müssen? Und letztlich auch, an dieser Stelle ist mein Kollege Herr Brosey gefragt, geht es um die Kosten der einzuleitenden Transformation. Das alles gilt es hinlänglich zu beantworten. Hier sind wir natürlich auf die Hilfe von Datenanbietern und Berichterstattung der Unternehmen angewiesen, da es um regelrechten Wust an Datenmaterial geht. Demzufolge wird es künftig nicht einfacher, sondern eher schwerer, verlässliche, eindeutige Aussagen zu treffen. Diese vorwärts gerichtete Perspektive ist aber für das Nachhaltigkeitsverständnis unverzichtbar.
II: Herr Brosey, Transformation in Unternehmen. Da sind Sie als Portfoliomanager nahe dran. Auf was kommt es für Unternehmen nach Ihrer Meinung nach an?
Axel Brosey: Ein ganzheitliches Verständnis der Transformation von Geschäftsmodellen und Produkten ist für Unternehmen elementar, um den Markt nachhaltig zu verändern und wettbewerbsfähig zu bleiben. Das kann beispielsweise die Umstellung ganzer Produktionsprozesse beinhalten. Nachhaltigkeit ist eben kein reines Fachthema mehr, welches nur in einer Abteilung bearbeitet wird, sondern erstreckt sich über das gesamte Unternehmen. Das gilt es zu verinnerlichen. Sodann den Übergangsprozess als echte Chance zu begreifen, um neuen Umsatz zu generieren, Kosten zu senken und Erfolge neu bewerten und messbar zu machen.
II: Ich komme nochmal auf das Generelle zu sprechen – den ESG-Dreiklang. Das „S“ in ESG führt ein Nischendasein. Täuscht der Eindruck?
Dr. Braun: Die soziale Komponente ist schwerer zu fassen und zu messen. Natürlich lassen sich auf den ersten Blick viele Unternehmen ausschließen oder diejenigen mit erheblichen Risiken identifizieren. Aber wirklich jene „Perlen“ zu finden, die einen positiven sozialen Beitrag in ihrem Hauptgeschäft leisten, ist schon schwieriger. Da trennt sich dann auch ein bisschen die Spreu vom Weizen. Bis dato habe ich noch nicht so eine Fülle an Produkten am Markt erkennen können, die diesbezüglich positiv hervorstechen. Das wäre für uns ein Fokusthema auch die nächsten Jahre. Bis dato lag der Schwerpunkt in meinen Augen überproportional auf dem Umweltfaktor.
II: Wo sehen Sie besondere Herausforderungen bei der Transformation von Unternehmen?
Dr. Braun: Nachhaltigkeitsentscheidungen dürfen niemals isoliert betrachtet und getroffen werden. Vielmehr sind sie in die umfassende Unternehmensstrategie eingebettet. Im negativen Fall wäre es bloße Augenwischerei und würde als solche von den Stakeholdern erkannt.
II: Ist denn Transformation mit „Verzicht“ gleichzusetzen?
Brosey: Transformation beschreibt den Wandel zum Besseren und Verzicht ist Teil dieses Wandels, wobei ich an dieser Stelle lieber das Wort „Substitut“ verwenden würde. Um die CO2-Emissionen signifikant zu verringern, also die Dekarbonisierung voranzutreiben bedeutet das beispielsweise: Rohstahl soll weitgehend emissionsfrei mittels grünem Strom und grünem Wasserstoff produziert werden statt des vormals CO2-intensiven Wegs, wie Kohle und Gas Auch der Stromverbrauch von Rechenzentren wird mittlerweile überwiegend mit Strom aus erneuerbaren Energien gedeckt. Insofern substituieren die erneuerbaren Energieträger die herkömmlichen, CO2-intensiven Methoden.
II: Bevor wir auf den Dividendenfonds eingehen, abschließende Frage an Sie, Herr Dr. Braun, hinsichtlich Ihrer Nachhaltigkeitsstrategie und den zukünftigen Plänen. Wo steht LAIQON diesbezüglich aktuell?
Dr. Braun: Nachhaltigkeit ist ein integraler Bestandteil unserer Gesamtstrategie als Firma. Wir sind Überzeugungstäter. Das hat mich im Übrigen beim Antritt meiner Position als Head of Group Sustainability im Besonderen gereizt. Hinzu kommt, dass der LAIQON Konzern ein vergleichsweise kleines Finanzhaus ist, wo man doch deutlich mehr bewegen kann. Viele Ziele, die wir uns vorgenommen haben, sind mittlerweile operativ auf den Weg gebracht oder bereits erreicht worden. Ich erwähne nur exemplarisch, dass wir im vergangenen Jahr die Fondspalette bereits bestmöglich nach Art. 8/9 der Offenlegungsverordnung ausgerichtet haben. Ich habe einen sehr guten Blick darauf, was sich alles in unseren Beständen, in unseren Portfolios befindet. Darunter ist derzeit nichts, was mir übermäßige Sorgen bereiten würde. Und wenn doch hätten wir entsprechende Prozesse etabliert, um dies kritisch zu beleuchten. Gleichzeitig geht die Nachhaltigkeitsreise unter dem Motto „bestmögliche Transparenz zu schaffen“, unentwegt weiter.
II: Herr Brosey, Sie managen den LF — Green Dividend World (Artikel 9). Dividenden sind ein beliebtes Thema. Wie fällt Ihr Fazit zur abgelaufenen Berichtssaison aus?
Brosey: Das erste Quartal 2024 ist aus Sicht des LF — Green Dividend World sehr gut gelaufen. Es war nahezu eines der besten Quartale in der viereinhalbjährigen Geschichte seit Auflage. Der Fonds hat ein großes Exposure in Technologiewerte, die in den vergangenen Monaten insbesondere aufgrund des Themas Künstliche Intelligenz sehr stark angezogen haben. Das spiegelt sich auch in der Performance wider. Generell ist 2024 ein gutes Jahr für Dividenden, in dem viele Unternehmen, ob europäischer oder US-amerikanischer Herkunft, ihren Aktionären ordentliche Ausschüttungen zahlen.
II: Dividende ist nicht gleich Dividende. Stichwort Dividenden-Falle.
Brosey: Absolut. Man muss selektiv vorgehen und genau hinschauen. Die Suche nach den renditestärksten Unternehmen kann mitunter in Problembereiche und Dividendenfallen führen. Unternehmen können eine attraktive Rendite aufweisen, die jedoch letztlich nicht finanziell untermauert ist. Deshalb ist für uns nicht die absolute Höhe, sondern die Qualität das entscheidende Auswahlkriterium.
II: Reine Dividendenfonds gibt es viele. Können Sie uns die Investmentphilosophie des LF — Green Dividend World etwas erläutern?
Brosey: Gerne. Wir sind der festen Überzeugung, dass unser Fonds in der Branche einmalig ist und auf besondere Weise Nachhaltigkeit und Aktieninvestments miteinander verbindet. Der Fonds investiert in fundamental ausgewählte, dividendenstarke Unternehmen weltweit. Neben einigen Ausschlüssen (sektoraler und normativer Art) schauen wir besonders auf die Geschäftsmodelle und die zugrundeliegenden Wachstumsperspektiven des jeweiligen Unternehmens. Wir verfolgen einen langfristigen Investmentansatz, d.h. das nachhaltige Qualitätskriterium muss überzeugen und sich in den Finanzkennzahlen widerspiegeln. Oftmals sind die Portfoliounternehmen in einer sehr starken Wettbewerbsposition und können demzufolge auch eine attraktive Dividende zahlen. Regional gibt es keine Einschränkungen. Titel aus den Bereichen Technologie, Gesundheit, Industrie und Basiskonsum machen den Großteil im Fonds aus; oftmals sitzen die Unternehmen in den USA, Großbritannien aber auch Skandinavien. Generell streben wir eine Dividendenrendite von rund 3 % an.
II: Wir sprechen von einem Artikel 9‑Fonds. Das Spezielle ist die Verbindung von Dividenden und Nachhaltigkeit/Impact Investing.
Brosey: Ja, bei Fondsauflage ging es darum, zwei Welten idealerweise miteinander zu verbinden. Und das gelingt eben über den Transformationsbezug. Nicht der Blick in den Rückspielgel ist entscheidend, sondern die Perspektiven der Unternehmen. Wie entwickelt sich beispielsweise das Geschäftsmodell unter Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Zukunft? In der Summe wandern jene Titel ins Portfolio, die einen veritablen Beitrag insbesondere bezüglich der Dekarbonisierung leisten können. Denken Sie an Enabler oder klassische Transformationsunternehmen Die einen starken Beitrag zu den UN SDGs leisten können.
II: Abschließend – wird Nachhaltigkeit als Megatrend wieder Fahrt aufnehmen?
Brosey: Davon sind wir alle überzeugt. Unternehmen mit einer ganzheitlichen Nachhaltigkeits-Strategie können nicht nur Risiken minimieren, sondern auch neue Potenziale nutzen, ihre Resilienz gegenüber volatilen Marktbedingungen stärken und eine nachhaltige Zukunft aktiv mitgestalten.