Die globale Handelsfinanzierung steht vor beispiellosen Herausforderungen und Chancen. Mit einem weltweiten Handelsvolumen von 24 Bio. US-Dollar im Jahr 2023 und einer Finanzierungslücke von 2,5 Bio. US-Dollar eröffnen sich für institutionelle Investoren attraktive Möglichkeiten in einem Markt, der sich durch geringe Korrelation zu traditionellen Anlageklassen auszeichnet.
Gerade in Zeiten geopolitischer Spannungen und wirtschaftlicher Unsicherheiten gewinnt Trade Finance als spezialisierte Form der Handelsfinanzierung weiter an Bedeutung. Die aktuellen Entwicklungen von Handelskonflikten über gestörte Lieferketten bis hin zu geopolitischen Verwerfungen machen die Transaktionen zwar komplexer, führen aber auch zu höheren Risikoprämien. Denn Unternehmen müssen ihre Handelsrisiken stärker absichern und sind bereit, dafür höhere Prämien zu zahlen.
Was ist Trade Finance? – Grundlegendes Verständnis
Trade Finance zählt zu den ältesten Formen institutionalisierter Kredite – die Wurzeln reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück. Das Grundprinzip ist überzeugend einfach: Die Kredite sind „selbstliquidierend“, das heißt, sie werden aus den Erlösen der Handelsgeschäfte zurückgezahlt. Die Verzinsung erfolgt variabel als Aufschlag auf die Secured Overnight Financing Rate (SOFR). Typischerweise liegt dieser Aufschlag zwischen 250 und 400 Basispunkten.
Besonders relevant ist Trade Finance für den Handel mit Schwellen- und Entwicklungsländern. Hier ergeben sich oft Situationen, in denen Exporteure sofortige Zahlungen benötigen, während Importeure längere Zahlungsziele wünschen. Die klassischen Geschäftsbanken können diese Lücke aufgrund verschärfter Eigenkapitalanforderungen und komplexer Regulierung häufig nicht mehr vollständig schließen. Asset Manager wie Federated Hermes haben diese Nische erkannt und bieten institutionellen Investoren Zugang zu diesem Marktsegment.
Aktuelle Marktentwicklung und Chancen
Der globale Handel zeigt sich trotz multipler Krisen erstaunlich widerstandsfähig. Das Handelsvolumen ist seit 2019 um 6,3 % auf 24 Bio. US-Dollar gestiegen. Besonders dynamisch entwickelt sich der Süd-Süd-Handel zwischen Entwicklungsländern, der bis 2030 voraussichtlich 40 % des globalen Handelsvolumens ausmachen wird. Dies eröffnet neue Chancen für Trade Finance.
Gleichzeitig wächst die Finanzierungslücke: Laut Asian Development Bank erreichte sie 2022 ein Volumen von 2,5 Bio. US-Dollar – ein Anstieg um 47 % innerhalb von nur zwei Jahren. Diese Lücke entsteht vor allem durch verschärfte Eigenkapitalanforderungen und komplexere Regulierung der Banken, die sich zunehmend aus der Handelsfinanzierung zurückziehen.
Für institutionelle Investoren bietet Trade Finance mehrere überzeugende Vorteile: Die Risikoprämien liegen typischerweise zwischen 250 und 400 Basispunkten über der Secured Overnight Financing Rate (SOFR). Die variable Verzinsung bietet einen natürlichen Inflationsschutz. Mit durchschnittlichen Kreditlaufzeiten von 24 Monaten ist das Zinsänderungsrisiko begrenzt. Historisch weist die Anlageklasse niedrige Ausfallraten – laut der Weltbank bei einem Prozent – und hohe Recovery-Rates auf.
Strukturierung und Risikomanagement
Trade-Finance-Transaktionen zeichnen sich durch eine besonders robuste Strukturierung aus. Die Finanzierung ist streng transaktionsbezogen und durch die finanzierten Waren, Rechte an diesen und die zugrunde liegenden Verträge besichert. Asset Manager wie Federated Hermes setzen dabei auf mehrere Absicherungsebenen:
Die erste Ebene bildet die Kontrolle der Warenströme durch unabhängige Agenten. Diese überwachen die physische Bewegung der Waren und stellen sicher, dass die vereinbarten Qualitäts- und Quantitätsstandards eingehalten werden. Die zweite Ebene umfasst die Separierung der Zahlungsströme über Treuhandkonten. Dadurch wird gewährleistet, dass die Erlöse aus dem Verkauf der finanzierten Waren direkt zur Tilgung der Kredite verwendet werden. Als dritte Ebene dient die Einbindung von Export-Kreditversicherungen, die zusätzlichen Schutz vor Ausfallrisiken bieten.
Die Integration von ESG-Kriterien gewinnt zunehmend an Bedeutung. Asset Manager müssen die Umwelt‑, Sozial- und Governance-Risiken durch intensive Due Diligence und aktives Monitoring steuern. Dies gilt besonders für Schwellenländer, wo die ESG-Standards oft noch nicht westlichen Maßstäben entsprechen.
Die Investments konzentrieren sich auf essenzielle Güter wie Energie, Agrarrohstoffe und strategisch wichtige Materialien. Regional liegt der Schwerpunkt auf dem Handel zwischen Schwellenländern, dem sogenannten Süd-Süd-Handel. Dieser wird bis 2030 voraussichtlich 40 % des globalen Handelsvolumens ausmachen.
Fallbeispiel: Europäische Energiesicherheit
Ein konkretes Beispiel aus dem Jahr 2024 verdeutlicht die praktische Umsetzung von Trade Finance: Federated Hermes beteiligte sich an einem Konsortium zur Finanzierung eines europäischen Öl- und Gasunternehmens mit einem Volumen von über 1 Mrd. US-Dollar. Die Kredithöhe basierte dabei auf dem Wert der nachgewiesenen Reserven.
Die Struktur der Finanzierung war mehrstufig: Das geförderte Gas wurde an einen führenden nordischen Energiekonzern verkauft, der es wiederum an Kraftwerke in Dänemark und den Niederlanden lieferte. Die Zahlungsströme wurden über ein kontrolliertes Offshore-Konto abgewickelt, das eine strenge „Cash Waterfall“-Struktur aufwies. Dies bedeutet, dass die Verteilung der eingehenden Zahlungen einer festgelegten Rangfolge folgte.
Die Absicherung erfolgte durch mehrere Komponenten: Erstens durch die Verpfändung aller Sicherheitsdokumente wie Abnahme- und Betriebsverträge an das Kreditgeberkonsortium. Zweitens durch regelmäßige technische Prüfungen durch unabhängige Ingenieure. Drittens durch halbjährliche Neubewertungen der Reserven und Liquiditätstests.
Nach Abschluss der Feldentwicklung soll die Produktion die Energieversorgung von 1,5 Millionen Haushalten für die nächsten 25 Jahre sicherstellen.
Bedeutung für institutionelle Investoren
Trade Finance bietet institutionellen Investoren eine attraktive Portfoliodiversifikation mit geringer Korrelation zu traditionellen Anlageklassen. Die historisch niedrigen Korrelationskoeffizienten zu anderen Asset-Klassen liegen zwischen 0,15 (S&P 500) und 0,60 (Bloomberg US FRN Index). Dies macht Trade Finance besonders wertvoll für die Portfoliokonstruktion.
Die selbstliquidierende Natur der Transaktionen und die umfangreiche Besicherung durch die gehandelten Waren sorgen für ein attraktives Risiko-Rendite-Profil. Historische Daten zeigen eine niedrige Volatilität der Renditen bei gleichzeitig attraktiven Risikoprämien von 250 bis 400 Basispunkten über SOFR. Die variable Verzinsung bietet zudem einen natürlichen Inflationsschutz.
Die durchschnittliche Kreditlaufzeit von 24 Monaten begrenzt das Zinsänderungsrisiko. Gleichzeitig ermöglicht die quartalsweise Liquidität den Investoren eine flexible Portfoliosteuerung.
Ausblick und Fazit
Die Aussichten für Trade Finance bleiben positiv: Der weltweite Handel soll 2025 um 2,7 % wachsen. Die aktuellen geopolitischen Spannungen führen zwar zu höherer Komplexität der Transaktionen, eröffnen aber auch Chancen durch attraktivere Risikoprämien. Strengere Bankenregulierung und geopolitische Verschiebungen sorgen dafür, dass die Nachfrage nach alternativen Finanzierungsquellen weiter steigt. Trade Finance als institutionelle Anlageklasse steht noch am Anfang ihrer Entwicklung eine interessante Perspektive für Investoren, die nach stabilen, wenig korrelierten Renditen suchen.
Autor: Frank Pöpplow, Head of Business Development, Germany & Austria, Federated Hermes