Tobam CIO Monthly: Statt „Goldilocks“ nun Finanzkrise?

Tobams CIO Dr. Tatjana Xenia Puhan kommentiert die Wirkung strukturell getriebener Inflationsraten auf die Unternehmensgewinne. Im Basisszenario rechnet sie weiter mit erhöhten Inflationsraten und auch mit weiteren Zinsanhebungen. Diversifikation wird zunehmend wichtig, um sich gegen aktuelle Risiken an den US-Märkten abzusichern.
9. Mai 2023
Dr. Tatjana Xenia Puhan - Foto: © Tobam

Tobams CIO Dr. Tatjana Xenia Puhan kommentiert die Wirkung strukturell getriebener Inflationsraten auf die Unternehmensgewinne. Im Basisszenario rechnet sie weiter mit erhöhten Inflationsraten und auch mit weiteren Zinsanhebungen. Diversifikation wird zunehmend wichtig, um sich gegen aktuelle Risiken an den US-Märkten abzusichern.

An den Märkten ist das Szenario weiterer Zinsanhebungen mit seinen negativen Konsequenzen auf die wirtschaftliche Dynamik nach wie vor nur unzureichend eingepreist. Die EZB hat zuletzt den Einlagensatz wie erwartet um 25 Basispunkte auf 3,25 % angehoben, erklärte aber, der Kampf gegen die anhaltende Inflation sei noch nicht vorbei. Tatsächlich ist der Preisauftrieb unseres Erachtens strukturell bedingt, was es den Zentralbanken weltweit schwer macht, den Zinserhöhungszyklus abzuschließen. Gemäß den Äußerungen des europäischen Notenbankrates will man datengesteuert reagieren, um die Inflation auf das 2 %-Ziel zurückzuführen. Man hat gut daran getan, die Zielinflationsrate unverändert zu lassen. Es wäre ein Instrument mit sehr begrenzter Wirkung, mit dem die EZB ohnehin nur ihre Glaubwürdigkeit riskiert, wenn die Inflation bei 4–5 % bleibt.

Risiko an den Aktienmärkten

Insbesondere die Aktienmärkte haben bislang auf das Risiko einer Rezession nicht angemessen reagiert. Stattdessen hat man sich auf die Frage konzentriert, ob die Preissteigerungen von den Produzenten an ihre Konsumenten weitergegeben werden können. In vielen bevorzugten Sektoren fielen die Gewinne im ersten Quartal daher noch gut aus. Unternehmen profitierten im Jahresvergleich sogar von einem Rückgang der Produzentenpreise. Diese unterstützende Dynamik schwächt sich jedoch in den nächsten Monaten ab, während sich bereits eine Verschärfung der finanziellen Rahmenbedingungen abzeichnet, die eine deutliche Abkühlung der Wirtschaft bewirken kann.

Die Folgen wären ein Aufschub von wichtigen Investitionen und eine deutlich schwächere Gewinnentwicklung für die Unternehmen. Mittelfristig dürften die anhaltende Inflation und die hohen Zinsen spürbar auf die Wirtschaft zurückwirken, insbesondere auf die Verbraucherausgaben. Dieses Risiko wird derzeit unterschätzt.

Krise im US-Finanzsektor

Es ist auffallend, wie schlecht das Risikomanagement für das Bankensystem in den USA funktioniert hat. Die grundlegende Frage ist nun, wie weit diese Krise noch gehen kann und wie das Bankensystem neu erfunden werden kann.

In den letzten Monaten haben die Kreditausgaben der Verbraucher deutlich zugenommen. So ist der Eindruck entstanden, dass sich die Wirtschaft auf einem positiven Weg befände. Da die private Verschuldung höher ist als je zuvor, besteht jedoch die Gefahr von Zahlungsausfällen und letztlich einer Krise. Dies dürfte jedoch keine systemische Krise des Finanzsystems insgesamt auslösen und wird auch in Europa viel weniger zu einem Problem werden. Wie wir aber beobachten, kann es in den USA sehr wohl kleinere regionale Banken, Kreditkartenanbieter und andere verbraucherorientierte Kreditgeber besonders hart treffen.

Auch wenn sich dieses Problem möglicherweise in Grenzen hält, ist die Unsicherheit von Bankkunden unterschwellig immer ein Thema. Letztendlich ist es entscheidend, dass alle Parteien zusammenarbeiten, um eine Krise zu verhindern und die Stabilität und das Vertrauen in das Finanzsystem zu gewährleisten. Insbesondere der Zentralbank kommt hierbei eine wichtige Rolle zu, Anlegern zu signalisieren, einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht in Panik zu geraten.

Konzentration auf Diversifizierung:

Seit vielen Jahren warnen wir vor einer zunehmenden und im letzten Jahr rekordverdächtigen Marktkonzentration. Obwohl der wachstumsstarke Tech-Sektor zwischenzeitlich abverkauft wurde, hat sich die extreme Marktkonzentration noch lange nicht gelöst. Die größten Aktien auf dem Markt sind im Verhältnis zu ihren Gewinnen und zum Rest des Marktes immer noch stark überbewertet. Hier besteht aus unserer Sicht erhöhter Korrekturbedarf, sobald die Anleger beginnen, ein höheres Rezessionsrisiko einzupreisen.

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