Stagflation – wiederholen sich die 1970er Jahre?

Die kräftige Belebung der Wirtschaftsleistung wurde durch die raschen und beispiellosen geld- und fiskalpoliti-schen Maßnahmen nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie angetrieben. Versorgungsengpässe und steigende Energiepreise beschleunigten jedoch die weltweite Inflation. Die Kombination aus langsamerem Wachstum und Inflationsdruck hat zu der Vermutung geführt, dass die Weltwirtschaft vor einer Stagflation stehen könnte –ähnlich wie in den 1970er Jahren. Dr. Andrea Siviero, Investment Strategist bei ETHENEA Independent Investors S.A.,erklärt wie hoch die Chancen hierfür sind.
21. März 2022

Die kräftige Belebung der Wirtschaftsleistung wurde durch die raschen und beispiellosen geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen nach dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie angetrieben. Versorgungsengpässe und steigende Energiepreise beschleunigten jedoch die weltweite Inflation. Die Kombination aus langsamerem Wachstum und Inflationsdruck hat zu der Vermutung geführt, dass die Weltwirtschaft vor einer Stagflation stehen könnte – ähnlich wie in den 1970er Jahren. Dr. Andrea Siviero, Investment Strategist bei ETHENEA Independent Investors S.A., erklärt wie hoch die Chancen hierfür sind.

Was ist Stagflation?

Zunächst einmal wird Stagflation als eine Phase hoher Inflationsraten definiert, die mit einem schleppenden Wirtschaftswachstum und einer konstant hohen Arbeitslosigkeit einhergeht. Sie kann durch Angebotsschocks, durch eine fehlerhafte Wirtschaftspolitik oder durch eine Kombination aus beidem hervorgerufen werden. Für die politischen Entscheidungsträger ist eine Stagflation eine besondere Herausforderung, da die meisten Maßnahmen zur Senkung der Inflation das Wachstum beeinträchtigen und die Arbeitslosigkeit erhöhen können, während Maßnahmen zur Senkung der Arbeitslosigkeit die Inflation noch verschlimmern können. Stagflation ist jedoch ein seltenes Phänomen, da eine schwache Nachfrage die Preise tendenziell drückt, so dass ein Selbstkorrekturmechanismus die Dauer der Rezessionsphase abmildern sollte. Das derzeitige Umfeld mit verlangsamtem Wachstum und anhaltend hoher Inflation birgt große Risiken für das globale Wachstum. Eine anhaltend hohe Inflation kann zu einer Verschärfung der finanziellen Rahmenbedingungen und einer schwächeren Wachstumsdynamik führen, da die Produktion eingeschränkt ist und das Verbrauchervertrauen beeinträchtigt wird. Eine übermäßig aggressive Straffung der Maßnahmen könnte jedoch zum Abbruch der wirtschaftlichen Erholung führen, hätte aber kaum Auswirkungen auf die Eindämmung des kostentreibenden Inflationsdrucks, da dieser das Ergebnis von Problemen auf der Angebotsseite ist.

Zurück in die 1970er Jahre?

Die Rezessionen der 1970er und 1980er Jahre waren die Ergebnisse einer einzigartigen Reihe von historischen Ereignissen, einer unangemessen lockeren Geldpolitik, einigen politischen Fehlentscheidungen, einer historischen Veränderung des internationalen Währungssystems und wurden von zwei schweren Ölschocks begleitet. Obwohl die Herausforderungen der gegenwärtigen Situation nicht von der Hand zu weisen sind, unterscheidet sich das heutige Umfeld in mehrfacher Hinsicht von der Situation in den 1970er Jahren.

Wirtschaftlicher Kontext

Zum einen sind der Zeitpunkt, die Unmittelbarkeit und die Abfolge der Ereignisse der COVID-19-Krise andere als in den 1970er und 1980er Jahren. Im Jahr 2020 traf COVID-19 die Inflation und das Wachstum als außergewöhnlicher Schock derart unerwartet, dass es zu einem gleichzeitigen und plötzlichen Einbruch beider kam. Die beispiellose politische Reaktion verhinderte eine globale Depression und führte zu einer sehr ungewöhnlichen und raschen globalen Erholung, die durch einen sprunghaften Anstieg der Gesamtnachfrage ausgelöst wurde. Die starke Erholung der Gesamtnachfrage konnte nicht durch ein durch Restriktionen und Lockdowns beeinträchtigtes Angebot gedeckt werden, so dass sich die Weltwirtschaft derzeit in einer schwierigen Anpassungsphase befindet. Dieses Ungleichgewicht führt zu einem überraschend hartnäckigen Inflationsdruck. Jedoch ist – anders als in den Rezessionen der 1970er Jahre – das Wirtschaftswachstum robust, die Arbeitslosenquoten liegen nahe am oder unter dem Niveau von vor der Pandemie und die Gefahr einer bevorstehenden Rezession ist gering. Nach der starken Erholung der Weltwirtschaft im Jahr 2021 prognostiziert der IWF für 2022 ein gesundes, über dem Trend liegendes Wachstum von 4,4 %.

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