Stagflation meistern

Entgegen dem Narrativ vorübergehender Inflation zeichnet sich das derzeitige inflationäre Umfeld als äußerst hartnäckig aus, was Zentralbanken weltweit vor eine Herausforderung stellt...
27. Juni 2022
Foto: © kras99 - stock.adobe.com

Entgegen dem Narrativ vorübergehender Inflation zeichnet sich das derzeitige inflationäre Umfeld als äußerst hartnäckig aus, was Zentralbanken weltweit vor eine Herausforderung stellt…

…denn die als Resultat steigenden Zinsen wirken sich mittelfristig üblicherweise negativ auf die wirtschaftliche Dynamik aus, welche sich zuletzt – überschattet durch die tragischen Umstände in der Ukraine – deutlich eingetrübt hat. Gleichzeitig führt die geopolitische Unsicherheit insbesondere über steigende Energiepreise zu einer sich verschärfenden Inflation. Wie Abbildung 1 aufzeigt wurden beispielsweise die Wachstumserwartungen für das Jahr 2022 vom Sachverständigenrat im Vergleich zum Jahresbeginn teils deutlich reduziert. Insbesondere in Deutschland kühlt sich die Wachstumsdynamik deutlich ab, hier wurde das erwartete Wachstum um 2,8 Prozentpunkte gesenkt. Zeitgleich steigen die langfristigen Zinsen dies- und jenseits des Atlantiks in Antizipation kommender Zinssteigerungen der Notenbanken, welche somit auf das inflationäre Umfeld reagieren. Der russische Einmarsch in die Ukraine wirkt dabei verschärfend sowohl hinsichtlich der Inflationsraten (beispielsweise Energie- und Lebensmittelpreise) als auch auf die Schwierigkeiten in den globalen Lieferketten und hemmt somit zusätzlich die Wachstumsdynamik. Ein potenziell stagflationäres Umfeld stellt eine enorme Herausforderung für Aktieninvestoren dar. Denn einerseits schwächt zurückgehendes Wirtschaftswachstum die Unternehmen umsatzseitig. Zum anderen erhöht sich aufgrund der hohen Inflation unweigerlich die Kostenseite, was sich bei fehlender Marktmacht letzten Endes negativ auf die Margenentwicklung und den Gewinn auswirkt. Abseits der umsatz- und kostenbezogenen Herausforderungen durch stagflationäre Entwicklungen ergeben sich in diesem Szenario weitere Risiken aufgrund der sich verändernden Zinslandschaft in Form der Aktienduration sowie Unternehmensverschuldung.

Unternehmensverschuldung richtig messen

Die Unternehmensverschuldung wird oftmals nicht explizit im Rahmen systematischer Strategien berücksichtigt, sondern findet meist neben Maßen für Profitabilität Einklang in Form einer aggregierten Kennzahl der Unternehmensqualität. Jedoch erlaubt es diese Kombination nicht, die einzelnen Werttreiber einer Aktienstrategie nachzuvollziehen. Aus diesem Grund halten wir eine separate Steuerung der einzelnen Dimensionen für den besseren Ansatz, da beide Kennzahlen unterschiedliche Dinge messen: Wie viel verdient ein Unternehmen? Wie sieht die Bilanzstruktur aus? Hinsichtlich der Analyse der Unternehmensverschuldung gibt es verschiedene Ansätze, wobei diese zu teils äußerst heterogenen Ergebnissen führen, wie Abbildung 2 anhand der vier nachfolgenden Kennzahlen verdeutlicht:

Beim Enterprise Value fließt insbesondere das Eigenkapital zu Marktpreisen ein, während Total Assets ausschließlich auf Buchwerten beruhen. Bedenkt man dabei die bekannten Schwachstellen des Buchwerts (siehe Equity Insights # 2), so stellt der Enterprise Value die ökonomisch sinnvollere Größe dar. Wichtig ist es zudem, mittels Net Debt die Barbestände zu berücksichtigen. Man denke dabei an Apple mit einer Schuldenlast von 137 Mrd. US-Dollar, der jedoch Barbestände von 191 Mrd. US-Dollar gegenüberstehen. Zum anderen sollten “Off-Balance-Sheet” Finanzierungsmöglichkeiten wie Pensionsverpflichtungen oder – in historischen Analysen – Operating Leases (nach IFRS-Update mittlerweile auf der Bilanz kapitalisiert) berücksichtigt werden. Aus diesen Gründen bevorzugen wir die Kennzahl “Net Debt/Enterprise Value incl. Pensions”. Betrachtet man die klassische Fremdkapitalquote, so weist der Pharma- und Laborzulieferer Sartorius die höchste Verschuldung auf. Jedoch ist dieses Bild trügerisch, denn insbesondere bei Sartorius unterschätzt der Buchwert signifikant den tatsächlichen Unternehmenswert. Bei Infineon wiederum senkt der Barmittelbestand die Verschuldung deutlich. Auffällig sind zudem die hohen Pensionsverpflichtungen der Deutschen Post, die nach Berücksichtigung sämtlicher Faktoren den höchsten Verschuldungsgrad zeigt.

Weiter auf Seite 2

Pages: 12

SOCIAL MEDIA

RECHTLICHES

AGB
DATENSCHUTZ
IMPRESSUM
© wirkungswerk
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Anmeldung zum Newsletter