SPACS – das neueste Symptom für die Blase an den Finanzmärkten

Geld sucht sich immer seinen Weg. Und wenn dank der monetären Expansion immer mehr Geld nach Wegen suchen muss, ist es zum „irrationalen Überschwang“, um den Nobelpreisträger Professor Robert Shiller zu zitieren, nicht mehr weit. Den Boom der sogenannten SPACS (Special Purpose Acquisition Companies), deren Zweck darin besteht, an die Börse zu gehen, von Anlegern Geld einzusammeln und mit diesem Geld in ein nicht börsennotiertes Unternehmen zu investieren, halten wir für ein Paradebeispiel überschwänglicher Märkte. Auch wenn sie wohl zu klein sind, um ein signifikantes Risiko für die Finanzstabilität darzustellen, fallen SPACS zumindest unter die Rubrik der Torheiten am Finanzmarkt.
26. April 2021
Axel Botte - Foto: Ostrum AM

Geld sucht sich immer seinen Weg. Und wenn dank der monetären Expansion immer mehr Geld nach Wegen suchen muss, ist es zum „irrationalen Überschwang“, um den Nobelpreisträger Professor Robert Shiller zu zitieren, nicht mehr weit. Den Boom der sogenannten SPACS (Special Purpose Acquisition Companies), deren Zweck darin besteht, an die Börse zu gehen, von Anlegern Geld einzusammeln und mit diesem Geld in ein nicht börsennotiertes Unternehmen zu investieren, halten wir für ein Paradebeispiel überschwänglicher Märkte. Auch wenn sie wohl zu klein sind, um ein signifikantes Risiko für die Finanzstabilität darzustellen, fallen SPACS zumindest unter die Rubrik der Torheiten am Finanzmarkt.

Mit 40 Mrd. Dollar bzw. 18 Mrd. Dollar gehören die SPAC-Fusionen von Grab und Lucid zu den Top-10‑M&A‑Deals im laufenden Jahr. Fast 600 SPACs haben nach den Daten von SPAC Research seit Anfang 2020 in den USA fast 180 Mrd. Dollar eingesammelt. Allein im laufenden Jahr haben sie Unternehmen für mehr als 220 Mrd. Dollar eingekauft und so an die Börse geführt. Fast 80% aller aktiven SPACs sind allerdings noch auf der Suche nach einem Zielunternehmen. Die ungenutzten Barmittel, die in Treuhandfonds gehalten werden, belaufen sich auf 140 Mrd. USD. Auch in Deutschland ist der Boom aus den USA angekommen. Mit der „468 SPAC I SE“ wird in Frankfurt in diesem Jahr bereits die zweite Mantelgesellschaft an die Börse gehen.

Soweit die Zahlen. Man könnte sich nun darüber freuen, dass über diese neue Art der Finanzierung Jungunternehmen schnell an Kapital für ihre Expansion kommen und Investoren mit kleinem Budget, Anteile an bisher nicht börsennotierten Unternehmen erwerben können. Doch so einfach ist es nicht – zumindest nicht für die Investoren.

Grundproblem ist, dass SPACs eine klassische „Principal-Agent“-Beziehung verkörpern. Die Investoren (Principals) verfügen beim Kauf der Anteile nur über unvollständige Informationen, was die Fähigkeiten und die Interessensgleichheit der Manager (Agenten) betrifft. Dies hat vielfältige Auswirkungen.

Auf den ersten Blick fällt auf, dass SPACs in der Regel mit prominenten Gründern werben. Oft sind es ehemalige Wirtschaftskapitäne aus den anvisierten Branchen, die das Vertrauen der Investoren gewinnen sollen. Noch vor kurzem konnten sogar US-Prominente aus der zweiten Reihe des Sports oder der Verlagswelt, die bisher nichts mit Finanzen am Hut hatten, erfolgreich als Gründer neuer SPACs auftreten.

Die Ziel-Geschäftsfelder konzentrierten sich auf die beliebten Themen wie Roboterautos, Ladesäulen, Elektrolastwagen und Flugtaxis. Die aktuelle Welle, auf der viele junge Unternehmen reiten, bietet ein gutes Terrain für M&A‑Aktivitäten.

Hohe Bewertungen

Gleichzeitig sind dies aber auch die Bereiche, in denen viel Phantasie die Preise treibt. Schon jetzt haben SPACs, die Tech-Firmen kauften, oft mehr als das Zehnfache des Umsatzes gezahlt, während abseits der Börse strategische Investoren deutlich geringere Multiples zahlen. SPACs treten in Bieterwettbewerben in Konkurrenz zu erfahrenen Venture-Capital- und Private-Equity-Investoren. Die Not, gute Anlageobjekte zu finden, führt zu einer Übertreibung. Wenn ein SPAC trotz dieses Gedrängels den Zuschlag erhält, liegt der Verdacht nahe, dass er zu viel bezahlt.

Doch SPAC-Sponsoren haben immer einen Anreiz, ein Geschäft zu machen, weil sich nach einer angekündigten Fusion mit dem Zielunternehmen die SPAC-Aktien vom Nettoinventarwert ihres Barbestandes entfernen und die Gewinnaussichten des neuen Unternehmens widerspiegeln. Sie selbst haben aber den Kapitalanteil am Börsenmantel in der Regel mit einem tiefen Rabatt gezeichnet. So kann es durchaus sein, dass Manager lieber zu viel für ein Unternehmen bezahlen, als das Investmentvehikel zu liquidieren.

SPACS werden in der Regel zu einem Preis von 10 Dollar pro Anteil ausgegeben. Theoretisch sollten die Aktien mindestens USD 10 plus Zinsen wert sein. Doch Ende März 2021 gab es Berichten zufolge 300 SPACs, die zu einem Preis gehandelt wurden, der unter dem bei ihrem Börsengang einge­nommenen Geld lag. Der durchschnittliche Abschlag lag bei 1,22 Prozent, und der Marktwert aller SPAC-Anteile, die unter ihrem Anfangspreis gehandelt wurden, belief sich am Ende des ersten Quartals auf 81,4 Milliarden US-Dollar. Wäre es also für Investoren nicht interessant, offensichtlich unterbewertete SPAC-Aktien zu kaufen?

Auswertungen des Datenanbieters SPAC Research zeigen, dass die Vehikel, die sich ihrem Liquidations­datum nähern, z.B. innerhalb von 100 Tagen vor der Liquidation, mit einem Abschlag zu ihrem ursprünglichen Ausgabepreis von USD 10 handeln, so dass die annualisierten Renditen bis zur Fälligkeit zwischen 5 und 10% liegen. Selbst unter den SPACs, deren Investitionsfrist erst in 500–600 Tagen ausläuft, notiert eine deutliche Mehrheit unter dem Anfangspreis von USD 10. Dieser Abschlag zeigt, dass der Markt einen Deal des SPAC nicht unbedingt positiv bewertet, also das Risiko der Wertvernichtung für die Aktionäre einpreist. Weil der Druck, einen Deal zu machen, umso größer ist, je näher die Liquidation rückt, nimmt die im Abschlag zum Anfangspreis manifestierte Angst vor einem schlechten Geschäft im Zeitverlauf zu.

Ein weiteres Argument für das größere Risiko beim Börsengang via SPAC ergibt sich aus der Rolle der Investmentbanken. Beim traditionellen IPO würden die Underwriter der Investmentbanken eine Due Diligence des konkreten Unternehmens durchführen, bevor sie dessen Börsennotierung absegnen. Bei einem SPAC-IPO zeichnen die Banken jedoch nur die Hülle. Es besteht eine berechtigte Sorge, dass der SPAC-Sponsor das Zielunternehmen weniger gründlich prüft als die einen klassischen Börsengang begleitende Investmentbank. Tatsächlich haben wir schon wilde Prognosen und überhöhte Bewertungen gesehen.

Die beschriebenen Phänomene haben bereits die Regulierer schon auf den Plan gerufen. Die US-Börsenaufsicht SEC warnt, Privatanleger sollten SPAC-Aktien nicht nur deshalb kaufen, weil sie von Prominenten an­geboten werden. Und an die Adresse der SPAC-Initiatoren richtet die Behörde die Mahnung, sie dürften Investoren keine Versprechen machen, die sie nicht einhalten können. SPACs seien kein Freifahrtschein für in die Irre führende Angaben. Tatsächlich sind sich Investoren möglicherweise auch der potenziellen Konflikte der SPAC-Manager aus ihren anderen Investitionen nicht bewusst. Ein beunruhigendes Indiz kommt vom Markt für so genannte Director and Officer Insurance (D&O‑Versicherung) und andere Haftpflichtversicherungstarife für SPACS: Eine Deckung von ca. USD 10 Millionen, kostet jetzt im Durchschnitt mehr als USD 1 Million. Das ist ein Anstieg von USD 250.000 bis USD 300.000 im Vergleich zu vor einem Jahr.

Interessenskonflikte der Investmentbanken?

Die SEC hat auch bereits ein Auge auf die lukrativen Einnahmen der Investmentbanken bei SPAC-IPOs geworfen. Schätzungen zufolge beliefen sich die Bankgebühren im ersten Quartal 2021 auf USD 37 Mrd. Die offengelegten Gebühren bei SPAC-IPOs betragen durchschnittlich etwa 5,2 Prozent des Brutto­betrags (laut Bloomberg-Daten). Dieses Geschäft, das wenig Dokumentation erfordert und wenig Bilanzrisiko birgt, scheint für die Wall Street äußerst profitabel zu sein. Aber die Investoren sind sich möglicherweise nicht vollständig über ihre Kosten im Klaren, wenn die Rabatte der SPAC-Sponsoren mit einbezogen werden. Im Dezember 2020 forderte die Aufsichtsbehörde SPACs auf, in ihren Prospekten anzugeben, ob den Underwritern abgegrenzte Gebühren zustehen, sobald sie einen Deal mit einem Zielunternehmen abschließen, und potenzielle Interessenkonflikte offenzulegen, die sich aus zusätzlichen Dienstleistungen ergeben können, die der Underwriter möglicherweise erbringt und für die er bezahlt wird.

Es gibt also einige Gründe, warum der aktuelle Boom der leeren Börsenmäntel auch unangenehme Erinnerungen an irrationalen Überschwang und das anschließende Platzen von Blasen weckt. SPACs sind aus Sicht der Anleger Wetten darauf, dass die Initiatoren der SPACs mit dem eingesammelten Geld hoffentlich in irgendetwas Gewinnbringendes investieren. Zum Zeitpunkt des Börsenganges bieten SPACs kein funktionierendes Geschäftsmodell, sondern nur das Prinzip Hoffnung.

So ist nur gut, dass am Markt bereits erste Bremsspuren zu erkennen sind. Die Zahl der neuen SPACs sank in der ersten Aprilwoche auf vier – von 41 in der ersten Märzwoche. Auch die sogenannten Pipe-Finanzierungen sind ins Stocken geraten waren. Pipe steht für „Private Investment in Public Equity“ und bezeichnet die Finanzierung durch institutionelle Investoren nach der SPAC-Platzierung. Offensichtlich beginnen die schiere Menge der neuen US-SPACs und die übertrieben wirkenden Preise die institutionellen „Pipe“-Investoren abzuschrecken, die für die flankierenden Kapitalerhöhungen bei großen Deals benötigt werden. Zudem haben Leerverkäufer das Volumen ihrer Wetten, mit denen sie auf fallende Kurse der SPACs setzen, seit Jahresbeginn vervierfacht. Nun werden auch die Regulierungsbehörden noch dazu beitragen müssen, die Spreu vom Weizen zu trennen – damit aus der Mobilisierung von Wachstumskapital nicht Kapitalvernichtung wird.

Gastkommentar von Axel Botte, Marktstratege bei Ostrum Asset Management

Axel Botte — Foto: © Ostrum AM

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