Sicherer Hafen — was tun gegen Volatilität und Stagflation?

Nehmen die Turbulenzen auf den Finanzmärkten zu, suchen Anleger nach einem sicheren Hafen. Doch wo Zuflucht finden, wenn neben hoher Volatilität auch eine Stagflation droht? Die Lösung: regimeabhängige „Anti-Fragile-Assets“, sagt Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführer und Lead Portfolio Manager bei Eyb & Wallwitz.
19. April 2022
Dr. Ernst Konrad - Foto: © Eyb & Wallwitz

Nehmen die Turbulenzen auf den Finanzmärkten zu, suchen Anleger nach einem sicheren Hafen. Doch wo Zuflucht finden, wenn neben hoher Volatilität auch eine Stagflation droht? Die Lösung: regimeabhängige „Anti-Fragile-Assets“, sagt Dr. Ernst Konrad, Geschäftsführer und Lead Portfolio Manager bei Eyb & Wallwitz.

Ob als Risikoabsicherung, Liquiditäts- oder langfristiger Wertspeicher – Safe Assets spielen im Portfolio von professionellen Anlegern eine wichtige Rolle. Um ihre Funktion als sicherer Hafen erfüllen zu können, müssen sie jedoch eine Reihe an Voraussetzungen mitbringen, wie zum Beispiel ein niedriges Ausfallrisiko, ein stabiles Auszahlungsprofil, eine hohe Liquidität und eine geringe Korrelation mit anderen Assets. Eigenschaften, die nur wenige Vermögenswerte besitzen, weshalb Anleger in den meisten Fällen zu Gold, Immobilien, Cash oder Staatsanleihen greifen, wobei letztere vornehmlich in Form von US-Treasury-Bonds oder Bundesanleihen gekauft werden.

Gefangen im „Safety Trap“

Doch in welchem Umfang sollten Anleger sich mit Gold, „Treasuries“ und „-Bunds“ gegen Marktturbulenzen schützen? Eine Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt, da jeder Marktteilnehmer eine andere Risikobereitschaft und Anlagestrategie hat. Unabhängig von den individuellen Unterschieden ist jedoch klar, dass das aktuelle Marktumfeld stets eine wichtige Rolle bei der Nachfrage nach Safe Assets spielt – allem voran der Markt für Staatsanleihen. Seit der Finanzkrise 2008 wird der allerdings von einer unkonventionellen Niedrigzinspolitik der Zentralbanken dominiert, die die nominalen Renditen zeitweise in den negativen Bereich gebracht hat. Das Problem: Trotz der hohen Liquidität blieben die von den Notenbanken erhofften Wachstumseffekte hinter den Erwartungen zurück.

Das Resultat: Säkulare Stagnation bei gleichzeitigem Verweilen der Renditen an der Null-Prozent–Schwelle. Für die Notenbanken eine gefährliche Situation, denn im Falle einer Krise und dem Ruf nach weiteren Wachstumsimpulsen, hätten sie ihr Pulver bereits gänzlich verschossen. Aus diesem Grund blieb ihnen während der Coronapandemie auch nichts anders übrig, als mit diversen Kaufprogrammen einzuspringen und die eigenen Bilanzen massiv zu verlängern. Viele Anleger schauten sich deshalb nach alternativen Safe Assets um. Neben Immobilien und Gold spielten dabei häufig auch dividendenstarke Technologiewerte eine wichtige Rolle. Selbst Krypto-Assets wurden von manchen Anlegern als digitales Gold ins Spiel gebracht, was sich rückblickend nur durch eine überschäumende Euphorie und Naivität erklären lässt.

Zeitenwende im Portfolio

Seit dem Anziehen der Inflation im letzten Jahr und dem russischen Angriff auf die Ukraine hat sich das Marktumfeld aber deutlich gewandelt. Auf den Aktienmärkten hat die Volatilität selbst stabile Value-Titel im Griff und geopolitische „unknown unknowns“ lassen auch die Kurse vieler Staatsanleihen schwanken. Eine Korrelation, die so gut wie alle Assets erfasst hat. Selbst der Goldmarkt gilt vielen Anleger bereits als unsicher, da Russland seine riesigen Reserven jederzeit gegen ausländische Devisen eintauschen könnte. Die bittere Wahrheit: Ein wirklich sicherer Hafen ist derzeit nur schwer zu finden. Anleger sollten sich deshalb auf eine von Unsicherheiten geprägte Übergangsphase einstellen, bei der sie sich je nach Marktumfeld immer wieder neu positionieren müssen.

Dabei lässt sich bis auf weiteres von zwei Szenarien ausgehen: Dem Basisszenario der säkularen Stagnation samt anhaltender Inflation sowie dem Worst-Case-Szenario der Stagflation. Letzteres gilt vielen als Schreckgespenst der Stunde, das unheilvolle Erinnerungen an die 70er Jahre wach werden lässt. Damals wie heute löste ein Anstieg der Energiekosten eine tiefe Krise in den westlichen Industrienationen aus, die sich erst durch ein hartes Eingreifen der Zentralbanken überwinden ließ – die Rosskur des Volcker-Schocks. Ein Szenario, das nun erneut diskutiert wird und in den USA bereits ihren Niederschlag in den Erwartungen an die Notenbankpolitik gefunden hat. Anders die Situation in Europa, wo eine größere Abhängigkeit vom russischen Gas die Angst vor einer starken Rezession aufwirft. Gelähmt durch den Zielkonflikt von Inflationsbekämpfung und Konjunkturbelebung ist von der EZB hier kaum mit einem energischen Eingreifen zu rechnen, wenngleich Christine Lagarde bereits einen zeitnahen Abbau der EZB-Bilanzen angekündigt hat. Die Notkaufprogramme von Staatsanleihen werden also gedrosselt.

Zwischen den Szenarien

Letzten Endes sollte allen Beteiligten jedoch klar sein, dass seriöse Prognosen aufgrund der komplexen Auswirkungen der Energiepreissteigerungen samt möglicher Zweit- und Drittrundeneffekte derzeit mit besonders großer Unsicherheit zu genießen sind. Bis auf Weiteres gilt für Zentralbanker, Unternehmen und Anleger deshalb das gleiche Credo: Fahren auf Sicht. Anleger sind dabei gut beraten, auf regimeabhängige “Anti-Fragile-Assets” zu setzen. Mit anderen Worten: Je nach Inflations- und Wachstumsentwicklung gilt es in Zukunft zügig umzuschichten und zwischen verschiedenen Häfen zu wechseln. Im Fall unseres Basisszenarios bieten sich US-Finanzwerte an, die von traditionell von einem Zinserhöhungszyklus profitieren dürften, sowie Dienstleiter, die durch die Lockerung der Corona-Maßnahmen an Auftrieb gewinnen. Im Vorteil sind auch alle Unternehmen, die über ein „sturmerprobtes“ Geschäftsmodell verfügen und stabile Gewinnmargen aufweisen, z.B. Technologie- und Pharmawerte. Darüber hinaus können auch hochrentierliche Anleihen mit einer kurzen Laufzeit im Kampf gegen Inflation und Volatilität helfen. Tritt jedoch das Szenario einer Stagflation ein, sind Gold und Liquidität erste Wahl.

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