Sich der Bedeutung der Digitalisierung des Kapitalmarkts bewusst werden

Auch im Finanzmarkt geht der Trend verstärkt zu innovativen Technologien. Eine Modernisierung des Wertpapierrechts wird angestrebt, um den heutigen Bedürfnissen gerecht zu werden. Dazu bedarf es auch rechtssicherer, regulatorischer Rahmenbedingungen. Ende vergangenen Jahres kam der Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Einführung von elektronischen Wertpapieren (eWpG-E). Darüber sprach die INTELLIGENT INVESTORS-Chefredaktion mit Dr. Martin Konstantin Thelen, Rechtsanwalt und Associate bei HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK.
18. Juni 2021
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II: Trägt das Gesetz letztlich auch zum Bürokratieabbau bei?
Dr. Thelen: Diese Hoffnung dürfte eher enttäuscht werden. Das Gesetz schafft nur begrenzt Rechtssicherheit. Soweit sogenannte Debt Security Token funktional Inhaberschuldverschreibungen oder Genussscheinen entsprechen, werden sie durch das eWpG‑E den klassischen Wertpapieren gleichgestellt. Infolgedessen finden insbesondere die Vorgaben des Prospektrechts, des Marktmissbrauchsrechts und der Regulierung von Handelsplätzen Anwendung. Das dürfte die BaFin insoweit von aufwendigen Prüfungen und Einzelfallentscheidungen entlasten. Jedoch müssen die Betreiber eines Kryptowertpapierregisters erhebliche, regulatorische Vorgaben beachten und ein KWG-Erlaubnisverfahren durchlaufen. Auch die datenschutzrechtlichen Anforderungen dürften nicht zu unterschätzen sein.
II: Welche Auswirkungen haben digitale Anleihen für die Praxis?
Dr. Thelen: Da das zentrale Register auf Zentralverwahrer und deren bisherige Praxis zugeschnitten ist, wird die Umstellung auf die digitale Anleihe insoweit keinen nennenswerten Effekt zeitigen. Mit Blick auf die Kategorie des Kryptowertpaperregisters bleibt abzuwarten, ob und inwieweit sich die Praxis dieses Instituts angesichts der zahlreichen regulatorischen Vorgaben bedienen wird. Da bei Emissionen von (elektronischen) Wertpapieren mit einem Volumen unter 8 Mio. Euro keine Prospektpflicht greift, könnte sich hier ein attraktives Segment für die Finanzierung von Start-ups und KMU bilden.

II: Ist dieser Gesetzesentwurf auch ein Schritt in Richtung Stärkung der Attraktivität des Finanzstandorts Deutschland?
Dr. Thelen: Ja, denn der deutsche Gesetzgeber zeigt, dass er sich der Bedeutung der Digitalisierung des Kapitalmarkts bewusst ist. Allerdings sollte man den Entwurf, wie der Gesetzgeber selbst betont, nicht als Schlusspunkt, sondern als Startschuss für einen längeren Umwandlungsprozess ansehen. Es muss dringend umfassend geregelt werden, wie digitale Vermögensanlagen im zivil- und aufsichtsrechtlichen Sinne zu qualifizieren sind. Nachdem der Gesetzgeber diese Aufgabe vollbracht haben wird, wird die deutsche Rechtsordnung mit ihrer international gelobten Rechtssicherheit punkten können.

Dr. Martin Konstantin Thelen – Foto: © HEUKING KÜHN LÜER WOJTEK

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