Schwellenländer-Aktien: Risikofaktor Zölle

Das höhere Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern, steigende Gewinne dortiger Unternehmen, die weltweite geldpolitische Lockerung und die deutlichen Bewertungsabschläge machen Aktien aus den aufstrebenden Märkten derzeit attraktiv. Dieser Ansicht ist James Donald, Leiter der Emerging Markets-Plattform von Lazard Asset Management. Ein Thema aus dem US-Wahlkampf hänge jedoch wie ein Damoklesschwert über der Assetklasse: die Möglichkeit höherer Zölle auf Importe in die USA. „Höhere Zölle hätten direkte Auswirkungen auf einzelne Märkte“, erklärt der Experte, „aber auch auf den Welthandel insgesamt.“
30. Oktober 2024
Foto: © 2ragon - stock.adobe.com

Das höhere Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern, steigende Gewinne dortiger Unternehmen, die weltweite geldpolitische Lockerung und die deutlichen Bewertungsabschläge machen Aktien aus den aufstrebenden Märkten derzeit attraktiv. Dieser Ansicht ist James Donald, Leiter der Emerging Markets-Plattform von Lazard Asset Management. Ein Thema aus dem US-Wahlkampf hänge jedoch wie ein Damoklesschwert über der Assetklasse: die Möglichkeit höherer Zölle auf Importe in die USA. „Höhere Zölle hätten direkte Auswirkungen auf einzelne Märkte“, erklärt der Experte, „aber auch auf den Welthandel insgesamt.“

Mit Blick auf die Unternehmen sehe es gut aus für Aktien der Emerging Markets: „Insgesamt stieg der Gewinn je Aktie (EPS) in den Schwellenländern im zweiten Quartal auf Jahresbasis um 33 Prozent, verglichen mit 15 Prozent im Vorquartal. Das EPS-Wachstum wurde von Südkorea und Taiwan angeführt“, so Donald.

Donald erwartet, dass eine Beschleunigung der Gewinndynamik in den Schwellenländern sowie Zinssenkungen in den USA – historisch gesehen reagieren Schwellenländer empfindlicher auf Zinsänderungen als US-Aktien – der relativen Performance von EM-Aktien Rückenwind geben könnten. Gleichzeitig könnten allerdings geopolitische Faktoren wie die Eskalation im Nahen Osten, der anhaltende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine sowie die Spannungen im Südchinesischen Meer auch einen Gegenwind darstellen.

Gründe für wachsenden Optimismus 

In den ersten drei Quartalen des Jahres sei die Bereitschaft globaler Anleger, in Schwellenländeraktien zu investieren, verhalten gewesen. Dennoch blickt Donald aus mehreren Gründen optimistisch auf die Assetklasse:

Zum einen beschleunige sich das BIP-Wachstum in den Schwellenländern relativ zu den entwickelten Ländern: „Das Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern, das von allen Regionen und nicht nur von China getragen wird, steigt nun langsam in Richtung 4,0 Prozent im Jahr 2024, während sich gleichzeitig das Wachstum in den Industrienationen auf 1,6 Prozent verlangsamt.“

Zudem seien nach einem starken Rückgang der Gewinne in den Jahren 2021 und 2022 die Gewinnwachstumserwartungen für die Schwellenländer im Vergleich zu den Industrieländern (einschließlich der USA) für 2024 und 2025 gestiegen.

Diese Entwicklung träfe auf attraktive Bewertungen: „Unserer Ansicht nach sind EM-Aktien nach wie vor eine der am stärksten fehlbewerteten Assetklassen weltweit, da sie im Vergleich zu Aktien der entwickelten Länder nach wie vor sehr günstig bewertet sind. Dieser Bewertungsabschlag von aktuell fast 40 Prozent gegenüber Aktien aus den Industrienationen könnte sich im Laufe der Zeit verringern. Dafür sprechen das stärkere Gewinnwachstum in den Schwellenländern, die Erholung der Rentabilität dort, attraktive Free-Cashflow- und Dividendenrenditen sowie eine zugunsten der Schwellenländer steigende Wirtschaftswachstumsprämie“, sagt Donald.

Wahlen werfen Schatten

Dennoch könnte ein Ereignis die Erwartungen entscheidend beeinflussen. „In einem Jahr voller Wahlen auf der ganzen Welt könnte eine der letzten Wahlen, die US-Präsidentschaftswahl, für Anleger in den Schwellenländern der bedeutsamste sein“, sagt James Donald. Diese könnte erhebliche Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, die Inflation, die Geldpolitik und insbesondere die Handelsbeziehungen zwischen den USA und China haben.

„Die größten Sorgen bereiten den Schwellenländern die Vorschläge des republikanischen Kandidaten und ehemaligen Präsidenten Donald Trump in Bezug auf neue Importzölle“, beobachtet er. Während der Trump-Regierung von 2016 bis 2020 sei der durchschnittliche Zoll auf US-Importe aus China von 4 Prozent auf 17 Prozent gestiegen. „Würden die derzeit angekündigten Importzölle auf chinesische Waren in Höhe von 60 Prozent vollständig umgesetzt, würde dies einen zusätzlichen Betrag von mehr als 230 Milliarden US-Dollar jährlich ausmachen – das entspricht 1,3 Prozent des chinesischen BIP im Jahr 2023.“

Damoklesschwert Zölle?

Die sofortige Einführung eines universellen Zollsatzes von 10 Prozent, die ebenfalls im Raum steht, hält James Donald für eher unwahrscheinlich. Donald Trump werde diese Option vermutlich nutzen, um sich einen Vorteil bei Verhandlungen zu verschaffen, etwa mit Mexiko über die Einwanderung, oder um zu verhindern, dass China Zölle über Drittstaaten umgehe.

Wen würden höhere Zölle auf Importe in die USA treffen? „Unter den Schwellenländern wären jene mit hoher Abhängigkeit von den USA und leicht ersetzbaren Produkten am stärksten betroffen, darunter Malaysia, Südkorea und Thailand“, erklärt Donald. „Länder mit hoher Abhängigkeit von den USA, aber weniger leicht ersetzbaren Produkten bzw. Rohstoffen könnten verschont bleiben, darunter Chile, Südafrika und Indonesien.“ China werde vermutlich das erste Ziel sein, glaubt der EM-Experte. Trump und seine Berater hätten betont, dass der Wettbewerb mit China eine wesentliche Herausforderung für die USA darstelle.

Auswirkungen auf China

Wie sich weitere US-Zölle auf Chinas Wirtschaft auswirken, hänge davon ab, wie viel China letztlich von der Last tragen müsse. „Zunächst werden es die US-Verbraucher und ‑Unternehmen sein, die die Zölle zahlen. Allerdings müssten viele chinesische Exporteure längerfristig ihre Preise senken, um ihre Wettbewerbsfähigkeit in den USA aufrechtzuerhalten, was natürlich ihre Margen schmälern würde“, so Donald.

Die Auswirkungen der vorgeschlagenen Zölle auf China würden auch davon abhängen, ob sich die Handelsmuster dadurch ändern würden. Ungefähr zwei Drittel der chinesischen Exporte in die USA seien bereits mit zusätzlichen Zöllen belegt, und dies scheine die Verlagerung des Handels in andere Regionen beschleunigt zu haben. Donald: „Der Anteil von Chinas Exporten in die USA an den Gesamtexporten des Landes sank von 21 Prozent im Jahr 2018 auf 14 Prozent im Jahr 2023, während seine Exporte in andere Regionen wie den Verband Südostasiatischer Nationen und die Europäische Union zunahmen. Gleichzeitig steigen die US-Importe aus anderen Volkswirtschaften auf Kosten der chinesischen Exporteure.“

Sollte China seinerseits mit entsprechenden Zöllen reagieren, werde dies der eigenen Wirtschaft wahrscheinlich mehr schaden als den USA, rechnet der Experte vor: „Wenn beide Länder Zölle in Höhe von 60 Prozent verhängen würden, würde China im gleichen Zeitraum einen BIP-Verlust von etwa 770 Milliarden US-Dollar erleiden, während die USA im gleichen Zeitraum einen Verlust von etwa 327 Milliarden US-Dollar erleiden würden, so Schätzungen des Peterson Institute.“

Weitere Vergeltungsmaßnahmen denkbar

China könne sich außerdem für unkonventionelle Handelsmaßnahmen entscheiden, die die USA unverhältnismäßig stark treffen würden. Donald zählt auf: „Dazu gehören etwa eine Währungsabwertung, die Zurückhaltung wichtiger Mineralien, eine Reduzierung der Einfuhr politisch sensibler US-Produkte, der Ausverkauf US-amerikanischer Vermögenswerte, die Ausweitung von Steuererleichterungen für lokale Exporteure und Zinssenkungen.“

Mit Blick auf die Zukunft könne auch China seine Importstrategie ändern und von den USA auf andere Länder ausweichen: „Im vergangenen Jahr waren Sojabohnen, integrierte Schaltkreise und Rohöl die größten Importgüter aus den USA“, führt James Donald diesen Gedanken weiter aus. „Brasilien, verschiedene asiatische Länder und Saudi-Arabien sind jedoch ebenfalls bedeutende globale Lieferanten dieser Güter und könnten ihren Marktanteil auf dem chinesischen Festland potenziell ausbauen.“

SOCIAL MEDIA

RECHTLICHES

AGB
DATENSCHUTZ
IMPRESSUM
© wirkungswerk
ALLE RECHTE VORBEHALTEN

Anmeldung zum Newsletter