Risiken nehmen zu, Post-Covid-Erholung ist passé

Der Krieg in der Ukraine und der COVID-19-Ausbruch in China seien ernsthafte stagflationäre Schocks, die das globale Wirtschaftswachstum gefährden. Zu dieser Erkenntnis kommt Dr. Andrea Siviero, Senior Portfolio Manager bei Ethenea. Das Abwärtsrisiko für die Weltwirtschaft sei seit dem ersten Quartal erheblich gestiegen, so habe der IWF sein Basisszenario für das weltweite Wachstum im Jahr 2022 von 4,4 Prozent auf 3,6 Prozent nach unten korrigiert. Die Inflationsprognose für 2022 liege nun bei 5,7 Prozent für die Volkswirtschaften der Industrieländer und bei 8,7 Prozent für die der Schwellenländer. Es ist wahrscheinlich, dass die Prognose in den kommenden Monaten weiter nach unten korrigiert wird.
5. Juli 2022
Dr. Andrea Siviero - Foto: © ETHENEA

Der Krieg in der Ukraine und der COVID-19-Ausbruch in China seien ernsthafte stagflationäre Schocks, die das globale Wirtschaftswachstum gefährden. Zu dieser Erkenntnis kommt Dr. Andrea Siviero, Senior Portfolio Manager bei Ethenea. Das Abwärtsrisiko für die Weltwirtschaft sei seit dem ersten Quartal erheblich gestiegen, so habe der IWF sein Basisszenario für das weltweite Wachstum im Jahr 2022 von 4,4 Prozent auf 3,6 Prozent nach unten korrigiert. Die Inflationsprognose für 2022 liege nun bei 5,7 Prozent für die Volkswirtschaften der Industrieländer und bei 8,7 Prozent für die der Schwellenländer. Es ist wahrscheinlich, dass die Prognose in den kommenden Monaten weiter nach unten korrigiert wird.

Der Krieg in der Ukraine mit den Sanktionen des Westens und die Lockdowns in China stellten einen kombinierten negativen Angebots- und Nachfrageschock dar, der zu höheren Energie- und Rohstoffpreisen, Engpässen in den Lieferketten und Verwerfungen im internationalen Handel führe.

Die US-Wirtschaft

„Die US-Wirtschaft ist im ersten Quartal 2022 annualisiert um ‑1,4 Prozent geschrumpft. Das zweite Quartal hat eine nachlassende Wachstumsdynamik bestätigt. Der Verbrauchersektor zeigt Anzeichen einer Abschwächung, da die Indikatoren für das Verbrauchervertrauen aufgrund der hohen Inflation und das Anstieg der Benzinpreise neue Tiefstände erreichten. Jedoch ist „Die Lage am Arbeitsmarkt mit einer Arbeitslosenquote von 3,8 Prozent und schnell steigenden Löhnen ist weiterhin sehr gut.“ Im May habe die Gesamtinflation bei 8,6 Prozent und die Kerninflation bei 6 Prozent gelegen.

Die US-Notenbank habe außerdem einen aggressiven Straffungszyklus eingeleitet, durch den die Fed Funds Rate wahrscheinlich bis zum Jahresende über den geschätzten neutralen Wert von etwa 2,5 Prozent steigen werde. „Noch ist jedoch unklar, ob es der Fed gelingen wird, die Inflation auf das angestrebte Zielniveau zu senken, ohne eine Rezession auszulösen“ meint Dr. Siviero.

Die Eurozone

Die Eurozone biete ein schwächeres Bild. Die Wirtschaft sei im ersten Quartal mit einer schwachen Rate von 0,3 Prozent gewachsen und infolge des Konflikts in der Ukraine habe die EU-Kommission ihre Wachstumsprognose für 2022 von vier auf 2,7 Prozent nach unten korrigiert. Das Wachstumstempo hat sich im zweiten Quartal deutlich verlangsamt und die Gefahr einer Rezession ist grösser geworden. Die Lage am Arbeitsmarkt sei jedoch mit einer Arbeitslosenquote von 6,6 Prozent und moderaten Lohnsteigerungen weiterhin gut. Die Industrieproduktion leide jedoch wegen des Kriegs in der Ukraine und die Konjunkturabschwächung in China unter Störungen der Lieferketten und hohen Energiepreisen.

„Die Inflation ist im Juni auf ein Allzeithoch von 8,6 Prozent, und die Kern-Verbraucherpreisinflation (VPI) hat sich auf 3,7 Prozent stabilisiert“, analysiert Dr. Siviero. „Die EZB wird ihr Anleihenkaufprogramm im Juni 2022 abschließen und den Leitzins im Juli anheben, mit dem Ziel, bis zum Jahresende bei einem positiven Leitzins anzukommen.“ Allerdings bestünden gewisse Risiken, wenn die Zinsen in einer Konjunkturschwäche angehoben werden. Zudem bestehe die Gefahr, dass eine straffere Geldpolitik kaum Auswirkungen auf die Inflation haben wird, da diese vorwiegend auf hohe Energie- und Rohstoffpreise zurückzuführen seien. Darüber hinaus besteht ein erhebliches Risiko, dass die Straffung der Politik zu einer Ausweitung der Spreads von Staatsanleihen in der Eurozone führen wird. „Wir glauben, dass die EZB wahrscheinlich nicht in der Lage sein wird, die Zinsen so weit anzuheben, wie zurzeit an den Märkten erwartet wird“, sagt Dr. Siviero.

Die chinesische Wirtschaft

Die chinesische Wirtschaft sei durch die Lockdowns im Zuge des erneuten Ausbruchs der Omikron-Variante erheblich gestört gewesen. Dank eines guten Jahresanfangs und politischer Unterstützung sei das BIP im Jahresvergleich um +4,4 Prozent gewachsen, aber die chinesische Wirtschaft hat sich im zweiten Quartal stark verlangsamt. Die wirtschaftlichen Indikatoren sind seit März deutlich gesunken und die Wirtschaft hat unter dem Anstieg der Omikron Fälle stark gelitten. Im Juni beobachteten wir erste Anzeichen einer Erholung dank einer gewissen Lockerung der mit Omikron verbundenen Sperrungen und Einschränkungen.

Bei geringer und sinkender Inflation (Gesamt-VPI bei 2,1 Prozent) und schwacher Nachfrage seitens der Verbraucher senke die Chinesische Volksbank (PBoC) die Zinsen, um die Wirtschaft zu stützen. „Wir gehen davon aus, dass die politische Unterstützung erst nach und nach Wirkung zeigen und wahrscheinlich frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2022 Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben wird“ prognostiziert der Fondsmanager.

Können USA und Eurozone nach Corona sanft landen?

Verschiedene Faktoren würden hierfür eine Rolle spielen:

  • Die Dauer des bewaffneten Konflikts in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die Rohstoffpreise.
  • Die Auswirkungen und die Dauer der COVID-19-Lage in China.
  • Arbeitsmärkte und Konsumausgaben, da Verbraucher eine erhebliche Verknappung ihres real verfügbaren Einkommens aufgrund der Inflation zu spüren bekommen.
  • Der makroökonomische Politik-Mix: Wird die Fiskalpolitik bei weltweit restriktiverer Geldpolitik (mit den Ausnahmen von China und Japan) dazu beitragen, eine weitere Rezession zu verhindern?

Angesichts eines bedeutenden stagflationären Schocks bei stärkerer Abhängigkeit von russischer Energie und wenig fiskalpolitischem Spielraum könne die EU in eine Rezession geraten. Mit einer stärkeren Wirtschaft und geringerer Beeinträchtigung durch den Ukraine-Konflikt seien die USA besser aufgestellt. „Die Fed bewegt sich jedoch auf einem extrem schmalen Grat, und die Gefahr einer übermäßigen Straffung sollte nicht unterschätzt werden“, resümiert Dr. Siviero. (ah)

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