Rekordzuflüsse in Gold-ETFs und ETCs

Am 8. Mai 2020 hielten die Gold-ETFs und –ETCs weltweit 3.407,4 Tonnen des gelben Metalls.  Das war ein Rekordwert. Hinter der wachsenden Nachfrage nach Gold-ETFs und –ETCs dürfte sich ein struktureller Effekt verbergen: Der Erwerb von Gold über börsengehandelte Indexfonds kommt immer mehr in Mode. Vor allem ist es für viele institutionelle Investoren der einzig gangbare Weg, am Goldpreis zu partizipieren. Hinzu kommt, dass die Engpässe im physischen Goldmarkt, die aus dem politisch diktierten „Lockdown“ erwachsen, die Nachfrage nach ETF- und ETC-Gold merklich an-getrieben haben. Der ganz wesentliche strukturelle Effekt ist jedoch eine steigende Goldnachfrage.
22. Mai 2020
Thorsten Polleit

Am 8. Mai 2020 hielten die Gold-ETFs und –ETCs weltweit 3.407,4 Tonnen des gelben Metalls.  Das war ein Rekordwert. Hinter der wachsenden Nachfrage nach Gold-ETFs und –ETCs dürfte sich ein struktureller Effekt verbergen: Der Erwerb von Gold über börsengehandelte Indexfonds kommt immer mehr in Mode. Vor allem ist es für viele institutionelle Investoren der einzig gangbare Weg, am Goldpreis zu partizipieren. Hinzu kommt, dass die Engpässe im physischen Goldmarkt, die aus dem politisch diktierten „Lockdown“ erwachsen, die Nachfrage nach ETF- und ETC-Gold merklich an-getrieben haben. Der ganz wesentliche strukturelle Effekt ist jedoch eine steigende Goldnachfrage.

 

Die Folgen der Rettungspolitiken, die die Regierungen und ihre Zentralbanken angesichts der Lockdown-Krise eingeleitet haben, scheinen immer mehr Investoren zu alarmieren: Sie befürchten, die stark steigenden Geldmengen werden die Güterpreise auf breiter Front in die Höhe treiben und die Kaufkraft des Geldes herabsetzen. Beispielsweise stieg die US-Geldmenge M1 (Bargeld und Sichtguthaben bei Banken) Mitte Mai 2020 um 31,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr, während die Geldmenge M2 (M1 plus längerfristige Bankeinlagen) um 22,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr zulegte (Abb. 2). Ähnlich dramatische Geldmengenausweitungen werden sich vermutlich sehr bald auch im Euroraum zeigen.

Die Politik der großen Zentralbanken der Welt ist darauf ausgerichtet, die Einkommensausfälle, die die Menschen und Unternehmen durch den Wirtschaftseinbruch erleiden, mit neu geschaffenem Geld zu bezahlen. Die Geldmengen werden ausgeweitet bei gleichzeitig rückläufiger Güterproduktion. Das ist geradezu ein Rezept für steigende Güterpreise auf brei-ter Front. Die Aussicht auf steigende Inflation ist für Anleger umso dramatischer, weil die Zentralbanken die Marktzinsen auf beziehungsweise unter die Nulllinie gedrückt haben. Steigende Inflation bei Null- oder Negativzinsen machen Anlageformen wie Bankguthaben und Schuldpapiere mit Sicherheit zum realen Verlustgeschäft.

Die weltweit fallenden Kapitalmarktzinsen üben einen wichtigen Einfluss auf die Goldnachfrage aus: Je niedriger die Marktzinsen sind, desto geringer sind auch die Opportunitätskosten der Goldhaltung. Wenn der Marktzins null ist, entgehen dem Goldhalter keine Erträge mehr, die er andernfalls mit dem Halten von zum Beispiel Bankguthaben und kurzlaufenden Schuldpapieren erzielen könnte; und bei negativen Marktzinsen wird die Goldhaltung noch attraktiver. Das erklärt auch den negativen Zusammenhang zwischen den US-Kurzfristzinsen und dem Goldpreis in USD/oz wie auch in anderen Währungen gerechnet.

 

AUFWÄRTSDRUCK AUF DEN GOLDPREIS

Aufgrund der stark steigenden Geldmengen und der fallenden Zinsen sowie auch unter Berücksichtigung der nach wie vor (künstlich) niedrigen Kreditprämien in den Finanzmärkten deutet unsere Langfristschätzung für den Goldpreis auf einen „fairen“ Wert von ungefähr 2.040 USD/oz an, wobei die Schätzfehler eine oberen Preisgrenze von 2.230 USD/oz und eine untere Preisgrenze von 1.842 USD/oz markiert. Aus heutiger Sicht hat der Goldpreis damit ein beträchtliches Aufwärtspotenzial von etwa 17 Prozent. Eine Eskalation der aktuellen Krise über den aktuellen Stand hinaus ist dabei nicht einmal ein-gerechnet.

Die Aussicht auf einen weiter steigenden Goldpreis wird den Silberpreis sehr wahrscheinlich beflügeln: Er ist seit geraumer Zeit stark abgeschlagen gegenüber dem Goldpreis. Aber die Historie lehrt: Früher oder später folgt der Silberpreis dem Goldpreis, und auf Phasen, in denen der Silberpreis hinter dem Goldpreis zurückgeblieben ist, folgen häufig Phasen, in denen der Silberpreis überproportional stark ansteigt. Genau diese Situation deutet sich bereits an, und Anleger, die mit einem steigenden Goldpreis rechnen, haben gute Gründe zumindest einen Teil ihrer Edelmetall-Anlage auch in Silber zu halten.

Der Bullenmarkt für Gold und Silber nimmt nun Fahrt auf. Dafür sorgen die Geldpolitiken der Zentralbanken. Sie sind bereit, die Kaufkraft der ungedeckten Währungen zu opfern, um damit einen Kollaps des Finanz‑, Wirtschafts- und Politiksystems, das sie mit ihrem inflationären ungedeckten Geldes (mit-) errichtet haben, zu verhindern. Es ist überfällig, dem ungedeckten Geld das Vertrauen zu entziehen Seine Kaufkraft bleibt nicht erhalten. Wer sich von Beschwichtigungen und beschönigender Propaganda befreit, der wird erkennen, dass das Misstrauen nicht nur gegenüber dem US-Dollar, sondern vor allem auch gegenüber dem Euro mehr als gerechtfertigt ist – und dass Gold und Silber die Möglichkeit bieten, dem Kaufkraftschwund der offiziellen Währungen zu entgehen. (ah)

 

Foto: Thorsten Polleit / © Degussa Goldhandel

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