“Regulierung legt nur Mindestanforderungen fest und kann Greenwashing nicht verhindern”

ESG ist das Thema der nächsten Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Prof. Dirk Söhnholz, u.a. Geschäftsführer Soehnholz ESG GmbH, ist ein profunder Kenner der Nachhaltigkeitsszenerie. Mit ihm sprach INTELLIGENT INVESTORS über Ratings, Regulierung, die Zukunftsaussichten und seinen neuen Fonds.
31. Dezember 2021
Prof. Dirk Söhnholz

ESG ist das Thema der nächsten Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Prof. Dirk Söhnholz, u.a. Geschäftsführer Soehnholz ESG GmbH, ist ein profunder Kenner der Nachhaltigkeitsszenerie. Mit ihm sprach INTELLIGENT INVESTORS über Ratings, Regulierung, die Zukunftsaussichten und seinen neuen Fonds.

INTELLIGENT INVESTORS: Herr Professor Söhnholz, können Sie uns zunächst einmal das Tätigkeitsspektrum der Soehnholz ESG GmbH darlegen?
Prof. Dirk Söhnholz: Die Soehnholz ESG GmbH bietet Modellportfolios für Vermögensverwalter und Vermittler an. Fokus sind konsequent nachhaltige Portfolios.

II: Gibt es sozusagen einen „USP“, der Sie auszeichnet?
Söhnholz: Mehrere. Es gibt hierzulande kaum professionelle Modellportfolioanbieter. In den USA und anderen Ländern ist der Markt dagegen sehr groß. Außerdem bietet die Soehnholz ESG GmbH eine sehr breite Palette von besonders streng nachhaltigen und transparenten Portfolios aus ETFs oder Aktien an. Zum Beispiel nutze ich Best-in-Universe E, S und G Ratings. Bei diesen werden nur die branchenunabhängig nachhaltigsten Unternehmen selektiert, anstatt die relativ besten auch aus nicht-nachhaltigen Marktsegmenten wie traditioneller Energieproduktion auszuwählen.

II: Man gewinnt den Eindruck, dass spätestens 2021 jeder Anbieter auf der ESG-Welle mitsurfen möchte. Täuscht der Eindruck? Worauf müssen Kunden schauen, um die „Spreu vom Weizen“ zu trennen?
Söhnholz: ESG-Angebote nehmen schnell und stark zu, und das ist auch gut so. Grund dafür sind zunehmende Regulierung und Nachfrage sowie gute Gewinnmöglichkeiten für die Anbieter.

Anleger und Vermittler sollten zunächst den Durschautest machen. Oft kann man schon beim ersten Blick in die Portfolios sehen, dass einige Bestandteile den eigenen Nachhaltigkeitsanforderungen nicht entsprechen. Auch die kostenlosen und nach individuellen Kriterien durchsuchbaren Fondsprofile des Forums Nachhaltige Geldanlagen sind sehr hilfreich. Vorher kann man das ebenfalls kostenlose „Policies for Responsible Investment Scoring Concept“ der DVFA (DVFA PRISC) nutzen, um die eigenen Nachhaltigkeitspolitik zu bestimmen.

II:Wie schätzen Sie den Stellenwert von ESG-Ratings ein?
Söhnholz: ESG-Ratings sind sehr wichtig, weil sie sehr viele nachhaltigkeitsrelevante Informationen zu Gesamturteilen verknüpfen. Allerdings können sich solche Ratings dementsprechend auch relativ stark voneinander unterscheiden. Man sollte deshalb nur mit Ratings arbeiten, deren Konzept man für gut hält.

II: Wo sehen Sie, speziell bei den Anbietern entsprechender nachhaltiger Produkte, noch den größten Nachholbedarf?
Söhnholz: Anbieter und Anleger sollten nicht anstreben, möglichst ähnlich wie traditionelle Indizes zu investieren. Gerade zu hohe Diversifikationsanforderungen sind oft ein Problem, besonders für große Fonds bzw. Anbieter. Dafür müssen meist zu viele Nachhaltigkeitskompromisse gemacht werden. Überspitzt könnte man sagen, dass ETF-Investing der größte Nachhaltigkeitsfeind ist. Meine Portfolios sind alle völlig benchmarkunabhängig und performen trotzdem oft ähnlich wie traditionelle Vergleichsindizes. Nachhaltigkeit wird zudem oft sehr unterschiedlich eingeschätzt. Einfache Individualisierungsmöglichkeiten sind deshalb sehr wichtig. Modellportfolios sind eine sehr gute Basis für Individualisierungen. Sie werden aber erst sehr selten angeboten.

II: Wie bewerten Sie generell die politischen regulatorischen Schritte in Sachen ESG/Green Washing etc.?
Söhnholz: Aktuelle Regulierung soll nachhaltige Investments fördern. Das finde ich grundsätzlich gut. In der Umsetzung sehe ich aber noch viel Verbesserungsbedarf. Klar ist, dass Regulierung nur Mindestanforderungen festlegen und Greenwashing nicht verhindern kann. Es ist aber falsch, fehlende oder unausgereifte Regulierung als Vorwand zu benutzen, um sich mit nachhaltigen Investments zurückzuhalten.

II: Wie wird sich das Nachhaltigkeitssegment in den nächsten Jahren entwickeln?
Söhnholz: Der Markt wird sicher weiter stark wachsen. Es wird aber auch vorübergehende Wachstumsdellen geben, wenn nachhaltige Investments unterdurchschnittlich performen, so wie das teilweise in 2021 zum Beispiel bei erneuerbaren Energien der Fall war.

II: Seit Mitte August 2021 ist Ihr Fonds FutureVest Equity Sustainable Development Goals R (Artikel 9) auf dem Markt. Welcher Investmentphilosophie liegt dem Angebot zugrunde? An wen richtet sich das Produkt?
Söhnholz: Mit dem Fonds soll mein nachhaltigstes Portfolio möglichst einfach zugänglich gemacht werden. Ich habe dafür 30 Aktien ausgewählt, die möglichst komplett in Marktsegmenten tätig sind, die im Einklang mit den Nachhaltigen Entwicklungszielen der Vereinten Nationen stehen. Das sind vor allem Gesundheit, grüne Infrastruktur und erneuerbare Energien. Zusätzlich müssen alle Aktien hohe und vor allem separate Best-in-Universe Umwelt‑, Sozial- und Unternehmensführungsratings aufweisen. Natürlich werden auch umfassende Ausschlusskriterien genutzt. Trotz dieser strengen Nachhaltigkeitsanforderungen hat das dem Fonds zugrunde liegende Modellportfolio seit 2017 sehr gut performt.

Grundsätzlich ist mein Artikel 9 Fonds für alle Anlegergruppen geeignet. Aber Großanleger erwarten meist eine relativ lange Fondshistorie und ein hohes Fondsvolumen, bevor sie investieren. Deshalb ist der Fonds auf Anleger angewiesen, denen eine konsequente Nachhaltigkeitsorientierung wichtiger als solche formalen Anforderungen sind.

II: Bei Artikel 9 ‑Fonds steht der Impact im Mittelpunkt. Doch wie viel Impact haben entsprechende Impact-Fonds wirklich?
Söhnholz: Direkter positiver Impact ist auch mit Artikel 9 Fonds meist kaum zu erreichen, weil an den Zweitmärkten kein zusätzliches Kapital zur Verfügung gestellt wird. Man sollte aber den indirekt möglichen Impact nicht unterschätzen. Mehr Nachfrage nach nachhaltigen Angeboten sollte deren Finanzierungsbedingungen verbessern. Wenn man nur in die nachhaltigsten Unternehmen und Staaten investiert, sollten die anderen angeregt werden, ebenfalls nachhaltiger zu werden. Ideal wäre es, wenn Anleger das auch offen kommunizieren und transparent machen würden. (ah)

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