Quartiersentwicklungen – im Leerstand liegt viel Potenzial

Unter Immobilienentwicklern ist – genau wie bei Investoren – seit einiger Zeit ein Begriff in aller Munde: das urbane Quartier. Wachsende Investmentvolumina in gemischt genutzte Wohn- und Gewerbeareale, oftmals ergänzt um eigene Kultur- und Freizeitangebote, etablieren sich immer stärker als eigene Assetklasse. Dem CBRE-Quartiersreport zufolge lag das Transaktionsvolumen für entsprechende Areale bei rund neun Milliarden Euro, was dem achtfachen Wert von 2013 entspricht. Auch 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, war das Volumen dem Bericht zufolge mit etwa fünf Milliarden Euro beachtenswert.
15. März 2022
Philipp Pferschy - Foto: © GIEAG Immobilien AG

Unter Immobilienentwicklern ist – genau wie bei Investoren – seit einiger Zeit ein Begriff in aller Munde: das urbane Quartier. Wachsende Investmentvolumina in gemischt genutzte Wohn- und Gewerbeareale, oftmals ergänzt um eigene Kultur- und Freizeitangebote, etablieren sich immer stärker als eigene Assetklasse. Dem CBRE-Quartiersreport zufolge lag das Transaktionsvolumen für entsprechende Areale bei rund neun Milliarden Euro, was dem achtfachen Wert von 2013 entspricht. Auch 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, war das Volumen dem Bericht zufolge mit etwa fünf Milliarden Euro beachtenswert.

Doch allzu häufig dreht sich die Fachdebatte um groß angelegte Neubauprojekte, die komplett auf der grünen Wiese entstehen. In der Realität ist dies jedoch nicht immer der Fall, ganz im Gegenteil. Die wachsende Zahl von Brachen und leer stehenden Bestandsimmobilien bietet ein großes Potenzial dafür, dass ein modernes Quartier durch Wiederaufbau beziehungsweise Revitalisierung und Nachverdichtungen entsteht. Aus Investmentsicht bieten sich dabei Chancen für einen günstigen Markteintritt und eine langfristige Wertschöpfung, die einen sozialen Mehrwert für das umliegende Stadtviertel schaffen kann. Voraussetzung: Ein erfolgreicher Mix aus Alt und Neu sowie aus lebenswert und funktional.

Die Zahl der Brachen und Leerstandsimmobilien nimmt zu

Das Umweltbundesamt hat analysiert, dass seit den 1990er-Jahren der Brachflächenbestand in Deutschland kontinuierlich zugenommen hat. Für die erste Hälfte der vergangenen Dekade wurde der Gesamtbestand auf bis zu 176.000 Hektar geschätzt, wobei sich diese Tendenz in den vergangenen Jahren eher noch verstärkt haben dürfte. Schließlich sorgen New Work, veränderte Lieferketten und der allgemeine wirtschaftliche Strukturwandel dafür, dass immer mehr veraltete Immobilien in ihrer ursprünglichen Nutzungsweise nicht mehr vermietbar sind.

Zugleich ist der marktaktive Leerstand im Wohnsegment erstmals seit 14 Jahren gestiegen. Ende 2020 lag er bei 611.000 Wohneinheiten, wie der CBRE-empirica-Leerstandsindex 2021 zeigt. Demnach wächst der Leerstand nicht mehr nur in Schrumpfungsregionen, sondern inzwischen auch in den Schwarmstädten und A‑Städten.

Keine Frage: Nicht jede Brache von heute eignet sich als Vorzeigequartier von morgen. Doch ausgewählte Areale, die relativ zentral in den jeweiligen Städten liegen, oder aber Flächen von früheren Gewerbegebieten, die an existierende Wohngebiete angrenzen, bieten häufig eine ideale Ausgangsbasis: Sie verfügen über eine etablierte Infrastruktur, sind gut mit dem öffentlichen Nahverkehr zu erreichen und haben das Potenzial, ein urbaner Mittelpunkt zu werden.

Wohnungsoffensive im Bestand

Die aktuelle Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr zu realisieren. Welche Möglichkeiten die Neuentwicklung von Bestandsimmobilien dabei bietet, zeigt

eine aktuelle Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (ARGE). Demnach könnten durch den Umbau bestehender Gebäude mehr als 4,3 Millionen neue Wohnungen entstehen. Allein die Konversion von leer stehenden Büroflächen bietet Potenzial für rund 1,9 Millionen neue Wohnungen – zu vergleichsweise niedrigen Gestehungskosten. Der Umbau von veralteten Büros zur Wohnimmobilie kostet der Studie zufolge pro Quadratmeter Wohnfläche nicht einmal 1.300 Euro. Zum Vergleich: Im Neubau sind es mehr als 3.400 Euro.

Mit anderen Worten: Anstelle einer aufwendigen Neuentwicklung moderner Quartiere von der Pike auf drängt sich angesichts der enormen Umnutzungspotenziale ein Aufsetzen auf bestehende Quartiersstrukturen geradezu auf – nicht nur aus Umweltüberlegungen heraus, sondern insbesondere auch aus Investmentsicht.

Lebensqualität als Erfolgsfaktor für Investoren

Von diesen Potenzialen profitieren vor allem diejenigen Entwickler und Investoren, die im Rahmen einer Quartiersmodernisierung nicht nur Neu und Alt architektonisch in Einklang bringen. Entscheidend ist zudem, ein harmonisches Miteinander zwischen Wohn- und Büroimmobilien zu schaffen – inklusive hoher Lebensqualität zum einen und produktivem Arbeitsumfeld zum anderen.

Die Architektur eines traditionsreichen Fabrikgeländes lässt sich beispielsweise bei der Ausgestaltung von Erweiterungsbauten mit aufnehmen – und im Idealfall hierbei auch dessen Geist jener Zeit einfangen. Auch hierbei liegt der Schlüssel in der Vielfalt. Etwa wenn eine Mischung aus denkmalgeschützten Objekten und postmoderner, nachhaltiger Architektur entsteht. Alt und Neu innerhalb einer attraktiven Neuentwicklung zu verknüpfen, bedeutet zugleich in der Praxis, bestehende Baudenkmäler zu sanieren und beispielsweise durch frei stehende Neubauten zu ergänzen.

Aufwertung durch Mobilitätskonzepte und intelligente Nachverdichtung

Parallel liefern kürzere Wege zur Arbeit, die zugleich das Problem der verstopften städtischen Verkehrswege lösen, ein zusätzliches – funktionales – Plus, das den Menschen in den Quartieren das tägliche Leben und Arbeiten erleichtert. Hierbei helfen insbesondere moderne Mobilitätskonzepte, die beispielsweise die vorhandenen Bus- und Bahnlinien um ein modernes Carsharing-Angebot erweitern, um den traditionellen Individualverkehr so weit wie möglich zu ersetzen. Entsprechend weniger Fläche muss beispielsweise für Parkplätze konzipiert werden – stattdessen kann mehr Wohn- oder Arbeitsfläche entstehen.

Eine wichtige Rolle spielt für eine erfolgreiche Neugestaltung eines Quartiers zudem die Nachverdichtung. Sie bietet nicht nur eine umweltfreundliche Alternative zum grassierenden Flächenfraß. Durch eine intelligente Nachverdichtung lassen sich zudem kostensparend Bestandsgebäude zu attraktiven Investment-Cases aufwerten. Beispielsweise können neue Wohneinheiten in Form von Dachgeschossausbauten entstehen, oder aber bereits versiegelte Flächen werden mit neuen frei stehenden Gebäuden bebaut. Somit werden die – immer teurer werdenden – städtischen Grundstücke auch aus ökonomischer Sicht deutlich besser genutzt, als von den ursprünglichen Bauherren geplant war.

Gastbeitrag von Philipp Pferschy, Vorstand, GIEAG Immobilien AG

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