Die Berichtssaison ist eröffnet und verspricht neue Impulse für die Aktienmärkte. Mit JPMorgan startete die weltgrößte Bank mit der Veröffentlichung ihrer Quartalszahlen für das abgelaufene Q4 2024 die entsprechende Berichtssaison. Der Datenkranz lag über den Erwartungen der Analysten. So schloss die Bank das Geschäftsjahr 2024 besser als prognostiziert ab und konnte die Ertragsprognose für 2025 ebenfalls nach oben anpassen. Schon die letzten Tage vor dieser Veröffentlichung zogen vor allem die US-Bankwerte an. Dies hängt insbesondere mit der Aussicht auf bessere Nettozinsergebnisse im laufenden Jahr zusammen, die daraus resultieren, dass der Markt nun weniger mit Zinssenkungen der US-Notenbank Fed rechnet.
Generell sind die Erwartungen an die bevorstehende Berichtssaison für das vierte Quartal 2024 geprägt von vorsichtigem Optimismus, jedoch auch Unsicherheiten angesichts makroökonomischer Herausforderungen. Analysten gehen davon aus, dass die Unternehmen im Durchschnitt moderate Gewinnsteigerungen verzeichnen werden, die vor allem auf Preisanpassungen und Effizienzsteigerungen zurückzuführen sind. Wir gehen hier von einem Gewinnwachstum in den USA im hohen einstelligen Bereich im Vergleich zum Vorjahresquartal aus.
Gleichzeitig belasten gestiegene Finanzierungskosten und eine zurückhaltende Konsumnachfrage in Schlüsselbranchen wie Einzelhandel und Automobilsektor die Margen. Besonders Technologieunternehmen und der Energiesektor könnten jedoch positiv überraschen, da diese von strukturellen Trends wie der Digitalisierung und anhaltend hoher Nachfrage nach erneuerbaren Energien profitieren.
Besonders spannend wird sein, welche Einblicke wir von den Unternehmen bekommen werden, wie sie sich auf die neue US-Regierung und vor allem deren Handelspolitik einstellen. Insgesamt bleibt das Umfeld angespannt, und Unternehmen könnten sich in ihren Ausblicken zurückhaltend äußern, was das Potenzial für Enttäuschungen erhöht. Wir teilen den verhaltenen Optimismus gerade für US-Aktien, auch wenn diese mit einem durchschnittlichen Kursgewinnverhältnis von 22x im S&P 500, im Gegensatz zu einem Kursgewinnverhältnis von knapp 14x in Europa, durchaus sportlich bewertet sind. Allerdings liegen die Schätzungen des Gewinnwachstums pro Aktie in den USA mit ca. 10% auf die nächsten 12 Monate deutlich höher als in Europa mit knapp 4%.
Auf Sektorebene wird vor allem der Fokus auf den Finanzsektor liegen, da Banken und Versicherer von der bisherigen Zinsentwicklung und gestiegenen Kreditrisiken betroffen sein könnten, was sich im Falle von JP Morgan nicht materialisiert hat. Während höhere Zinsen grundsätzlich die Margen im Bankensektor stützen, könnten gestiegene Ausfallrisiken und eine schwächere Kreditnachfrage die Gewinne belasten.
In Europa sehen sich Banken, im Gegensatz zu den US-amerikanischen Mitbewerbern, noch mit einem Umfeld sinkender Zinsen konfrontiert. Somit wird es darauf ankommen, wie gut die hiesigen Banken durch Effizienzsteigerungen und Kostenmanagement abschmelzende Nettozinsergebnisse kompensieren können.
Im Konsumgütersektor dürften große Markenunternehmen aufgrund ihrer Preissetzungsmacht weiterhin solide Ergebnisse vorlegen, während kleinere Anbieter stärker unter den veränderten Verbrauchergewohnheiten und steigenden Produktionskosten leiden könnten. Der Industriesektor zeigt gemischte Signale: Während globale Lieferketten sich stabilisiert haben, bremsen schwächere Investitionsausgaben in wichtigen Märkten das Wachstum. Insgesamt wird erwartet, dass die Unternehmen stärker auf Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen angewiesen sein werden, um die Profitabilität aufrechtzuerhalten.
Die Berichtssaison birgt ein hohes Enttäuschungspotenzial, insbesondere bei Unternehmen mit hohen Bewertungen und ambitionierten Gewinnprognosen. Sektorübergreifend wird sich zeigen, wie gut Unternehmen mit den Belastungen durch Inflation, geopolitische Unsicherheiten und volatile Rohstoffpreise umgehen konnten. Die Marktreaktionen könnten besonders stark ausfallen, wenn Unternehmen niedrigere Margen oder einen vorsichtigeren Ausblick für 2025 ankündigen. Anleger werden besonders darauf achten, ob Unternehmen in Wachstumsbranchen wie Technologie und erneuerbare Energien ihre ambitionierten Ziele erreichen können. Insgesamt dürften solide Ergebnisse bereits in den Aktienkursen eingepreist sein, während Enttäuschungen überdurchschnittliche Kursverluste nach sich ziehen könnten. Das Zusammenspiel von kurzfristigen Gewinnen und langfristigen Trends wird daher entscheidend für die Bewertung der Berichtssaison durch die Märkte sein.
Marc Decker, Co-Aktienchef von Quintet, der Muttergesellschaft von Merck Finck