Anleger ihre Portfolios jetzt kritisch auf Schlechtwettertauglichkeit prüfen. Das ist eine der Kernaussagen von Marian Heller, CFA, Senior Portfoliomanager, BKC Asset Management, zu den Entwicklungen an den Anleihemärkten.
Unruhe auf den Anleihemärkten: Wo ergeben sich jetzt Chancen, wo lauern die Gefahren?
Während die Schlagzeilen derzeit vom Ukraine-Konflikt dominiert werden, wissen wir doch aus der Vergangenheit: Politische Börsen haben kurze Beine. Längerfristig relevant sind sie abseits von lokalen Märkten so weit, wie sie die globale Wachstums- und Inflationsentwicklung mitbestimmen.
Nachhaltiger Treiber großer Bewegungen bleiben die bevorstehenden Zinsanhebungen, mit wichtigen Implikationen für die Portfoliopositionierung. Zinsanhebungen sind nicht per se problematisch, in der Vergangenheit haben Kapitalmärkte darauf zunächst oft wohlwollend reagiert, erst zum Ende des Zyklus wurde es ungemütlicher. Problematisch sind Zinsanhebungen jedoch, wenn sie in einem Umfeld fallender Wachstums- und Inflationsraten erfolgen, vor allem wenn die geldpolitische Straffung durch einen Abbau der Zentralbankbilanzen noch verstärkt wird. Genau dieses Szenario droht dieses Jahr.
Trendwende bei Inflations- und Wachstumsraten
Auch wenn sich Inflationswerte rund um den Globus derzeit noch auf Rekordniveaus bewegen, zeichnet sich bereits eine baldige Trendwende ab. Natürlich können die anhaltend hohen Energiepreise sowie hartnäckige Lieferkettenengpässe die Werte noch eine Weile oben halten, möglicherweise sogar noch steigern. Doch hinter den Kulissen beginnen im zweiten Quartal mächtige Basiseffektive zu wirken, die einen Rückgang der Inflation mathematisch fast unausweichlich machen. Diese Entwicklung geht einher mit einer nachlassenden Wachstumsdynamik, welche bereits anhand erster Frühindikatoren sowie den sehr hohen Basiseffekten aus dem 2. Quartal 2021 deutlich wird.
Damit zeichnet sich ein eher spätzyklisches Bild. Eine Phase also, in der wir üblicherweise näher dem Ende als dem Anfang der Zinserhöhungen stehen müssten. Anders als in einigen Schwellenländern sind die Zentralbanken der entwickelten Welt leider mehrheitlich „hinter der Kurve“.
Diese Sichtweise wird von der amerikanischen Zinsstrukturkurve geteilt. Bereits seit März 2021 flacht die Kurve ab, in den letzten Wochen mit beschleunigtem Momentum. Die Differenz zwischen zehn- und zweijährigen Treasuries beträgt inzwischen nur noch 42 Basispunkte. Invertiert die Kurve, ist dies ein sehr starkes Indiz auf eine bevorstehende Rezession.
Ein solches Umfeld birgt in Kombination mit einer straffenden, also liquiditätsentziehenden Geldpolitik, hohe Gefahren für erhebliche Korrekturen in Vermögenswerten. Fortdauernde Abverkäufe bei Aktien und die Ausweitungen der Risikoaufschläge bei Anleihen mit Kreditrisiken wären die Folge.
Präferenz für Durations- statt Bonitätsrisiken
Unserer Ansicht nach ist es daher sinnvoll, zyklisches Aktienexposure und Spreadrisiken zu reduzieren. Besonders hohe Gefahren lauern in Hochzinsanleihen: Zurückgehende Cashflows treffen hier auf höhere Finanzierungskosten und eine sich eintrübende Liquidität; ein toxisches Gemisch für die Anlageklasse.
Gleichzeitig bietet der Zinsanstieg attraktive Kaufgelegenheiten in bonitätsstarken Anleihen längerer Laufzeiten. Konstruktives Durationsexposure ist ein wichtiger Baustein in einem Umfeld fallender Wachstums- und Inflationsraten, vor allem wenn dies mit einer Risikoaversion der Marktteilnehmer einhergeht.
Zinsvorteile in Schwellenländern mit starken Bonitäten
Zinsanlagen in Währungsräumen, deren Zentralbanken bereits im letzten Jahr vorsorglich Leitzinsen angehoben haben und / oder deren Inflation unter Kontrolle ist, bieten attraktive Zinsvorteile gegenüber Euro- und US-Dollaranleihen. Sie können das Portfolio breiter diversifizieren und die laufende Rendite steigern, ohne dass dafür substanzielle Kreditrisiken eingegangen werden müssen. So bieten z. B. mit AA- bewertete zweijährige tschechische Staatsanleihen einen Renditeaufschlag von 330 Basispunkten im Vergleich zu BBB- bewerteten italienischen EUR Anleihen ähnlicher Laufzeit.
Chinesische Renminbi-Anleihen bieten Realrenditen, die derzeit mehr als sechs Prozent über deutschen Staatsanleihen liegen. Investoren, deren Nachhaltigkeitsansatz Anlagen in chinesischen Staatsanleihen ausschließt, können ein solches Zinsexposure zum Beispiel via AAA bewerteter Anleihen supranationaler Entwicklungsbanken wie etwa der Weltbank ins Portfolio holen, teilweise sogar mit leichten Prämien gegenüber den Staatsanleihen.
Zinsen in „sicheren Häfen“ sind jetzt wieder höher
Auch in Schweizer Franken und Japanischen Yen notierte Staatsanleihen sind wieder attraktiv. Japanische Staatsanleihen handeln überwiegend mit Prämie, die Schweizer Pendants in mittleren Laufzeiten inzwischen auf gleichem Niveau wie Bundesanleihen. Gleichzeitig haben ihre Währungen wertvolle Eigenschaften als „sichere Häfen“, werten häufig gerade in risikoaversen Marktphasen gegenüber dem Euro auf und können so das Gesamtportfolio stabilisieren.
Fazit
Wichtig ist, dass Anleger ihre Portfolios jetzt kritisch auf Schlechtwettertauglichkeit prüfen. Viele Marktteilnehmer setzen weiterhin auf die „Buy the dip“-Strategie, die seit dem Corona-Crash so gut funktioniert hat. Anziehende Risikoaufschläge in den Kreditmärkten signalisieren jedoch: Diesmal könnte die Strategie nicht aufgehen. Wenn deutlich wird, dass das Reflationsumfeld vorbei ist, könnte noch sehr viel mehr Verkaufsdruck entstehen.