Opportunitäten durch „Stranded Assets“ im Immobilienmarkt

Hinter den Kulissen der Immobilienbestandshalter wird gerade analysiert, gerechnet und sortiert. In ESG-getriebenen „Work-outs“ werden Portfolios unterteilt in Objekte, die bereits nachhaltig sind, solche, die man selbst auf den neusten Standard bringen möchte und die Verkaufskandidaten. Genau diese, als „Stranded Assets“ gebrandmarkten Gebäude, bieten den größten Hebel für Verbesserungen im Kampf gegen den Klimawandel – und enormes Wertsteigerungspotenzial in einem engen Markt.
15. Februar 2022
Boris Schran - Foto: © Peakside Capital Advisors

Hinter den Kulissen der Immobilienbestandshalter wird gerade analysiert, gerechnet und sortiert. In ESG-getriebenen „Work-outs“ werden Portfolios unterteilt in Objekte, die bereits nachhaltig sind, solche, die man selbst auf den neusten Standard bringen möchte und die Verkaufskandidaten. Genau diese, als „Stranded Assets“ gebrandmarkten Gebäude, bieten den größten Hebel für Verbesserungen im Kampf gegen den Klimawandel – und enormes Wertsteigerungspotenzial in einem engen Markt.

Der deutsche Investmentmarkt für Immobilien ist begehrt wie nie zuvor. Mangels renditebringender Anlagealternativen erreichte er laut JLL mit rund 111 Milliarden Euro Transaktionsvolumen im vergangenen Jahr ein neues Rekordhoch. Die Spitzenrenditen sanken weiter – auf 2,64 Prozent bei Büro, auf 3,03 Prozent bei Logistik. Selbst die mit einem Fragzeichen versehenen Shopping Center blieben stabil auf einem Niveau von 4,85 Prozent. Trotz der Umwälzungen durch veränderte Nutzer- und Gebäudeanforderungen ist weiterhin viel Kapital im Markt.

Der Treiber für die neuen Gebäudeanforderungen ist vor allem die Eindämmung des Klimawandels und damit der Notwendigkeit zur CO2-Reduktion. Genaue gesetzliche Vorgaben werden teils noch erarbeitet, aber es ist klar wohin die Reise geht: Banken, Investoren, Mieter, die Gesamtwirtschaft – alle verpflichten sich zur Klimaneutralität ihres Geschäfts. Viele setzen sich dabei ambitioniertere Ziele als die Politik sie vorgibt. So steigt bereits jetzt auf Mieterseite die Nachfrage nach Gebäuden mit hohen ESG-Standards, zunächst vor allem im gewerblichen Bereich. Die ersten Gesuche nach Net-Zero-Mietflächen sind bereits Realität und es werden mehr.

Neue Werte in alten Assets

Konkret bedeutet das für die Immobilienbranche, dass Assets sowohl auf der Eigenkapital- als auch auf der Fremdkapitalseite gerade auf dem Prüfstand stehen. Auf dem Weg in die Klimaneutralität analysieren Bestandshalter derzeit ihre Portfolios und kategorisieren die einzelnen Objekte als „bereits zukunftsfähig“, „leicht umwandelbar“ oder mit „Stranding-Risiko“ behaftet.

Doch im Gegensatz zu manch anderer Assetklasse liegen auch in der „gestrandeten“ Immobilie Werte: Das fängt beim Grundstück an, für das auch bei nicht zur Modernisierung geeigneten Objekten vor allem in Städten wegen des anhaltenden Flächenmangels ein hoher Preis aufgerufen werden kann. Hinzu kommen nicht-monetäre Werte, wie beispielsweise ein erhaltenswertes historisches Ensemble oder die Bausubstanz an sich als CO2-Speicher und zur Vermeidung von weiterem Energieeinsatz durch Abriss (Stichwort „Graue Energie“).

Entsprechend gehen wir auch nicht von einem plötzlichen Preisverfall von älteren Immobilien aus, gerade weil es immer noch sehr viel Kapital im Markt gibt, das weiterhin Sachwerte ins Portfolio aufnehmen will. Die Risikobereitschaft zur Aufnahme von Value-Add-Investitionen anstatt sich auf Core oder Core-Plus zu fokussieren ist durch den starken Wettbewerb und den Fall der Renditen ebenfalls gestiegen.

Ressourcen, Hierarchien, Know-how: die Grenzen des Eigenengagements

Das Angebot für Value-Add-Investoren wächst weiter. Bestandshalter entscheiden gerade, an welchen der Assets mit umfangreichem Modernisierungsbedarf sie selbst arbeiten wollen, und welche veräußert werden sollen, um das eigene Portfolio auf den höchstmöglichen ESG-Standard zu heben. Das dauert seine Zeit, denn die Kosten-Nutzen-Analyse ist kompliziert. Viele haben zunächst an der Verfügbarkeit und Vergleichbarkeit der nötigen Datenbasis gearbeitet, um die Ausgangslage zu ermitteln. Nach dem Überblick über den Stand der einzelnen Objekte folgt jetzt der Maßnahmenkatalog, mit dem der CO2-Footprint verbessert werden kann. Hinzu kommen die Kostenanalyse und die Auswahl von Dienstleistern, die bei der Umsetzung unterstützen können. Zwar konnten vielerorts einige „Quick Wins“ bereits verbucht werden, doch sehr schnell geht es ans Eingemachte, ins Technische, was mit einer entsprechenden Komplexität einhergeht. Zur weiteren Optimierung werden Spezialisten benötigt, Know-how und Ressourcen, die die wenigsten Bestandshalter im erforderlichen Umfang im eigenen Hause vorhalten. Hinzu kommen oft wenig flexible Hierarchien, die häufig schnelle Entscheidungen, die für eine Vielzahl an aktiven Projekten benötigt werden, verhindern.

In der Priorisierung werden daher Objekte mit überschaubarem Aufwand nach vorne gestellt. Aussortiert werden vor allem kleinere Assets, bei denen vermutet wird, dass sich der Aufwand nicht lohnt. Aber auch einige größere Projekte werden kritisch betrachtet, denn der Umfang der Eigenarbeit am Portfolio ist klar durch die Zahl der Mitarbeiter begrenzt. Durch den teilweise selbst vorgegebenen Zeitdruck zum Erreichen der eigenen Klimaziele kristallisiert sich so ein Verkaufsportfolio heraus.

Genau hier kommen erfahrene Value-Add-Manager ins Spiel, die umfangreiche Renovierungen oder auch Konversionen in andere Nutzungsarten handhaben können. Neben „Manage-to-Green“-Strategien, etwa für in die Jahre gekommene Bürogebäude, sehen wir aktuell insbesondere Potenzial in der Umwandlung von Einzelhandelsobjekten oder Hotels in Büros oder Wohnungen. Die einzelnen Maßnahmen zur Angleichung an modernste ESG-Standards sind dabei so unterschiedlich wie die Objekte selbst. Sie reichen im Bereich Umwelt von der Umstellung auf nachhaltige Energie über die Erneuerung von Fassade, Dämmung oder Haustechnik bis hin zur Entkernung des Gebäudes oder der Erhöhung der Biodiversität am Standort. Unter die Komponente Soziales fallen unter anderem Maßnahmen zur Erhöhung des Mitarbeiter- bzw. Aufenthaltskomforts, Umbauten zur Barrierefreiheit oder Schaffung von bezahlbarem Wohnraum.

Klar ist: Der Handlungsdruck auf die Bestandshalter steigt. Dadurch steigt auch das Angebot, was wiederum Chancen für Value-Add-Investoren mit sich bringt. Viele der in den Verkauf kommenden Immobilien haben trotz starker Preise ein hohes Wertsteigerungspotenzial. Und das bedeutet: Gerade die von den Bestandshaltern identifizierte Schwäche ist die Chance des Investments.

Gastbeitrag von Boris Schran, Managing Partner, Peakside Capital Advisors, Frankfurt

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