Die Wegzugsbesteuerung dient dem Zweck, einer Flucht vor der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft durch vorzeitigen Wegzug des Gesellschafters ins Ausland zu begegnen. Eine Gesetzesreform verschärft jetzt die steuerlichen Bestimmungen zur Wegzugssteuer und macht bisherige günstige Gestaltungen unmöglich.
Viele vermögende Unternehmer sind sehr international ausgerichtet und sehen daher, beispielsweise nach dem Ende ihrer operativen beruflichen Tätigkeit, keinen Grund mehr, in Deutschland zu bleiben oder wollen sich im Rahmen ihrer Unternehmertätigkeit aus bestimmten Gründen im Ausland niederlassen. Insbesondere die Nachbarländer Schweiz und Österreich stehen bei der Verlagerung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes (also des Lebensmittelpunktes bei mehreren Wohnsitzen) hoch im Kurs.
Das hat weitreichende steuerliche Folgen. Denn auf Personen, die eine gewisse Zeit in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlagen und innerhalb der vergangenen fünf Jahre zumindest ein Prozent der Anteile an einer Gesellschaft hielten, kommt die sogenannte Wegzugsbesteuerung zu. Diese wiederum kann eine erhebliche steuerliche Sonderbelastung auslösen. Generell dient die Wegzugsbesteuerung dem Zweck, einer Flucht vor der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft durch vorzeitigen Wegzug des Gesellschafters ins Ausland zu begegnen.
Stille Reserven werden bei Wegzug aufgelöst und besteuert
Der Hintergrund: Mit dem Wegzug des Gesellschafters ins Ausland ist auch eine Verlagerung der Besteuerungshoheit verbunden. Im Rahmen dieser Besteuerung werden bei GmbH-Geschäftsanteilen und gegebenenfalls auch bei Anteilen an Personengesellschaften wie der KG beziehungsweise GmbH & Co. KG oder der GbR stille Reserven (fiktiv) aufgelöst, die zu versteuern sind. Der Steuerpflichtige wird damit steuerlich so gestellt, als ob er seine Beteiligung veräußert hätte. Vereinfacht gesagt führt dieser Vorgang dazu, dass die Differenz zwischen Buchwert und Verkehrswert der Anteile zum persönlichen Einkommensteuersatz des Steuerpflichtigen besteuert wird. Bei vermögenden Unternehmern liegt dieser regelmäßig bei bis zu 45 Prozent. Die Besteuerung erfolgt dabei im Teileinkünfteverfahren. Es werden 60 Prozent der zu versteuernden Kapitaleinkünfte dem persönlichen Einkommensteuersatz des Anteilseigners unterworfen. Die übrigen 40 Prozent bleiben einkommensteuerfrei. Gleiches gilt für die Versteuerung von Veräußerungsgewinnen ohne Wegzug.
Es ergeben sich negative Auswirkungen auf die Mobilität
Die steuerlichen Folgen eines Wegzugs können also erheblich sein. Und die gesetzliche Umsetzung der von der EU verfügten Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG) sieht weitere Verschärfungen für wegzugswillige Vermögensinhaber vor. Kurz gesagt: Die Wegzugsbesteuerung für Gesellschafter von Kapitalgesellschaften nach § 6 AStG (Außensteuergesetz) wird vollständig neu formuliert. Hierdurch ergeben sich negative Auswirkungen auf die (dauerhafte) internationale Mobilität von vermögenden Privatpersonen. Bislang wurde für den persönlichen Anwendungsbereich vorausgesetzt, dass der Steuerpflichtige für mindestens zehn Jahre in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war. Diese Frist musste jedoch nicht an einem Stück erfüllt werden, sondern es werden alle Zeiträume im Laufe des gesamten Lebens bis zum Wegzug berücksichtigt. Nach der neuen Regelung ist eine unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland von mindestens sieben Jahren in den letzten zwölf Jahren notwendig. In der Praxis führt dies zu einer Verschärfung in den meisten Fällen.
Keine Umgehung mehr durch großzügige Stundungsregeln
Die wesentlichste Änderung und Verschärfung durch das ATADUmsG ist die Abschaffung der zinslosen und unbefristeten Stundung beim Wegzug in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Europäischen Wirtschaftsraums. Nach der bisherigen Rechtslage kann eine zeitlich unbegrenzte und unverzinsliche Stundung der Wegzugssteuer ohne Sicherheitsleistung erreicht werden, wenn ein EU-/EWR-Bürger in ein anderes EU-/EWR-Mitgliedsland zieht. Die Stundung erfolgt dabei grundsätzlich für unbestimmte Dauer, sodass zunächst keine Zahlungen durch den Steuerpflichtigen zu leisten sind. Voraussetzung ist lediglich, dass die wegziehende Person in dem EU-/EWR-Mitgliedsstaat einer mit der deutschen Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt und dass gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Steuern besteht. Diese Möglichkeit, de facto der Wegzugsbesteuerung durch großzügige Stundungsregeln zu umgehen, wird mit dem ATADUmsG vollständig abgeschafft. Das heißt: Die Wegzugssteuer ist künftig in allen Fällen grundsätzlich sofort fällig. Jedoch kann auf Antrag eine zinsfreie Ratenzahlung in sieben gleich hohen Jahresraten erlangt werden, der in der Regel gegen Sicherheitsleistung zugestimmt wird.
Wegfall der unbegrenzten Rückkehrmöglichkeit ohne Sicherheitsleistung
Zugleich sieht das Gesetz Maßnahmen zur Verbesserung bei der sogenannten Rückkehrerregelung vor. Bisher kann die Wegzugsbesteuerung rückwirkend entfallen, wenn innerhalb von fünf Jahren eine Rückkehr nach Deutschland erfolgte (mit Verlängerungsoption für weitere fünf Jahre). Bei Umzügen von EU-/EWR-Bürgern innerhalb der EU/des EWR gilt bisher die Rückkehrerregelung unbefristet und ohne Hinterlegung einer Sicherheitsleistung. Die künftige Regelung verlängert die ursprüngliche Frist auf sieben Jahre und ermöglicht weiterhin eine Verlängerung um weitere fünf Jahre. Damit kann eine Rückkehr nunmehr bis zu zwölf Jahre nach dem Wegzug erfolgen. Auf der anderen Seite kommt es zum Wegfall der bisherigen EU-/EWR-Privilegierung. Damit wird die zeitlich unbegrenzte Rückkehrmöglichkeit ohne Sicherheitsleistung unmöglich gemacht.
In Fällen, in denen eine Wegzugsbesteuerung droht, muss nun mehr denn je individuell und einzelfallbezogen geprüft werden, welche Lösungsmöglichkeiten im konkreten Fall bestehen. Vermögensverwalter und Finanzberater sind daher gefragt, mit ihren Mandanten diese Fragestellungen frühzeitig zu adressieren und auf eine gestalterische Lösung durch einen versierten Steuerberater/Rechtsanwalt hinzuarbeiten.
Gastbeitrag von Jan-Moritz Degener, Rechtsanwalt und Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt
Jan-Moritz Degener — Foto: © Beiten Burkhardt