Neue Phase der Globalisierung startet

Anders als die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine vermuten lassen, ist die Globalisierung nicht zum Stillstand gekommen. Sie tritt lediglich in eine neue Phase ein, was Chancen für Anleger bietet. Zu dieser Erkenntnis kommt Henning Busch, Managing Director für institutionelle Kunden bei Capital Group.
27. Juli 2022
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Anders als die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine vermuten lassen, ist die Globalisierung nicht zum Stillstand gekommen. Sie tritt lediglich in eine neue Phase ein, was Chancen für Anleger bietet. Zu dieser Erkenntnis kommt Henning Busch, Managing Director für institutionelle Kunden bei Capital Group.

„Wir befinden uns in einer Phase, in der die Globalisierung mit erheblichem Gegenwind konfrontiert ist“, erläutert Busch. „Die Finanzkrise, politische Trends zum Populismus und Nationalismus, sowie die Corona-Krise und der Ukraine-Konflikt haben der Globalisierung bereits seit 2007 geschadet.”

Gemessen am Handel, dem globalen BIP und den internationalen Finanzströmen habe die sogenannte ‚Hyperglobalisierung’ ihren Höhepunkt bereits kurz vor der globalen Finanzkrise im Jahr 2007 erreicht. Das bedeute aber nicht ihr Ende.

„Es ist vielmehr so, dass wir in den kommenden Jahren eine Neugestaltung der Globalisierung erleben werden“, so Busch. „Die Pandemie und der Krieg gegen die Ukraine haben einerseits zu einem Überdenken der Stabilität der Lieferketten und einem Trend zur Lokalisierung oder Regionalisierung geführt.“ Andererseits hätten sich gerade in der Corona-Pandemie bei der Impfstoffentwicklung die Vorteile der Globalisierung gezeigt. Darüber hinaus dürfe man sich nicht auf die Betrachtung des Güterhandels beschränken. So habe zum Beispiel der grenzüberschreitende Datenverkehr seit der Finanzkrise exponentiell zugenommen.

Auswirkungen auf die Inflation
Die Globalisierung wirke sich über verschiedene Kanäle auch auf die Inflation aus: Billigere Importe, ein größeres Angebot an Arbeitskräften, ein stärkerer Wettbewerb und allgemein stärker integrierte globale Lieferketten hätten tendenziell zu niedrigerer Inflation geführt.

„Die Verlagerung der Produktion ins Inland oder ins nahe Ausland wird nun wahrscheinlich kurzfristig die Inflation erhöhen“, analysiert Busch. „Gleichzeitig ist jedoch zu erwarten, dass Produktionsanlagen, die zuvor in Schwellenländern angesiedelt und auf billige Arbeitskräfte angewiesen waren, nach ihrer Verlagerung in andere Länder eine stärkere Automatisierung und damit eine höhere Produktivität erfahren werden. Diese Produktivitätsgewinne, auch getrieben von der Kombination aus Sensoren und hoch entwickelter Automatisierungssoftware, könnten die Kosten der Repatriierung teilweise ausgleichen.“

Erkennen von Chancen in Zeiten des Umbruchs
Viele Unternehmen würden nicht mehr nur in einer Region fertigen lassen. Die Verlagerung von einsträngigen Lieferketten zu mehrsträngigen sei ein Segen für Länder wie Vietnam, Indonesien und Mexiko. Busch ergänzt: „Unternehmen wie Taiwan Semiconductor bauen Fertigungsanlagen in Japan und Arizona auf. Damit machen sie sich weniger abhängig von einem einzigen Land, insbesondere dort, wo ein geopolitisches Risiko besteht.“ Hinzu komme, dass COVID-19 die Lieferketten im gesamten pazifischen Raum unterbrochen habe, was zu Veränderungen in der Ausrichtung von Lieferketten und Produktion führe. Diese Verschiebungen könnten potenziell Chancen bieten. Insbesondere Unternehmen, die die neuen Fertigungsanlagen bauen oder Hersteller von moderner Automatisierungstechnik sind, könnten interessant sein.

Ein weiterer Faktor, der bei der Bewertung der Auswirkungen dieser Umwälzungen zu berücksichtigen ist, sei die Preisgestaltungsmacht. In einer Zeit erhöhter Inflation müsse abgeschätzt werden, inwieweit steigende Faktorpreise an die Kunden weitergegeben werden können, um die Gewinnspannen der Unternehmen nicht zu belasten. „Unserer Ansicht nach ist es wichtig, dies auf Unternehmensebene zu beurteilen“, erklärt Busch. Einige Unternehmen dürften nicht in der Lage sein, die anfallenden Kosten weiterzugeben, was sich auf ihre Margen auswirke. Andere Unternehmen könnten dagegen die Kosten an Verbraucher weitergeben und vielleicht sogar ihre Margen durch Produktivitätssteigerungen verbessern.

Insgesamt könne eine Investition in globale Aktienstrategien, trotz des Gegenwindes für die Globalisierung, weiterhin Vorteile gegenüber regionalen Investments haben: „Viele Unternehmen erwirtschaften nach wie vor einen großen Teil ihrer Einnahmen und Gewinne auf Märkten außerhalb ihres Heimatlandes. Ein Beispiel: Etwa ein Drittel der Einnahmen großer europäischer Unternehmen stammt aus Schwellenländern, vor allem aus China”, argumentiert Busch. Ein weiteres Drittel komme aus Nordamerika, vor allem aus den Vereinigten Staaten, und das letzte Drittel aus Europa. Die Wahlmöglichkeiten eines Investors in einem globalen Aktienportfolio seien darüber hinaus deutlich vielfältiger. Er brauche nicht mehrere regionale Unternehmen zu suchen, sondern könne sich auf solche Unternehmen konzentrieren, die weltweit die besten und am attraktivsten bewertet seien.

„Große Veränderungen können große Chancen sein — egal wo ein Unternehmen sitzt. Aber Wandel braucht Zeit. Und das sollte sich in einem langfristigen Anlagehorizont widerspiegeln“, resümiert Busch. (ah)

 

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