Nettoverschuldung auf Rekordniveau

Noch bevor die Pandemie die Unternehmensbilanzen verhagelte, schnellte die weltweite Unternehmensverschuldung auf neue Höchststände, wie der jährlich neu aufgelegte Corporate Debt Index von Janus Henderson (JHCDI) zeigt. 2019 stiegen die Nettokredite auf den Rekordwert von 8,3 Billionen US-Dollar. Das entspricht einem Plus von 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fremdfinanzierte Übernahmen, umfangreiche Aktienrückkäufe, Rekorddividenden und rückläufige Gewinne aufgrund von Handelsspannungen sowie einer weltweiten Konjunkturabschwächung haben die Finanzmittel von Unternehmen verringert.
13. Juli 2020
Daniela Brogt / © Janus Henderson

Noch bevor die Pandemie die Unternehmensbilanzen verhagelte, schnellte die weltweite Unternehmensverschuldung auf neue Höchststände, wie der jährlich neu aufgelegte Corporate Debt Index von Janus Henderson (JHCDI) zeigt. 2019 stiegen die Nettokredite auf den Rekordwert von 8,3 Billionen US-Dollar. Das entspricht einem Plus von 8,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fremdfinanzierte Übernahmen, umfangreiche Aktienrückkäufe, Rekorddividenden und rückläufige Gewinne aufgrund von Handelsspannungen sowie einer weltweiten Konjunkturabschwächung haben die Finanzmittel von Unternehmen verringert.

Global stieg somit die Nettoverschuldung letztes Jahr um 625 Milliarden US-Dollar und damit so stark wie in keinem anderen der letzten fünf Jahre. Das Kreditwachstum wurde in den letzten Jahren durch extrem niedrige Zinsen und entsprechend günstige Kredite angekurbelt. Darauf hatten die Zentralbanken mit ihren Stimulierungsmaßnahmen abgezielt.

Die im Corporate Debt Index enthaltenen 900 größten Nicht-Finanzunternehmen der Welt sind derzeit um fast zwei Fünftel (37%) höher verschuldet als 2014, und die Schulden steigen erheblich schneller als die Gewinne. Der Vorsteuergewinn dieser Unternehmen ist kollektiv um 9,1 Prozent auf 2,3 Billionen US-Dollar gestiegen. Der Verschuldungsgrad, d. h. das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital, ist 2019 auf den Rekordwert von 59 Prozent geklettert, gleichzeitig markierte der für die Bedienung von Zinsverbindlichkeiten verwendete Gewinnanteil einen neuen Höchststand.

Corona-Krise verstärkte Trend

All diese Trends haben sich mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie 2020 verstärkt. Die Janus Henderson-Analyse der Rentenmärkte zeigt, dass bei den im Corporate Debt Index enthaltenen Unternehmen die Hälfte der Schulden auf börsennotierte Anleihen entfällt. Zwischen Januar und Mai wurden zusätzlich Anleihen im Wert von 384 Milliarden US-Dollar ausgegeben, was einem Anstieg von 6,6 Prozent im Vergleich zum Emissionsvolumen Ende Dezember entspricht.

Die Bankkredite stiegen ebenfalls rasant, wenngleich noch keine genauen Zahlen vorliegen. Janus Henderson schätzt, dass die Netto-Fremdmittel insgesamt in diesem Jahr um bis zu eine Billion US-Dollar steigen werden, was einem Plus von zwölf Prozent entspricht.

Mehr als die Hälfte der im Index enthaltenen Unternehmen nahm 2019 zusätzliche Schulden auf, wobei der volumenmäßig größte Anteil auf relativ wenige von ihnen entfiel. So nahmen nur 25 Unternehmen im vergangenen Jahr zusätzlich 410 Milliarden US-Dollar auf. Dies entspricht einem Drittel des Anstiegs der Kredite aller Unternehmen, die zusätzliche Fremdmittel aufnahmen. Am schnellsten steigt die Verschuldung von Unternehmen in den USA und in der Schweiz

Deutsche Unternehmen weisen hohe Schulden auf

Die Verschuldung deutscher Unternehmen ist durch die kapitalintensive Automobilindustrie und ihre Aktivitäten im Bereich der Autofinanzierung weltweit die zweithöchste nach den USA. Dies liegt auch an den notwendigen Investitionen in emissionsärmere Modelle und neue Technologien – und ist ein weltweiter Trend. Fünf von den zehn am höchsten verschuldeten Unternehmen weltweit sind Automobilhersteller. Drei davon stammen aus Deutschland: Volkswagen, Daimler und BMW. Dabei ist Volkswagen das weltweit am höchsten verschuldete Unternehmen und rangiert mit einer atemberaubenden Nettoverschuldung von 192 Milliarden US-Dollar nicht weit hinter der Staatsverschuldung Südafrikas oder Ungarns, was teilweise aber auch auf das Finanzdienstleistungsgeschäft zurückzuführen ist.

Die Deutsche Telekom rangiert mit einer Nettoverschuldung von 87 Milliarden US-Dollar international auf Platz elf.

Doch nicht alle Unternehmen setzen auf Fremdkapital. Ein Viertel der Unternehmen im Janus Henderson Index ist schuldenfrei, einige verfügen sogar über enorme Barreserven. An der Spitze steht hier der Google-Mutterkonzern Alphabet mit 104 Milliarden US-Dollar. Aktionäre mögen diese vorsichtige Haltung häufig nicht und hätten möglicherweise bessere Verwendungsmöglichkeiten für dieses Kapital.

Cash ist King

„Als der Konjunkturzyklus dieses Jahr abrupt endete, reagierten Unternehmen mit einer Rekord-Kreditaufnahme. Durch die Emission neuer Anleihen und Bankkredite versuchen sie sicherzustellen, dass sie über genügend liquide Mittel verfügen, um unterschiedlich stark ausgeprägte Lockdowns weltweit zu überstehen“, erinnert Daniela Brogt, Head of Sales Germany and Austria bei Janus Henderson. „Einige Unternehmen haben auf dem Höhepunkt der Krise staatliche Nothilfepakete in Anspruch genommen, als die Kapitalbeschaffung auf dem Markt eine Zeit lang sehr teuer war. Nachdem sich die Marktlage dank der Hilfsmaßnahmen der Zentralbanken und dem langsamen Wiederhochfahren der Volkswirtschaften beruhigt hat, werden die Unternehmen ihre Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung verringern wollen, sodass wir einen weiteren Anstieg der Anleiheemissionen erwarten.

Laut Brogt gehen fremdfinanzierte Übernahmen, Aktienrückkäufe und Dividenden oft einem konjunkturellen Abschwung voraus. Das sei Brogt zufolge dieses Mal mit Sicherheit der Fall. Mit der weltweiten Rezession werden die Gewinne und Cashflows stark zurückgehen.

„Der Fremdmittelbedarf wird dieses Jahr enorm sein, obwohl die Unternehmen in unserem Index ihre diesjährigen Dividenden um 140 bis 300 Milliarden US-Dollar kürzen, Aktienrückkäufe drastisch reduzieren, Übernahmen auf Eis legen und die Investitionsausgaben senken werden. Viel wird davon abhängen, inwiefern frisch beschafftes Kapital ausgegeben oder als Barreserve gehalten wird und in welchem Umfang Unternehmen neue Aktien ausgeben, um ihre Bilanzen zu stärken. Klar ist aber, dass die Nettoverschuldung von Unternehmen 2020 auf einen neuen Rekord steigen und bis zu einer Billion US-Dollar über dem Niveau von 2019 liegen wird“, erklärt Brogt. (ah)

Foto: Daniela Brogt / © Janus Henderson

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