Nachhaltigkeitsfaktoren und ESG-Transparenz in Zeiten der Corona-Krise

Private Debt umschreibt die Bereitstellung von Fremdkapital – z. B. an Unternehmen – ohne Einschaltung der Kapitalmärkte. Neben Banken treten verstärkt Nicht-Banken, also institutionelle Investoren wie z. B. Versicherer oder auch Kreditfonds, die entweder in unverbriefte Darlehensforderungen investieren oder sogar selbst Darlehen vergeben, in Erscheinung.
30. Juni 2020

Taxonomie-Verordnung

Ziel der noch nicht in Kraft getretenen zukünftigen EU-Verordnung über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger
Investitionen („Taxonomie-VO“) ist die Vorgabe verbindlicher Begrifflichkeiten zur Bestimmung des Grades ökologischer Nachhaltigkeit
von Finanzprodukten. Damit soll unter anderem bewirkt werden, dass Anleger erkennen können, inwieweit ein Finanzprodukt tatsächlich ökologisch nachhaltig ist oder ob es durch den Emittenten als „grün“ oder „nachhaltig“ beworben wird, obwohl es in Wirklichkeit grundlegenden Umweltstandards nicht entspricht (sog. Greenwashing). Des Weiteren soll dies den Endanlegern ermöglichen,
ESG-Merkmale verschiedener Finanzprodukte zu vergleichen.

Die Taxonomie-VO wird insbesondere für Finanzmarktteilnehmer im Sinne der Offenlegungs-VO sowie für Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder der Union gelten, welche Anforderungen an Finanzmarktteilnehmer in Bezug auf nachhaltige Finanzprodukte festlegen.

Der Grad der ökologischen Nachhaltigkeit des Finanzprodukts ergibt sich aus dem Umfang der finanzierten ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten. Eine Wirtschaftstätigkeit gilt als ökologisch nachhaltig im Sinne der Taxonomie-VO, sofern sie einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung mindestens eines der folgenden Umweltziele beiträgt: (a) Klimaschutz, (b) Anpassung an den Klimawandel, © Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, (d) Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, (e) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und (f) Schutz der Biodiversität und der Ökosysteme. Des Weiteren darf die Wirtschaftstätigkeit nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Umweltzieles führen, muss Mindestarbeitsschutzkriterien einhalten und im Einklang mit den noch festzulegenden technischen Evaluierungskriterien in Bezug auf die Umweltziele stehen.

Finanzprodukte anbietende Finanzmarktteilnehmer werden grundsätzlich verpflichtet sein, in ihren vorvertraglichen Informationen und regelmäßigen Berichten offenzulegen, inwieweit mit einem Finanzprodukt in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten investiert wird. Es ist zwar für die Anbieter von nicht als „nachhaltig“ bezeichneten bzw. beworbenen Produkten möglich,
diese Pflicht durch Angabe eines konkret vorgeschriebenen Warnhinweises² zu erfüllen, allerdings kann davon ausgegangen werden, dass diese Vorgehensweise mittel- und langfristig vom Markt nicht mehr akzeptiert wird. Im Dezember 2019 wurde eine politische Einigung zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat erreicht und die Verabschiedung der Taxonomie-VO wird dieses Jahr erwartet.

BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken

Um eine Orientierung im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zu geben, hat die BaFin am 20. Dezember 2019 ein Merkblatt veröffentlicht. Das Merkblatt beinhaltet keine neuen Pflichten in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken. Den zentralen Punkt bildet der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken im Rahmen des Risikomanagements. Nachhaltigkeitsrisiken sind nicht als separate Risikoart zu verstehen, sondern als Teilaspekt bereits bekannter Risikoarten. Unter anderem sollten im Rahmen des Risikomanagementsystems die Aufgaben, Verantwortlichkeiten und der zeitliche Rahmen für die Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Berichterstattung von Nachhaltigkeitsrisiken klar definiert und die gewählten Methoden regelmäßig überprüft werden. Zur Illustrierung führt die BaFin zahlreiche Beispiele und Leitfragen an, um den beaufsichtigten Unternehmen ein Kompendium sinnvoller Verfahrensweisen (Good Governance) zur Verfügung zu stellen.

Fazit

Auch wenn die Corona-Krise nachvollziehbarerweise viele bedeutende Themen in den Hintergrund hat treten lassen, ist es jetzt
langsam an der Zeit, bei diesen Themen wieder anzuknüpfen. Gerade die Nachhaltigkeit von Wirtschaftstätigkeiten (widerstandsfähiger Lieferketten, Schutz von Arbeitnehmern etc.) wird durch die aktuelle Krise wohl noch wichtiger für Investoren werden. Und weil es gleichzeitig neue Vorgaben zur Darstellung des Umgangs mit Nachhaltigkeitsrisiken gibt, lohnt sich die Beschäftigung mit
dem Thema gerade jetzt.

Autor: Dr. Robert Eberius
Counsel bei P+P Pöllath + Partners

¹Larry Fink (CEO von BlackRock) in seinem Brief an die Anteilseigner vom 29. März 2020,
https://www.blackrock.com/corporate/investor-relations/larry-fink-chairmans-letter

²Artikel 4γ der Taxonomie-VO in der Entwurfsfassung vom 7. Februar 2020: „Die diesem Finanzprodukt zugrunde liegenden Investitionen tragen den EU-Kriterien für ökologisch nachhaltige Investitionen nicht Rechnung.“

Foto: © qimono @ pixabay.com

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