Nachhaltiger Zement als Voraussetzung für die Netto-Null

Schon seit mehr als 50 Jahren soll der Earth Day, wörtlich „Tag der Erde“, ein Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit in allen Lebenslagen schaffen. Unter dem Motto „Leben im Einklang mit der Natur – Wohne lieber grün“ erinnert der Tag in Deutschland in diesem Jahr daran, unsere Erde durch nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen zu verbessern. Ein Werkstoff, der dabei oft kritisiert wird, ist Zement. Denn obwohl dieser Stoff beim Anmischen von Beton gerade einmal zehn Prozent der Mischung ausmacht, ist er für fast alle CO2-Emissionen von Beton verantwortlich. Insgesamt verantwortet Zement sogar sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Nichtsdestotrotz wird die Nachfrage nach dem Werkstoff aufgrund seiner Rolle beim Ausbau von Städten und Infrastrukturen in den kommenden Jahren hoch bleiben.
22. April 2023
Albertine Pegrum-Haram - Foto: © Columbia Threadneedle Investments

Schon seit mehr als 50 Jahren soll der Earth Day, wörtlich „Tag der Erde“, ein Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit in allen Lebenslagen schaffen. Unter dem Motto „Leben im Einklang mit der Natur – Wohne lieber grün“ erinnert der Tag in Deutschland in diesem Jahr daran, unsere Erde durch nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen zu verbessern. Ein Werkstoff, der dabei oft kritisiert wird, ist Zement. Denn obwohl dieser Stoff beim Anmischen von Beton gerade einmal zehn Prozent der Mischung ausmacht, ist er für fast alle CO2-Emissionen von Beton verantwortlich. Insgesamt verantwortet Zement sogar sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Nichtsdestotrotz wird die Nachfrage nach dem Werkstoff aufgrund seiner Rolle beim Ausbau von Städten und Infrastrukturen in den kommenden Jahren hoch bleiben.

Die International Energy Agency (IEA) hat das ehrgeizige Ziel aufgestellt, die Kohlenstoffintensität von Zement auf dem Weg zur Netto-Null bis 2030 jährlich um drei Prozent zu verringern. Und in Europa haben sich alle großen Zementhersteller zu Netto-Null-Emissionen verpflichtet. Um ihre Pläne umzusetzen müssen sie allerdings viel Geld investieren. Gleichzeitig erschwert die hohe Kohlenstoffintensität des Sektors die Beschaffung des erforderlichen Kapitals – da Investoren, die die Klimaschutzziele ihres Portfolios erreichen wollen, möglicherweise eher in Sektoren mit einem geringeren CO2-Fußabdruck investieren werden. Was es braucht, ist ein Netto-Null-Ansatz der kontinuierliche Investitionen in Zementunternehmen mit klaren Netto-Null-Strategien ermöglicht. Welche Chancen und Herausforderungen gehen mit der Dekarbonisierung von Zement einher? Und worauf müssen Investoren bei der Auswahl geeigneter Investments achten?

Einfache Maßnahmen, große Wirkung
Weltweit sind rund 15 Prozent der CO2-Emissionen von Zement auf den Stromverbrauch und 30 Prozent auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe zurückzuführen. Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen und die CO2-Emissionen pro Tonne produzierten Zements bis 2030 um 30 Prozent zu senken, setzen einige Zementhersteller daher auf Energieeffizienz und alternative Brennstoffe.

So hat beispielsweise der britische Zementhersteller Breedon in seinem Kinnegad-Zementwerk bis 2021 rund 75 Prozent der Brennstoffe mit alternativen Kraftstoffen wie Fleisch- und Knochenmehl (aus Rückständen der Fleischindustrie) oder Gewerbeabfälle ersetzt, und dabei gleichzeitig aufgrund des geringeren Preises dieser alternativen Brennstoffe auch Kostenvorteile erzielt.

Daneben trägt auch die Verbesserung der Energieeffizienz dazu bei, CO2 einzusparen. Das international tätige Unternehmen CRH hat zum Beispiel konzernweite Ziele formuliert, um den Einsatz erneuerbarer Energien an den über 3.000 Standorten zu erhöhen, während Breedon in Kinnegad in erneuerbare Energiequellen vor Ort investiert.

Weil jedoch mehr als 50 Prozent der CO2-Emissionen aus der chemischen Reaktion stammen, die stattfindet, wenn Kalkstein erhitzt wird, um den Zementklinker herzustellen, reicht die Umstellung auf alternative Brennstoffe oder die Verbesserung der Energieeffizienz allein noch nicht aus. Investoren sollten daher genau hinschauen, welche Maßnahmen zum Tragen kommen: CRH hat beispielsweise 2021 in Finnland ein neues Zementprodukt auf den Markt gebracht, mit dem die Emissionen um 40 Prozent gesenkt wurden, da ein Teil des Klinkers durch die bei der Stahlproduktion anfallenden Rückstände (Schlacken) ersetzt wurde.

Noch nachhaltiger durch Carbon Capture and Storage
Noch wirksamer ist die sogenannte Carbon Capture and Storage-Technologie (CCS), die darauf abzielt, CO2 abzuscheiden, bevor es in die Atmosphäre freigesetzt wird, und es dann dauerhaft zu speichern.

Aktuell ist HeidelbergMaterials der einzige europäische Zementhersteller, der die Kohlenstoffabscheidung und ‑speicherung in seiner Strategie vor 2030 berücksichtigt. Das Unternehmen möchte vor 2030 zehn Millionen Tonnen CO2 abscheiden. Gemäß dem Netto-Null-Szenario der IEA für Zement sollen mit der CCS-Technologie bis 2030 jährlich jedoch 180 Millionen Tonnen CO2 (Mtpa) abgeschieden werden – ein enormer Zuwachs also, hinter dem die derzeitigen Ziele der Zementindustrie zurückbleiben.

CCS ist wegen der hohen Kosten und des wiederholten Scheiterns bei der Einführung der Technologie allerdings heftig kritisiert worden. Von Januar bis Mitte September 2022 wurden laut der niederländischen Bank ING 61 neue CCS-Projekte angekündigt. Doch nur drei Projekte, die sich in der Entwicklungsphase befinden, werden voraussichtlich 2023 einsatzbereit sein. ING geht davon aus, dass die rasante Wachstumsphase für CCS erst im Jahr 2025 beginnen wird, und prognostiziert dann eine Verdreifachung der derzeitigen Kapazität. ING prognostiziert auch für die Zeit nach 2025 ein anhaltendes Wachstum, das bis 2030 über 250 Millionen Tonnen pro Jahr erreichen soll – heute sind es etwa 44 Mpta. Die Wachstumsprognose stützt sich auf neue politische Maßnahmen wie Steueranreize in den USA sowie die Einführung mehrerer EU- und britischer Subventionsprogramme, die die Entwicklung von CCS erleichtern sollen.

Außerdem sind noch viele Fragen offen. So ist zum Beispiel nicht klar, welche Industriezweige bei der Einführung der CCS-Technologie Priorität haben werden. Zement steht hier zweifellos an vorderster Stelle, da es keine alternativen Maßnahmen zur Emissionsminderung gibt, im Gegensatz zu Branchen wie der Energiewirtschaft, in der mit einer Umstellung auf erneuerbare Energien der Großteil der Emissionen eingespart werden kann. Derzeit wird fast das gesamte abgeschiedene CO2 in Prozessen wie der tertiären Ölgewinnung (Enhanced Oil Recovery – EOR) verwendet (was letztendlich dazu führt, dass es wieder in die Atmosphäre gelangt). Das bedeutet, dass die Speicherung bei der CCS-Technologie noch immer in der Entwicklung begriffen ist. Ebenso muss das Risiko von Leckagen in geologischen Lagerstätten geklärt werden. Expertinnen und Experten sprechen sich für umfassende Überwachungsprogramme aus, die entlang der Lagerstätten und Pipelines installiert werden müssten, um die Integrität und Sicherheit zu kontrollieren.

Alternative Lösungen – Investoren in einer Schlüsselrolle 
Klar ist, dass Zement ist für den Aufbau einer nachhaltigen Zukunft von entscheidender Bedeutung ist, denn er spielt eine wichtige Rolle in den Städten und bei erneuerbaren Infrastrukturen. Dabei sind die genannten Lösungen nur einige Beispiele. Um die wichtigsten Risiken und Chancen zu ermitteln und die von den Zementherstellern vorgeschlagenen Lösungen kritisch zu bewerten, müssen Investoren die richtigen Fragen stellen: Welches sind die größten Klimarisiken und wie gehen Zementhersteller damit um? Welche Klimaziele haben sie festgelegt und wie haben sie Investitionsvorhaben in diese integriert?  Welche Alternativen zu herkömmlichen Roh- und Brennstoffen sieht die Strategie vor? Welche neuen Technologien sollen implementiert werden?

Nur so sind Investoren wirklich in der Lage, um Zementunternehmen korrekt zu bewerten und in eben solche zu investieren, die dieses wichtige Material wirklich nachhaltig produzieren.

Autoren: Albertine Pegrum-Haram, Senior Associate, Responsible Investment und Michael Hamblett, Analyst, UK Equities bei Columbia Threadneedle

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