Nachhaltige und widerspruchsfreie Kapitalanlage von Unternehmen: Der Regulierung vorbeugen und Reputationsrisiken senken

Die Vorgaben der EU-Kommission zur Nachhaltigkeitsberichterstattung betreffen bereits einen großen Teil der Kapitalanlage von Unternehmen. Allerdings wurden bislang bestimmte Bereiche, wie das strategische Liquiditätsmanagement sowie Deckungsmittel aus Direktzusagen und pauschaldotierten Unterstützungskassen der betrieblichen Altersvorsorge, von der Regulierung ausgespart. Dies könnte sich ändern, wenn der Gesetzgeber widerspruchfrei und eindeutig Transparenz schaffen will. Denkbar wäre beispielsweise die Erweiterung des Vorschlages zur Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) um diese Bereiche. Um Reputationsrisiken und Abschläge auf den Unternehmenswert zu vermeiden, sollten Finanzvorstände daher die Außendarstellung mit der Aufstellung der Kapitalanlage in Einklang bringen.
16. November 2021
Jan Rabe - Foto: © Metzler AM

Die Kapitalanlage sollte im Einklang mit der Außendarstellung des Unternehmens stehen

Finanzvorstände sollten auf eine fundierte ESG-Integration setzen. ESG-Integration bezieht bei der Analyse von Investitionsalternativen entlang der Themenkomplexe Ökologie, Soziales und gute Unternehmensführung gezielt finanziell-materielle Aspekte mit ein, die die Rendite-Risiko-Profile von Anlagestrategien stärken sollen. Wichtig hierbei sind zwei Dinge: zum einen eine systematische, eng verzahnte und vor allem dokumentierte Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien im Anlageprozess. Und zum anderen ein effektives Risikomanagement, das Fehlstellungen erkennt und gegensteuert – ohne dabei Nachhaltigkeitskriterien zu verwässern.

Eine konsequente ESG-Integration nach diesen Grundsätzen sollte auch für all die Bereiche der Kapitalanlage eines Unternehmens gelten, die bisher zwar noch von der Regulierung ausgespart werden, in absehbarer Zeit aber unter die Offenlegungsverordnungen fallen könnten. Das betrifft insbesondere das Liquiditätsmanagement sowie die Deckungsmittel aus Direktzusagen und pauschaldotierten Unterstützungskassen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (Abb. 2).

Bemerkung: Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Arten von Unterstützungskassen besteht darin, dass pauschaldotierte Unterstützungskassen ihr Vermögen grundsätzlich frei anlegen, während rückgedeckte Unterstützungskassen ausschließlich in Rückdeckungsversicherungen investieren. Daher ist der rückgedeckte Anteil indirekt von der Solvency-II-Richtlinie abgedeckt. 
*EbAV steht für Einrichtung betrieblicher Altersvorsorge. Quelle: Metzler

In Deutschland machten laut der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (aba) 2018 beispielsweise Deckungsmittel aus Direktzusagen und pauschaldotierten Unterstützungskassen über 50 % aller Vorsorgeaufwendungen von Unternehmen aus – das entsprach 10 % des Bruttoinlandsproduktes der deutschen Ökonomie.

  • Die strategische Liquidität umfasst jene Mittel, die nicht unmittelbar für das Tagesgeschäft benötigt werden. Vorwiegend angelegt werden diese beispielsweise in Multi-Asset-Strategien, die auf der Grundlage fundamentaler Analyse gemanagt werden. Abhängig von der Risikotoleranz und der Ertragserwartung des Anlegers leitet sich daraus die Allokation in die Anlageklassen ab. Da bei der Konstruktion von Portfolios nur ein gewisses Maß an Ausschlüssen von Einzeltiteln ökonomisch sinnvoll ist, sollten darüber hinaus finanziell-materielle Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden, um Rendite-Risiko-Profile gezielt zu stärken. Insbesondere bei der Bestückung der verschiedenen Anlageklassen im Rahmen von Multi-Asset-Strategien entfaltet eine professionelle ESG-Integration ihr volle Wirkung. Neben einem Fokus auf Renditetreiber ist ein an Nachhaltigkeitskriterien angepasstes Risikomanagement unabdingbar. Nur so können die unabsichtlich durch Nachhaltigkeitspräferenzen erzeugte Neigungen zu bestimmten Risikoprämien, Branchen oder Regionen ausgeglichen werden, ohne dabei individuelle Nachhaltigkeitsziele des Anlegers zu verwässern.
  • Die Direktzusage ist eine von fünf Durchführungswegen zur betrieblichen Altersvorsorge, bei der sich Unternehmen freiwillig verpflichten, dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall einen festgelegten Betrag direkt aus dem Betriebsvermögen auszuzahlen. Direktzusagen können mithilfe von Treuhandkonstruktionen (Contractual Trust Arrangements) in der Bilanz mit Pensionsrückstellungen saldiert werden. Durch eine solche Bilanzverkürzung können drei Dinge erreicht werden: 1. Stärken von Ertragsgrößen wie Eigenkapitalrentabilität, 2. Verbesserung von Finanzierungskonditionen durch einen niedrigeren Verschuldungsgrad und 3. Reduktion des Verwaltungsaufwands und der damit verbundenen Kosten. Wenn das Unternehmen allerdings im Anhang des Jahresabschlusses nicht über Nachhaltigkeitsaspekte der ausgegliederten Mittel aufgeklärt, können Investoren die Konsistenz der Außendarstellung des Unternehmens auch nicht prüfen. Je höher der Anteil jener Mittel ist, die im Rahmen einer ertragsorientierten Kapitalanlage ausfinanziert werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich der Regulator dieses Sachverhaltes annimmt.
  • Für Deckungsmittel der pauschaldotierten Unterstützungskassen (knapp 6 % der Deckungsmittel), bei denen anders als bei rückgedeckten Unterstützungskassen nicht der Produktgeber, sondern das Unternehmen über die Kapitalanlage entscheidet, gilt dies ebenfalls. Zulässige Anlagemöglichkeiten reichen von Edelmetallen, Wertpapieren, Aktien oder Fonds bis hin zu Immobilien im Einzelfall. Folglich bergen auch diese Mittel potenzielle Reputationsrisiken, über die Stakeholder wie Mitarbeiter oder Investoren aufzuklären sind. Die restlichen Anteile der Altersvorsorge eines Unternehmens werden darüber hinaus von EbAV-II- (Pensionskassen mit 28 % und Pensionsfonds mit 7 %) sowie Solvency-II-Richtlinien (Direktversicherungen mit 11 % und indirekt auch für rückgedeckte Unterstützungskassen) in Sachen Nachhaltigkeit abgedeckt.
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