„Nachgefragt bei…“

Die Stimmung in der Wirtschaft befindet sich derzeit auf einem Tiefpunkt. Die Folgen der Corona-Pandemie sind dramatisch. Firmen sind von der Pleite bedroht, die Zahl der Kurzarbeiter schnellt in die Höhe. Wie gehen Investmentgesellschaften mit der Krise um? Welchen Ausblick haben derzeit führende Häuser? II-Chefredakteur Alexander Heftrich sprach zu diesen und weiteren Aspekten mit David Wehner, Senior Portfoliomanager bei der Do Investment AG und Thorsten Schrieber, Vertriebsvorstand bei DJE.
1. Mai 2020
David Wehner_Thorsten Schrieber

Die Stimmung in der Wirtschaft befindet sich derzeit auf einem Tiefpunkt. Die Folgen der Corona-Pandemie sind dramatisch. Firmen sind von der Pleite bedroht, die Zahl der Kurzarbeiter schnellt in die Höhe. Wie gehen Investmentgesellschaften mit der Krise um? Welchen Ausblick haben derzeit führende Häuser? II-Chefredakteur Alexander Heftrich sprach zu diesen und weiteren Aspekten mit David Wehner, Senior Portfoliomanager bei der Do Investment AG und Thorsten Schrieber, Vertriebsvorstand bei DJE.

 

Intelligent Investors: Der Corona-Virus ist beileibe noch nicht ausgestanden. Hat die Krise Sie überraschend getroffen?

Wehner: Die Corona-Krise mit all ihren persönlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen hat sicher alle überraschend getroffen – wenige Wochen vor dem Ausbruch des Virus hätte sich keiner vorstellen können, dass dieser nahezu die gesamte Weltwirtschaft lahm legen wird. Wir als Unternehmen haben frühzeitig reagiert und die nötigen technischen und organisatorischen Vorkehrungen getroffen, um bereits vor dem offiziellen Lockdown auf den Heimarbeitsbetrieb umzustellen. Seitdem ist die Präsenz im Büro auf ein Minimum begrenzt. Natürlich hat der Einbruch der Märkte auch uns als Vermögensverwalter getroffen.

Schrieber: Die Corona-Krise hat wohl alle Marktteilnehmer überraschend getroffen. Dank unserer FMM-Datenbank – für fundamental, monetär, markttechnisch – waren wir aber glücklicherweise bereits zu Beginn der Krise defensiver aufgestellt als viele Mitbewerber. Unser Analysesystem dient als Grundlage für unsere Investmententscheidungen und ermöglicht damit zugleich ein konsequentes Risikomanagement. Bereits Ende Januar bzw. Anfang Februar gab es zahlreiche Indikatoren, die signalisierten, dass man vorsichtiger werden sollte. Konkret hatten wir aus markttechnischer Sicht bei diversen Indikatoren, wie Put-Call Ratio, Investitionsgrad professioneller Marktteilnehmer und Sentix eine gewisse Übereuphorie, die uns frühzeitig veranlasste, unsere Investitionsquoten auf der Aktienseite zu senken.

 

II: Ist die Corona-Krise anders gelagert als Krisen zuvor?

Wehner: Auf jeden Fall. Wir haben es hier mit einem Virus zu tun, einer Gefahr, die man schlecht einschätzen kann. Bis es ein Medikament oder einen Impfstoff geben wird, werden wir wohl immer wieder mit stärkeren Beschränkungen zu kämpfen haben. Diese Quarantänemaßnahmen stellen die Weltwirtschaft vor neue Herausforderungen. Globale Lieferketten sind unterbrochen, mittlere und kleine Unternehmen haben Existenzängste und immer mehr Angestellte befinden sich in Kurzarbeit oder wurden bereits freigesetzt. Der volkswirtschaftliche Einbruch wird nach den jetzigen Prognosen stärker ausfallen als während der Finanzkrise 2008/09 – auch weil nahezu alle Branchen betroffen sind.

Schrieber: Krisen haben gewisse Grundmuster, die sich immer wieder abzeichnen. Das ist zum einen die Erkenntnis, dass im Moment höchster Panik eben kein „Safe-Haven“ an der Börse existiert – dann zum anderen aber doch sehr schnell ein Re-Bound erfolgt. Der gestaltet sich allerdings selektiver als der Abschwung, da man versucht, auf gewisse Krisengewinner zu setzen.

 

II: Wie sehr bekamen Sie den dramatischen Abverkauf an den Märkten zu spüren?

Wehner: Zu Jahresanfang haben wir unsere Cashquote erhöht und unsere Portfolios teilweise mit Long-Put-Optionen abgesichert. Zudem haben wir im Verlauf des letzten Jahres unserer Risikopositionen auf der Rentenseite reduziert, indem wir Unternehmens- und Schwellenländeranleihen reduzierten. Wir haben uns auf eine Marktkorrektur nach der starken Hausse des vergangenen Jahres positioniert. Deshalb haben wir den Einbruch der Märkte nicht in vollem Umfang mitgenommen.

Schrieber: Wie erwähnt, waren wir zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Markttechnik schon etwas defensiver aufgestellt. Zudem haben wir Titel von Unternehmen, die stark von der globalen Reisetätigkeit oder von chinesischen Touristen abhängen entsprechend reduziert bzw. veräußert. Als Ende Februar der sprunghafte Anstieg der Infektionszahlen in Italien bekannt wurde, haben wir den Aktienanteil durch aktive Einzeltitel-Verkäufe und Absicherung mit Derivaten reduziert und die Kassequote erhöht. Daher denke ich, dass wir die Pandemie schon frühzeitig als solche erkannt haben, zumal bereits seit 2012/13 eine „Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz“ des Deutschen Bundestags vorliegt, die man als Pandemie-Blaupause heranziehen konnte. Von diesen Erkenntnissen haben alle DJE-Fonds profitiert, was sich in der Wertentwicklung entsprechend widerspiegelt. Zwei Beispiele: Sowohl der DJE – Zins und Dividende, unser wichtigster Multi-Asset-Fonds, als auch der etwas konservativere DWS Concept DJE Alpha Renten Global, der ja von uns gemanagt wird, sind gut durch die Krise gekommen – und können sich im Mitbewerbervergleich sehen lassen.

 

II: Haben Sie inzwischen schon wieder zugekauft?

Wehner: Wir haben nach dem Einbruch an den Kapitalmärkten durchaus Opportunitäten gesehen und haben unser Aktienexposure in den durch uns betreuten Mandaten erhöht. Dabei haben wir vor allem in den Branchen Konsum, Pharma und Technologie bestehende Investments ausgebaut. Beispiel hierfür sind u.a. Apple und Tencent. Um das Risiko zu reduzieren haben wir unser Aktien-Musterportfolio von rund 20 auf 30 Einzeltitel-Positionen ausgeweitet. Ziel ist es durch die Diversifikation das Risiko zu reduzieren. Zwischenzeitlich haben wir erste Gewinne vereinnahmt, insbesondere bei Technologiewerten.

Schrieber: Mit Hilfe des bereits erwähnten FMM-Analysesystems haben wir bei Indexständen von rund 8.500 Punkten im DAX eine schwere Rezession fundamental als eingepreist gesehen. Daher wurden Absicherungen aufgelöst und wir konnten damit zwischendurch auch von der Erholung an den Aktienmärkten zu profitieren. Das gesamte Portfolio wurde weiter auf die Krise ausgerichtet, wir haben die Aktienquote wieder hochgefahren.
Bsp. haben wir in Technologietitel investiert. Auch ausgewählte Werte etwa aus dem Pharmasegment oder aus dem Bereich defensiver/nichtzyklischer Konsumgüter haben wir gekauft. Darüber hinaus haben wir auch Qualitätstitel, die aus unserer Sicht aufgrund der Corona-Krise zu stark korrigiert haben und somit Chancen bieten, nachgekauft.

 

II: Wie blicken Sie in die Zukunft?

Wehner: Die Heftigkeit des Corona-Crashs hat starke Parallelen mit 1929 und 1987, aber das Tempo ist einmalig. Die Aktienmärkte korrigierten innerhalb von wenigen Wochen um bis zu 40 Prozent, gefolgt von einer starken Aktienmarkt-Hausse, ausgelöst durch massive Zentralbankinterventionen. Derzeit gehen wir davon aus, dass der größte Schaden an den Kapitalmärkten hinter uns liegt. In den nächsten Wochen und Monaten halten wir große Schwankungen für wahrscheinlich, die zu einer zweiten Korrekturwelle führen können. Die Tiefststände aus dem Monat März sind für uns Kaufkurse. Im weiteren Verlauf gehen wir in der zweiten Jahreshälfte von einer weiteren Erholung und steigenden Kursen zum Jahresende aus. Der volkswirtschaftliche Schaden durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ist gewaltig. Die Erholung der Konjunktur wird uns nach diesem brutalen Absturz bis tief ins Jahr 2021 begleiten. In einigen Sektoren wie der Luftfahrt und dem Tourismus wird die Erholungsphase Jahre benötigen.

Schrieber: Verhalten positiv: Der Peak der Corona-Krise könnte inzwischen hinter uns liegen. Vom gegenwärtigen Niveau aus erwarten wir keinen erneuten massiven Abverkauf. Generell ist die Markttechnik derzeit gut, die monetäre Situation aufgrund der monetären Stützungsmaßnahmen der Notenbanken und der immensen fiskalpolitischen Programme seitens der Regierungen sogar exzellent.

Dagegen ist die fundamentale Situation sehr schwierig einzuschätzen. Uns dürfte in den kommenden Quartalen eine tiefe Rezession bevorstehen – Dauer unbekannt.

Realistisch ist, dass die Wirtschaft im Euroraum und in den USA erst sehr langsam wieder hochgefahren wird – und dass die Sparneigung von Konsumenten und Unternehmen aufgrund der weiter vorherrschenden Unsicherheit zunehmen wird.

Aufgrund der massiv steigenden Staatsschulden dürften aber die Zinsen auf absehbare Zeit sehr tief bleiben, was für Aktien spricht. Wir meiden derzeit Branchen, die von Corona und den daraus resultierenden Folgen überproportional betroffen sind. Chancen sehen wir aktuell vor allem in den zuvor genannten übergewichteten Sektoren, aber auch in Teilen des Technologiesektors oder im Bereich Infrastruktur. (ah)

 

David Wehner, Senior Portfoliomanager bei der Do Investment AG (li.) und Thorsten Schrieber, Vertriebsvorstand bei DJE (re.) / Fotos: © Do Investment AG / DJE

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