Green Deal, Energiewende, nachhaltige Transformation: Deutschland und Europa stecken in einem Dilemma: Zum einen ist der Status Quo aus maroder, überlasteter und unzureichender Infrastruktur die Folge gravierender Investitions- und Modernisierungsdefizite der vergangenen Jahrzehnte; zum anderen hängt der Erfolg der anstehenden nachhaltigen Transformation davon ab, dass massiv investiert und gebaut wird, und zwar in einem gigantischen Ausmaß.
Die KfW beziffert zum Beispiel in ihrem Klimabarometer 2023 den Finanzbedarf, um das gesetzlich verankerte Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen, auf rund 5 Bio. Euro, was einem jährlichen Investitionsbedarf von durchschnittlich gut 190 Mrd. Euro entspricht – immerhin rund 5 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts.
Wenig überraschend führt die KfW weiter aus, dass ein Großteil dieser Investitionen – rund 60 % – nicht von der öffentlichen Hand getragen werden kann. Der finanzielle Handlungsspielraum auf Bundes‑, Länder- und kommunaler Ebene ist massiv eingeschränkt – nicht nur durch die Schuldenbremse. Naheliegend und folgerichtig ist daher die Beteiligung von institutionellen Investoren, also vor allem Versicherungsunternehmen, Pensionskassen, Versorgungswerken und Investmentfonds, und, wenn möglich, auch von Privatanlegern.
Dreh- und Angelpunkt für derartige Finanzierungen unter Beteiligung von privaten bzw. institutionellen Investoren sind Investmentfonds, insbesondere Alternative Investmentfonds (AIFs), da diese die idealen Bündelungsvehikel sind, um eben auch in nicht-traditionelle Anlageformen zu investieren und dabei auch unterschiedlichen Finanzierungsarten (Eigen- und/oder Fremdkapital) zu kombinieren. Anfang des Jahres wurde der neue ELTIF eingeführt, ein europäisches Fondsformat mit dem insbesondere auch Privatanleger Zugang zu illiquiden Anlageklassen, wie z. B. Infrastruktur bekommen. Ebenfalls auf europäischer Ebene wurde im Februar die überarbeitete AIFM-Richtlinie verabschiedet, die nun erstmalig europaweit auch ein harmonisiertes Regime für Kreditfonds bereitstellt, also komplementäre Vehikel für die Fremdkapitalfinanzierung nicht nur von Unternehmen, sondern auch insbesondere auch im Bereich Infrastruktur. Und last, but not least, steht in Kürze auch auf nationaler Ebene eine Reform der Vorschriften für Infrastrukturfonds an, damit diese besser und umfassender auch in Deutschland in Infrastruktur investieren können.
Neben einem pragmatischen Regulierungs- und Steuerrahmen für diese Vehikel muss auch der Anlageklasse, in diese investieren sollen, mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Institutionelle Investoren bemängeln regelmäßig nicht nur die fehlenden Infrastrukturprojekte in Deutschland, sondern häufig auch deren Kleinteiligkeit, die fehlende Standardisierung und letztlich auch die überbordende Bürokratie in Deutschland.
Es stellt sich also die Frage, wie zum einen öffentliche und private Investoren, vor allem aber auch die notwendigen Projekte zusammengeführt werden können?
Bereits 2016 hatte eine beim damaligen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie angesiedelte Expertengruppe ein Konzept für eine private Finanzierung kommunaler Infrastrukturprojekte entworfen, bestehend aus:
- erstens einer Vermittlungsplattform („staatliche Infrastrukturgesellschaft“), die durch Bündelung und Standardisierung von Projekten zu einer deutlichen Absenkung der Transaktionskosten führt;
- zweitens einer geeigneten Governance-Struktur für die Durchführung der Projekte innerhalb eines „Bündels“, die eine effektive Risikoübertragung ermöglicht, der öffentlichen Hand Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten einräumt und mögliche Informationsasymmetrien und Interessenskonflikte abbaut;
- drittens einem geeigneten Fondsvehikel, das Eigenkapital einbindet und dabei gleichzeitig der Langfristigkeit und Illiquidität von Infrastrukturinvestitionen sowie dem schrittweisen Aufbau eines Projektpools Rechnung trägt.
Eine Umsetzung dieses Konzeptes erfolgte bislang leider nicht. Angesichts der immensen und drängenden Herausforderungen durch die nachhaltige Transformation hat jüngst auch der Sustainable Finance-Beirat der Bundesregierung in seinem Diskussionspapier zum Ausbau nachhaltiger Infrastruktur eigene Vorschläge für die Mobilisierung privaten Kapitals vorgestellt. Auch hier geht es um die Diversifizierung der Finanzierungsquellen und ein starkes Engagement privater Investoren, gerade im Hinblick auf eine Angebotslücke im Bereich Eigenkapitalfinanzierung bei kommunaler (beziehungsweise Staatlicher) Infrastruktur.
Für die konkrete Umsetzung werden neben der Bündelung von Kommunalkrediten die Nutzung von Fondsstrukturen, aber auch die Errichtung von Infrastrukturdachgesellschaften mit oder ohne öffentliche Beteiligung vorgeschlagen. Im Hinblick auf die Umsetzung und Strukturierung der Bündelungsoptionen (Infrastrukturgesellschaft in Kombination mit Fondsstrukturen) gibt es also gewisse Ähnlichkeiten zu dem damaligen Konzept der BMWi-Expertengruppe.
Es klingt also nach einer Win-win-Situation: Die Energiewende erfordert Unsummen an Finanzmitteln, gleichzeitig wollen und müssen private und institutionelle Anleger sehr große Anlagebeträge nachhaltig investieren. Immer mehr Investoren suchen nach sicheren Kapitalanlagen mit Renditepotential, die zudem Inflationsschutz bieten und laufende Ausschüttungen ermöglichen. Aber auch unter Nachhaltigkeitsaspekten kann gerade die Anlageklasse Infrastruktur punkten und viele Investoren, die mittlerweile eine dezidierte Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen, investieren daher in großem Umfang in die nachhaltige Transformation. Die Zielsetzung des European Green Deals, Kapitalströme in nachhaltige Anlagegegenstände/Wirtschaftsaktivitäten zu lenken, ist unumkehrbar.
Wenn langfristig orientierte Fonds gemeinsam mit der öffentlichen Hand investieren, erleichtert die gleiche Interessenlage die Abstimmung innerhalb der Infrastrukturgesellschaft. Das Kapital, welches die öffentliche Hand bereitstellt, würde einen Fonds anschieben können und dann zusätzliches privates Geld anziehen. Genau dieses Modell verfolgt auch der European Investment Fund (EIF) auf europäischer Ebene und die KfW Capital auf nationaler Ebene. Beides sind Erfolgsmodelle, die als Modell für die Finanzierung der nachhaltigen Transformation dienen könnten.
Damit AIFs, aber natürlich auch der neue ELTIF ihre zentrale Finanzierungsfunktion in diesem Konzept übernehmen können, sind allerdings – wie eingangs erwähnt — gezielte gesetzliche/regulatorische Anpassungen erforderlich; vor allem müssen dabei (Investment-) Steuerrecht und Fondsaufsichtsrecht synchron geändert werden. Den erweiterten Anlagemöglichkeiten im Bereich erneuerbare Energien muss Rechnung getragen werden, ohne dass diese steuerlich sanktioniert werden und gar ein Verlust des steuerlichen Status als vermögensverwaltender Fonds droht. Hier muss vor allem auch die Wettbewerbssituation mit anderen Fondsdomizilen im Auge behalten werden. Es wäre kontraproduktiv, wenn am Ende keine deutschen Fondsstrukturen für die Finanzierung der Energiewende in Deutschland genutzt werden.
In diesem Zusammenhang müssen auch die gesetzlichen Vorgaben in der – mittlerweile in die Jahre gekommenen – Anlageverordnung für die Investmentaktivitäten von Pensionskassen, Sterbekassen und kleinen Versicherungsunternehmen modernisiert werden; idealerweise verbunden mit einer eigenen und ausreichenden Quote für Infrastrukturanlagen, beispielsweise 10 %, etwa nach dem Vorbild der Regelung für Versorgungswerke in Nordrhein-Westfalen. Nur wenn es gelingt, aus einem regulatorischen Guss Investition in Infrastruktur rechtssicher und vor allem praxisgerecht auszugestalten, kann dadurch auch Altersvorsorgekapital für die Finanzierung der nachhaltigen Transformation und den Ausbau und die Erneuerung von Infrastruktur mobilisiert werden, wodurch gleichzeitig auch die private Altersvorsorge in Deutschland gestärkt würde.
Nach zwei erfolglosen Versuchen beim Zukunftsfinanzierungsgesetz und dem Wachstumschancengesetz scheint auch das Jahressteuergesetz 2024 diesen Komplex nicht zu adressieren. Es bleibt also zu hoffen, dass nun ein eigenständiges Gesetzgebungsverfahren hierzu angestrebt wird, in dem alle relevanten Themen aus einem Guss geregelt werden. Eine Win-win-Situation bei der Finanzierung der nachhaltigen Transformation wäre jedenfalls zum Greifen nah. Die Energiewende ist zu wichtig, als dass auf die – deutsche – Fondsbranche und die dahinterstehenden Anleger verzichtet werden kann.
Autor: Frank Dornseifer, Geschäftsführer beim Bundesverband Alternative Investments e.V.