Märkte könnten die Fed unterschätzen

2021 sind die amerikanischen Verbraucherpreise meist überraschend stark gestiegen. Und doch mahnte die Fed zur Geduld und erklärte die höhere Teuerung für vorübergehend. Jetzt scheint es der Notenbank aber zu reichen, da es noch immer keinerlei Anzeichen für eine nachlassende Teuerung gibt. In der Januarsitzung wurden daher die Weichen für eine deutlich straffere Geldpolitik gestellt. Die Fed signalisierte einen baldigen Beginn der Zinserhöhungen, die vielleicht stärker ausfallen könnten als beim letzten Mal. An den Märkten ist man der Fed unterdessen voraus: Hier rechnet man in den nächsten zwölf Monaten mit mindestens vier Erhöhungen der Federal Funds Rate um jeweils 25 Basispunkte. Viele Analysten erwarten sogar noch mehr.
18. Februar 2022
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2021 sind die amerikanischen Verbraucherpreise meist überraschend stark gestiegen. Und doch mahnte die Fed zur Geduld und erklärte die höhere Teuerung für vorübergehend. Jetzt scheint es der Notenbank aber zu reichen, da es noch immer keinerlei Anzeichen für eine nachlassende Teuerung gibt. In der Januarsitzung wurden daher die Weichen für eine deutlich straffere Geldpolitik gestellt. Die Fed signalisierte einen baldigen Beginn der Zinserhöhungen, die vielleicht stärker ausfallen könnten als beim letzten Mal. An den Märkten ist man der Fed unterdessen voraus: Hier rechnet man in den nächsten zwölf Monaten mit mindestens vier Erhöhungen der Federal Funds Rate um jeweils 25 Basispunkte. Viele Analysten erwarten sogar noch mehr.

Interessant ist, wie die amerikanische Zinsstrukturkurve darauf reagiert hat. Es überrascht kaum, dass die Kurzfristrenditen (bis zu zwei Jahren) und die mittelfristigen Renditen (drei bis sieben Jahre) stark gestiegen sind. Die Langfristrenditen (zehn bis 30 Jahre) legten aber längst nicht so stark zu. Noch immer scheint man davon auszugehen, dass die Fed ihren Leitzins kaum über 1,75% anheben kann. Das wäre dann etwa das Vor-Corona-Niveau. Die beachtliche Abflachung der Zinsstrukturkurve (durch einen überdurchschnittlichen Anstieg der Kurzfristrenditen) ist dann folgerichtig, wenn man keine massiven Zinserhöhungen für nötig hält, um Inflation und Wachstum zu dämpfen – oder wenn man glaubt, dass eine zu aggressive Fed eine Rezession verursacht. Sollte die Inflation aber trotz der Zinserhöhungen nicht verschwinden und sollten die Finanzbedingungen nicht straff genug werden, um das Wachstum zu dämpfen, dürfte die Fed die Zinsen mindestens auf das neutrale Niveau von etwa 2,50% anheben. Die Kurzfristrenditen würden dann weiter steigen. Vor allem aber würden dann auch die Langfristrenditen ab etwa zehn Jahren erheblich zulegen. Wenn sich die Vergangenheit wiederholt, wird die Zinsstrukturkurve aufgrund eines überdurchschnittlichen Anstiegs der Kurzfristrenditen in nächster Zeit immer flacher, bis sie irgendwann fast keine Steigung mehr hat. Werden die Renditen also irgendwann in allen Laufzeitsegmenten 1,75% betragen, wie der Markt zu glauben scheint? Oder werden es eher 2,50%?

Da sich die amerikanische Outputlücke fast geschlossen hat und es in den USA kaum noch Überkapazitäten gibt, die Arbeitslosenquote fast wieder auf dem alten Allzeittief liegt, die Löhne drastisch steigen und die weltweiten Lieferstörungen nur langsam nachlassen, spricht viel dafür, dass der Markt die Notwendigkeit von Leitzinserhöhungen auf über 1,75% unterschätzt. Das größere Risiko ist daher, dass die Zinsstrukturkurve irgendwann waagerecht wird, die Renditen dann aber über 1,75% und vielleicht sogar über 2,00% liegen. Sollte es so kommen, wären Anleihen zurzeit teuer. Das gilt für alle Laufzeitsegmente, vor allem aber für Titel mit mittlerer Laufzeit. Aber es könnte auch anders kommen – wenn die weltweiten Lieferengpässe bald nachlassen, das Angebot steigt und der Preisdruck nachlässt, wenn die Fed statt auf noch mehr Zinserhöhungen auf mehr Quantitative Tightening setzt und ihre Anleihenbestände stärker verringert, oder wenn die Aktienmärkte massiv einbrechen und das die Fed zwingt, Zinserhöhungen erst einmal auszusetzen.

Gastbeitrag von Erik S. Weisman, Ph.D., Portfolio Manager und Chief Economist bei MFS Investment Management

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