Lektionen aus dem Hotelgewerbe: Modernes Immobilienmanagement orientiert sich an den Mieterbedürfnissen 

Geschäftsunterbrechungen und Mietausfälle während der Covid 19-Pandemie haben endgültig mit der Vorstellung aufgeräumt, dass Vermieter vom Erfolg oder Misserfolg ihrer Mieter abgekoppelt seien. Bei allen Immobilieninvestments ist es entscheidend, die operativen Risiken der Unternehmen zu verstehen, die die Gebäude belegen, sowie auch regulatorische und nachhaltigkeitsbezogene Faktoren zu berücksichtigen. Dazu sind tiefgreifende Kenntnisse der Geschäftsmodelle von Mietern, ihrer Erfolgsfaktoren und der von ihnen beabsichtigten Gebäudenutzung für den Immobilienmanager ausschlaggebend.
1. Februar 2022
(v.l.n.r.) Dr. Thomas Wiegelmann, Sophie Van Oosterom und Artus Pourroy - Fotos: ©Schroder Real Estate Asset Management GmbH

Geschäftsunterbrechungen und Mietausfälle während der Covid 19-Pandemie haben endgültig mit der Vorstellung aufgeräumt, dass Vermieter vom Erfolg oder Misserfolg ihrer Mieter abgekoppelt seien. Bei allen Immobilieninvestments ist es entscheidend, die operativen Risiken der Unternehmen zu verstehen, die die Gebäude belegen, sowie auch regulatorische und nachhaltigkeitsbezogene Faktoren zu berücksichtigen. Dazu sind tiefgreifende Kenntnisse der Geschäftsmodelle von Mietern, ihrer Erfolgsfaktoren und der von ihnen beabsichtigten Gebäudenutzung für den Immobilienmanager ausschlaggebend.

Die durch Covid-19 ausgelösten Marktverwerfungen bieten Vermietern und Mietern eine zweite Chance, ihre Geschäftsbeziehung zu optimieren. Immobilieninvestoren, die mit ihren Mietern im kontinuierlichen Dialog sind, werden zudem eher imstande sein, neu entstehende Trends zu antizipieren und darauf konstruktiv zu reagieren. Anbieter flexibler Arbeitsplatzflächen (Co-Working-Angebote) haben erkennbar Marktanteile gewonnen. Aktiv agierende Immobilienmanager können diesen verlorenen Boden teilweise wieder gutmachen, indem sie Mieterbedürfnisse direkter aufgreifen und durch flexible Angebote versuchen, eine Win-win-Situation herzustellen. Wird dies befolgt, rechnen wir mit einer deutlich besseren finanziellen Performance und ebenso einem schnelleren Erreichen ökologischer und sozialer Ziele.

Denken wie das Hotel- und Gastgewerbe

Operative Fähigkeiten und eine Denkweise, die durch Flexibilität, Lösungsorientierung und Effizienz geprägt ist, haben für die Erzielung nachhaltiger Erträge und die Wertschöpfung eine entscheidende Bedeutung erlangt. Ein gutes Beispiel für die Umsetzung dieser Grundsätze ist das Hotel- und Gastgewerbe: Hotels arbeiten schon seit Jahren auf sehr anpassungsfähige Weise. Hoteleigentümer sind sich bewusst, dass „Mietverträge“ mit ihren Gästen kurzfristig sind und Zimmerpreise je nach Marktsituation, Lage, Gästekategorie und Zweck des Aufenthalts festgelegt werden.

Ausgehend von einem solchen Modell führt man jede Immobilie wie einen operativen Geschäftsbetrieb, statt sie als eine Sammlung von Mietverträgen zu betrachten. Gebäude und Dienstleistungen werden dann optimal auf die Geschäftsmodelle der Mieter und auf Nachhaltigkeitsziele abgestimmt. Im nächsten Schritt findet man das bestmögliche Wirtschafts- oder Vertragsmodell, das sowohl den Mieter als auch den Vermieter zufriedenstellt. Ein solches Modell könnte und sollte für jeden Mieter oder jede Gruppe von Mietern anders aussehen und von der Lage des Gebäudes und seiner vorgesehenen Nutzung abhängen.

Mietverhältnisse auf Augenhöhe

Doch wie baut man eine Partnerschaft zwischen Immobilieneigentümern, Mietern und der Umwelt auf, die für alle Seiten vorteilhaft ist, also eine Win-win-Situation darstellt? Was sind die wichtigsten Bereiche, in denen eine Zusammenarbeit erforderlich ist? Und welche erfolgreichen und nachhaltigen Modelle werden dieses Verhältnis letztlich bestimmen? Zwei wesentliche Merkmale der neuen Form der Zusammenarbeit sind Transparenz und die Bereitschaft, zum gegenseitigen Vorteil nicht nur Informationen zu teilen, sondern auch Investitionen und Kosten.

 

  1. Offener Austausch über Ziele und geschäftliche Erfolgsfaktoren

Wenn der Immobilieneigentümer die für den geschäftlichen Erfolg eines Mieters ausschlaggebenden Faktoren besser versteht und Informationen rechtzeitig erhält, kann er Serviceangebote, vertragliche Rahmenbedingungen und Preise maßgeschneidert an die Situation anpassen. Dies trägt zum wirtschaftlichen Überleben des Mieters bei und kann bei dessen zukünftiger Entwicklung eine wichtige Rolle spielen.

  1. Zusammenarbeit bei der Ermittlung operativer Daten und Betriebskosten

Detaillierte Daten etwa zum Energieverbrauch können Immobilienverwaltern helfen, Heizung und Klimatisierung zu optimieren und Verschwendung zu vermeiden. Und sie können dazu beitragen, dass sich Reinigungskräfte auf besonders stark genutzte Bereiche konzentrieren und dass Fehler in der Gebäudetechnik zügig erkannt werden, bevor sie zu einem ernsthaften Problem werden. Dies erhöht die Zuverlässigkeit von Gebäuden senkt die Neben- und Betriebskosten und verhindert letztlich eine vorzeitige Abnutzung.

  1. Neuausrichtung der Vertragsbeziehung

Vermieter und Mieter sollten flexibler über die Rahmenbedingen und die Preisgestaltung ihres Mietverhältnisses nachdenken. Die Flexibilität sollte sich nicht auf die Mietdauer und Flächenanpassungen beschränken. Ein optimales wirtschaftliches Modell zwischen Vermieter und Mieter berücksichtigt den tatsächlichen Zweck der betreffenden Immobilie und inwieweit diese vom Mieter für seine Geschäftszwecke optimal genutzt werden kann.

Zusammenarbeit in der Praxis

Ein Segment, das sich schon lange im Wandel befindet und nun besonders betroffen ist, ist der Einzelhandel. Die Nachfrage nach Flächen für den stationären Einzelhandel hat in Europa bereits um 15–20 Prozent abgenommen. Damit ist dieses Marktsegment der allgemeinen Entwicklung bereits einen Schritt voraus. Alle neuen Vertragsformen, die sich aus der derzeitigen Lockdown-Situation ergeben, sollten auf die jeweilige Nutzung einer Immobilie zugeschnitten werden und damit erfolgreiche Geschäftsmodelle von Einzelhändlern unterstützen, die Online-Handel und den stationären Handel klug kombinieren. Hierbei sollten sich Nutzer und Vermieter folgende Fragen stellen:

  • Wird eine Immobilie bzw. die Mietfläche eher für die Markenbildung, für Verkauf, für Logistik oder Versand genutzt? Wo liegt der Schwerpunkt aktuell und welche Veränderung wird erwartet?
  • Wird es für Immobilien Manager möglich sein, die Kundenfrequenz als wichtige Leistungskennzahl für Immobilien zu betrachten und so als eine wesentliche Bezugsgröße eines Mietvertrages heranzuziehen?
  • Wird das Objekt eher als Flagship Store und weniger für den tatsächlichen Verkauf genutzt?

Abhängig von den Antworten auf diese Fragen ist der Mietvertrag zu gestalten. In Folge der Erfahrungen aus den Lockdowns könnten Mieter sich anders strukturierte Verträge wünschen, mit denen sie ihre Miethöhe beispielsweise saisonal anpassen können – je nachdem, wann sie mehr Erträge generieren. All dies hat seine Grenzen – der Dialog dazu aber lohnt. Auch können die Vertragspartner zusammen analysieren, welche Bedürfnisse und Anpassungs- und Optimierungsmöglichkeiten sich anbieten: Ist die angemietete Fläche angemessen oder braucht der Mieter saisonal mehr oder weniger? Ist der Mieter gewillt, die Kosten an Maßnahmen hin zu mehr Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit teilweise mitzutragen?

Partnerschaft für mehr Nachhaltigkeit und besseres Nutzungserlebnis

Wer an einem nachhaltig erfolgreichen Verhältnis interessiert ist, muss langfristig planen und auf sein Gegenüber eingehen. So können die Parteien sich beispielsweise darauf einigen, gemeinsam in Energiesparmaßnahmen zu investieren, und der Vermieter bekommt im Gegenzug Nutzungsdaten, die die Gebäudesteuerung effizienter machen. Mehr Partizipation kann zudem die Nutzerfreundlichkeit erhöhen und so zum Wohlbefinden von Bewohnern und Angestellten beisteuern, etwa durch Befragungen dazu, was Nutzer sich in einem Gebäude wünschen. Ob es darum geht, wie man Kantinenangebote passend zum Mieterprofil gestaltet oder beim Thema KITA aktiv unterstützt – mit Offenheit gegenüber den Bedürfnissen der Mieter können Vermieter die Mieterbindung verstärken sowie deren Bereitschaft, Kosten mitzutragen, deutlich erhöhen.

Gebäude sind weltweit für 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Dieser hohe Prozentsatz ist zum Teil auf die Verwendung von Baustoffen (gebundenes CO2) zurückzuführen, in erheblichem Maß aber auf den Gebäudebetrieb: Klimatisierung, Heizung, Aufzug und Beleuchtung. Beide Seiten – Vermieter und Mieter – sollten bereit sein, die Kosten sinnvoll zu teilen, die für eine Verringerung von CO2-Emissionen bei der Gebäudeerstellung und für die Steigerung der Energieeffizienz im laufenden Gebäudebetrieb entstehen. Gleichzeitig wird dadurch profitiert, dass Nebenkosten im Griff bleiben. Weitere Maßnahmen können darin bestehen, dass Mieter sich mit anderen Mietern und dem Vermieter zusammentun, um Solaranlagen auf dem Gebäude zu installieren und so ihre Stromkosten zu reduzieren und zusätzlich Ladekonzepte für Elektroautos zu unterstützen.

Eine neue Seite aufschlagen

Der Immobilienmarkt verändert sich rasch, und Vermieter müssen beim Objekt- und Immobilienmanagement zu einem Ansatz übergehen, der den Hospitality Mindset des Hotelgeschäfts aufgreift und durch mehr Anpassungsfähigkeit gekennzeichnet ist. Eine Immobilie sollte wie ein operatives Geschäft aktiv geführt werden. So ist eine längerfristige Ertragsgenerierung und Wertschöpfung sicherzustellen, CO2-Emissionen und das Abfallaufkommen zu begrenzen und eine vorzeitige Alterung zu verhindern. Hierfür braucht es ein aktives und zukunftsgerichtetes Immobilienmanagement, um den operativen Erfolg sicherzustellen, sowie ein engmaschigeres Management von Lieferketten und Investitionen in neue Technologien. Eine gut funktionierende Partnerschaft mit den Mietern ist von entscheidender Bedeutung, um umweltfreundliche und nachhaltige Ergebnisse zu gewährleisten.

Autoren: Sophie Van Oosterom, Global Head of Real Estate bei Schroders, sowie Artus Pourroy und Dr. Thomas Wiegelmann, Managing Directors Schroder Real Estate Asset Management GmbH

 

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