Japan im Führungswandel

Nicht häufig zieht sich ein Staatsoberhaupt in Krisenzeiten freiwillig zurück. Aber der japanische Premierminister Shinzo Abe kündigte kürzlich seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen an. Der Markt reagierte wie erwartet negativ auf die Nachricht: Der TOPIX-Index und der Nikkei 225 notierten am 28. August 2020 um 0,68 Prozent beziehungsweise 1,41 Prozent niedriger. Wir gehen davon aus, dass die Unsicherheit in der politischen Landschaft die Marktentwicklung auf kurze Sicht belasten wird. Anleger hatten nicht mit einem Rücktritt vor dem Ende seiner Amtszeit 2021 gerechnet.
8. September 2020
Foto: © SeanPavonePhoto - stock.adobe.com

Nicht häufig zieht sich ein Staatsoberhaupt in Krisenzeiten freiwillig zurück. Aber der japanische Premierminister Shinzo Abe kündigte kürzlich seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen an. Der Markt reagierte wie erwartet negativ auf die Nachricht: Der TOPIX-Index und der Nikkei 225 notierten am 28. August 2020 um 0,68 Prozent beziehungsweise 1,41 Prozent niedriger. Wir gehen davon aus, dass die Unsicherheit in der politischen Landschaft die Marktentwicklung auf kurze Sicht belasten wird. Anleger hatten nicht mit einem Rücktritt vor dem Ende seiner Amtszeit 2021 gerechnet.

Politische Kontinuität wahrscheinlich

Offiziell ginge Abes Amtszeit noch bis September 2021 – und seine Liberaldemokratische Partei (LDP) war bereits auf der Suche nach einem Nachfolger. Angesichts des plötzlichen Rücktritts muss die Nachfolgefrage jetzt jedoch umgehend geklärt werden. Dieser Nachfolger übernimmt das Amt des Premierministers bis September 2021, sofern nicht vorher schon Neuwahlen stattfinden. Abe hat bereits angekündigt, dass er die Regierungsgeschäfte weiterführen wird, bis ein neuer Regierungschef gefunden ist.

Trotz des Führungswechsels innerhalb der LDP rechnen wir nicht mit einschneidenden Veränderungen in der Wirtschaftspolitik. In der Führungsriege der LDP herrscht Konsens über die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Abe-Regierung. Die Wahrscheinlichkeit eines Umbruchs bleibt gerade angesichts der aktuellen COVID-19-Pandemie ziemlich niedrig. Selbst wenn die 2021 anstehenden Parlamentswahlen wegen des vorzeitigen Rücktritts vorverlegt werden, dürfte es der LDP unseren Erwartungen nach gelingen, eine Regierung zu bilden. Denn die Opposition ist recht schwach. Wir rechnen daher damit, dass der von der Abe-Regierung eingeschlagene politische Kurs fortgeführt wird.

Auf Kurs: Binnenkonsum stärken – Corporate Governance verbessern 

Abes Politik war darauf ausgerichtet, Unternehmen durch geld- und fiskalpolitische Hilfe zu unterstützen, durch ein Ankurbeln des Binnenkonsums die Binnenwirtschaft zu stärken und die Corporate Governance zu verbessern, damit diese Reformen die Anleger besser erreichen. In den vergangenen acht Jahren ist es dank dieser Maßnahmen gelungen, Verbesserungen in vielen dieser Bereiche anzustoßen, in einigen machen sich bereits Erfolge bemerkbar. Die beispiellosen Corporate-Governance-Reformen führten zu mehr Unabhängigkeit der Aufsichtsräte, besseren strategischen Entscheidungen – und höheren Renditen für Aktionäre in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen. Obwohl die Regierung den Anstoß für diese Reformen gab, sind Anleger mittlerweile bereit, selbst das Steuer zu übernehmen. Daher rechnen wir damit, dass die Unternehmenswerte für Aktionäre trotz des Regierungswechsels weiter steigen.

Aktienrenditen unterliegen unternehmensspezifischen Einflussfaktoren 

Der japanische Aktienmarkt wurde von 2012 bis 2015 eher durch politische Maßnahmen geprägt. In dieser Zeit wurden im Rahmen der „Abenomics“ zahlreiche Reformen durchgeführt. Seit 2015 sind jedoch mikroökonomische und unternehmensspezifische Faktoren ausschlaggebender für den Markt – was deutlich daran erkennbar ist, dass die Renditen von Unternehmen sehr unterschiedlich sind und die Korrelation zwischen den Marktrenditen und dem Wechselkurs abgenommen hat. Daher ist die Titelauswahl ein maßgebliches Unterscheidungsmerkmal für die Portfoliorenditen geworden. Unternehmen mit robusten Fundamentaldaten und einem starken Wachstumsprofil sowie solche, die mehr in der neuen „technologiefähigen Wirtschaft“ verankert sind, haben sich besser entwickelt als Unternehmen, die eher in traditionellen Sektoren tätig und vom Industriezyklus abhängig sind.

Politisches Umfeld im Blick – gezielt wachstumsorientiert investieren 

Innerhalb unserer Portfolios ist es unser Ziel, in Unternehmen mit starken Fundamentaldaten und attraktiven langfristigen Wachstumsaussichten zu investieren, die unternehmensspezifische Wachstumsfaktoren aufweisen und nur wenig vom politischen Umfeld abhängig sind. In der aktuellen Situation gehen wir aus den oben erläuterten Gründen nicht davon aus, dass der Rücktritt von Abe selbst dauerhafte negative Auswirkungen auf die Geschäftslage unserer Unternehmen haben wird. Die Unsicherheit würde vermutlich die Märkte kurzfristig beeinträchtigen, was auch die Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen könnte, in die wir investieren. Wir rechnen jedoch nicht damit, dass wir einschneidende Änderungen an unseren Portfolios vornehmen. Wir sind zuversichtlich, dass Kurseinbrüche, die ausschließlich durch dieses Ereignis ausgelöst wurden, mit der Zeit wieder aufgeholt werden. (ah)

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Gastautor: Luke Barrs, Leiter Fundamental Equity Client Portfolio Management der EMEA-Region bei Goldman Sachs Asset Management

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