Investmentchancen hinter den Negativschlagzeilen

Die Schwellenländermärkte stehen 2022 bislang stark unter Druck. Aber auch in solch herausfordernden Marktphasen lassen sich in dieser Ländergruppe interessante Anlagemöglichkeiten finden – wenn man flexibel ist. Anthony Kettle, Portfoliomanager bei BlueBay Asset Management, erläutert, wo er Chancen sieht und worauf es bei Investments ankommt.
21. September 2022
Foto: © Olivier Le Moal - stock.adobe.com

Die Schwellenländermärkte stehen 2022 bislang stark unter Druck. Aber auch in solch herausfordernden Marktphasen lassen sich in dieser Ländergruppe interessante Anlagemöglichkeiten finden – wenn man flexibel ist. Anthony Kettle, Portfoliomanager bei BlueBay Asset Management, erläutert, wo er Chancen sieht und worauf es bei Investments ankommt.

Der russische Einmarsch in die Ukraine und die geldpolitische Straffung aufgrund der hohen Inflation haben zu massiven Kursverlusten in den Schwellenländern geführt – und zwar sowohl bei Aktien als auch bei festverzinslichen Wertpapieren. Manche Segmente traf es jedoch stärker als andere. Staatsanleihen in Hartwährung gerieten beispielsweise in den ersten vier Monaten dieses Jahres deutlich stärker unter Druck als Schwellenländerwährungen, die sich vergleichsweise stabil zeigten. Die US-Notenbank hat mit ihrer restriktiveren Geldpolitik zum Ausverkauf in den Schwellenländern beigetragen. Einige Zentralbanken innerhalb der aufstrebenden Volkswirtschaften haben jedoch bereits zuvor die Zinsen proaktiv angehoben – z. B. Brasilien ab Anfang 2021 – und daher bei der geldpolitischen Straffung einen Vorsprung. Das Ergebnis sind höhere Realzinsen als in den entwickelten Volkswirtschaften, die die Währungsseite stützen. Aktive Anleger konnten mit einer entsprechenden Positionierung davon profitieren.

Flexibilität zahlt sich bei Turbulenzen aus

Insbesondere in herausfordernden Zeiten ist ein flexibler Ansatz bei der Vermögensallokation sinnvoll. Denn nicht alle Anlageklassen verlieren gleichermaßen an Wert. Wertet beispielsweise der US-Dollar stark auf, kann umgekehrt eine Netto-Short-Position in Schwellenländerwährungen zum Schutz vor Abwärtsrisiken beitragen – wie sich unter anderem Ende 2016, im Jahr 2018 und sogar 2020 inmitten der Corona-Pandemie zeigte. Damit die Vorteile einer aktiven Allokationsstrategie voll ausgeschöpft werden können, sollte die Flexibilität bereits bei der Produktgestaltung berücksichtigt werden.

ESG-Risiken analysieren – und entsprechend handeln

Um das Schwellenländerportfolio vor Wertverlusten zu bewahren, sollten außerdem ESG-Risiken ernst genommen werden. Investoren müssen Umwelt‑, Sozial- und Governance-Faktoren für ihre Schwellenländerinvestments nicht nur analysieren und bewerten, sondern ihre Erkenntnisse auch konsequent in der Anlagestrategie umsetzen. Wie wichtig es ist, dabei auch gegen die allgemeine Marktstimmung zu handeln, zeigte sich im Vorfeld der russischen Invasion in die Ukraine. Bereits im Juli 2021 – also fast neun Monate vor dem Einmarsch – verfasste der russische Präsident Wladimir Putin einen Aufsatz, der zur Pflichtlektüre für alle russischen Soldaten wurde. Dieser wurde auf der Website des Kremls in russischer, ukrainischer und ungewöhnlicherweise auch in englischer Sprache veröffentlicht. Darin rief Putin zu einem Regierungswechsel in der Ukraine sowie zur „Entnazifizierung“ des Landes auf und verwies auf die gemeinsame Geschichte der beiden Staaten. Viele Beobachter der russischen Politik verstanden dies als Ankündigung einer Invasion. Im November zeigten Satellitenbilder, wie Russland Truppen an der ukrainischen Grenze zusammenzog. Einige Wochen später sprachen US-amerikanische und britische Geheimdienste offen über Putins Invasionspläne. US-Präsident Joe Biden erklärte daraufhin, er denke, dass „Putin einmarschieren wird“. Trotz zahlreicher Warnungen und negativer ESG-Bewertungen blieben viele Schwellenländerinvestoren mit Blick auf Russland neutral positioniert oder sogar übergewichtet. Die Credit Default Swaps (CDS) – eine Art Kreditversicherung – für russische Anleihen blieben stabil und handelten im November und Dezember 2021 zwischen 80 und 125 Basispunkten. Wir haben das Risiko ernst genommen und in sämtlichen Portfolios russische Positionen abgebaut beziehungsweise mit CDS abgesichert. Als Russland einmarschierte, weiteten sich die CDS auf 1.000 Basispunkte aus. Die Sanktionen gegen das Land wurden verschärft und das Ausstiegsfenster schloss sich. Aus unserer Sicht sollte man auf solche Situationen vorbereitet sein und gegebenenfalls auch kurzfristige Verluste in Kauf nehmen.

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